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new queer photography // © Damien Blottière
Rubrik

new queer photography Mehr als ein Bildband

id - 26.09.2020 - 10:00 Uhr

Der neue Bildband „new queer photography“ ist weitaus mehr als nur ein Buch mit vielen schwarz-weiß und Farbfotos. Er erzählt etwas über den heutzutage sehr breit gestreuten fotografischen Output von queeren Künstler*innen. Begünstigt durch die Möglichkeiten, die sich heutzutage queeren Künstler*innen durch die vielfältigen sozialen Medien bieten, lohnt sich ein genauerer Blick auf diese so unterschiedlichen Arbeiten.

Im Kern geht es hierbei um das Bedürfnis, sich selbst gut darzustellen, gleichzeitig aber auch darum, eine vermeintlich private Normalität zu zeigen. Doch außerhalb der Idylle gibt es durchaus für viele queere Menschen noch Schattenseiten. Während im Buch vor allem Fotostrecken der einzelnen Fotografinnen & Fotografen dominieren, werden diese immer wieder auch durch Texte unterbrochen. Und genau diese sehr unterschiedlichen Texte sind es, die einen aufhorchen lassen. Beispielsweise geht es um „Queer Kids in America“, wo neben Fotografien von M. Sharkey ein Text von Alexander Chee erläuternd ergänzt. Sicher haben viele mitbekommen, dass es auch im Jahr 2020 noch zahlreiche Selbstmorde von Jugendlichen aufgrund ihres vermeintlichen „Andersseins“ gibt.

In Filmen, Serien, der Musik und generell im Mainstream scheinen queere Lebensmodelle heutzutage auf eine breite Akzeptanz hinzudeuten, doch dieses ist längst nicht überall so. Dass Schwul- und Lesbischsein in bestimmten Ländern und Gesellschaften nach wie vor Ausgrenzung, Einsamkeit, Stigmatisierung und Gewalt bedeuten können, zeigt eindrucksvoll eine Reihe von dokumentarisch arbeitenden Fotografen, die auch die kolonialen Ursprünge vieler Verbote von gleichgeschlechtlichen Kontakten und das Regime der Sexualität selbst berücksichtigen. So steuert Laurence Rasti die Bilder zu dem Text von Ben Miller unter dem Titel „There are no Homosexuals in Iran“ bei, die dieses Problem aufgreifen. Dass dies nicht allzu weit entfernte Länder betrifft, zeigt beispielsweise in jüngster Zeit das EU-Land Polen mit seinen „LGBTI*-freien Zonen“.

Cover "new queer photography"

Das sorgsam recherchierte und umfangreich ausgestattete Buch stellt auf 300 Seiten rund 40 zeitgenössische fotografische Positionen vor, darunter bereits etablierte Namen sowie zahlreiche, vom Publikum wenig beachtete oder noch unbekannte Talente. So beispielsweise Alexandre Haefeli, welcher Blumen gerne als Stilmittel nutzt, um Körper in Szene zu setzten. Als Gegensatz dazu hat er auch klassische Schwarz-Weiß-Bilder in seinem Repertoire, wo sexuelle Themen wie Füße, Arme und Finger, die in den Mund eindringen, auftauchen.

Bradley Seeker kommt mit einem ganz anderen Stil daher. Seine Arbeiten sehen wie schnell geschossenen Polaroids aus, die auch gleich mit Preisschildern und Notizen versehen sind.

Damien Blottière´s Arbeiten wiederum sind interessante, scherenschnittartige Mosaike. Oder Benjamin Fredrickson: Er macht Fotografien, die subkulturelle und tabuisierte Sexualität mit Offenheit und Witz darstellen. Auch hier sind Polaroidbilder seit Langem ein zentraler Bestandteil seiner Praxis: Während der Arbeit als Sexarbeiter schuf er eine Reihe von Porträts seiner Kunden, Freunde und Liebhaber.

Auch das Thema Drags und Transsexualität bleibt in diesem Bildband nicht versteckt. Während die Arbeiten von Jan Klos sich mit der bunten Welt der Drags befassen, sehen die Fotografien von Lukas Vir aus, als wären sie mitten in der New Yorker Club-Kid-Szene entstanden. Die Trans*-Menschen finden unter anderem in den Fotos von Shahria Sharmin Niederschlag. Mit einem Text von Shiv Kotecha „Call me Henna“ wird hier ein Blick auf Indien geworfen, wo die Thematik schon lange Zeit einen ganz eigenen Stand hat. Transgender, Intersexuelle und Eunuchen sind dort unter dem Begriff „Hijras“ bekannt.

Alles in allem ein fantastischer Bildband mit überraschend fundierten und fast politischen Beiträgen. Eine Anschaffung lohnt sich allemal.

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