Community-Ikone Maren Kroymann Mutmacherin für die junge queere Generation
Die lesbische Schauspielerin und Kabarettistin Maren Kroymann (76) will der jungen Generation Hoffnung geben, ist genervt von Selbstdarstellern und ist der Überzeugung, mit ihrem Coming-Out die Gesellschaft vorangebracht zu haben. Im ZEIT-Podcast "Ehrlich jetzt?" sprach sie offen über ihren Blick auf das Weltgeschehen.
Karriere mit viel Humor
Kroymann, geboren 1949 in Niedersachsen, ist heute eine der bekanntesten Schauspielerinnen und Kabarettistinnen Deutschlands und eine wichtige Figur für die LGBTIQ+-Community. Mit ihrem Engagement und ihrer Offenheit hat sie sich stets für die Rechte und Sichtbarkeit von queeren Menschen eingesetzt. Als erste Frau überhaupt präsentierte sie in den 1990er Jahren ihre eigene Satiresendung „Nachtschwester Kroymann“, es folgten zahlreiche Film-, Kino- und Theaterrollen. Ein „Comeback“ im Fernsehen feierte sie seit 2017 mit ihre mehrfach ausgezeichneten Satiresendung „Kroymann“ in der ARD. Zu ihren wichtigsten Auszeichnungen gehören der Bayerische und Deutsche Fernsehpreis, mehrere Grimme-Preise und der Fernsehpreis Rose d’Or für ihr Lebenswerk..
Outing für die Community
Kroymann outete sich 1993 öffentlich als lesbisch und zeigte sich für eine Titelstory des Stern zusammen mit ihrer damaligen Partnerin Susanne Evers. Einige Jahre lang bekam sie daraufhin keine Rollen mehr angeboten. Im Zeit-Interview betonte sie jetzt, wie wichtig dieser Schritt trotzdem war: „Es war klar, dass es beruflich nicht gerade förderlich ist. Aber ich dachte, jetzt habe ich diese Chance, denn die Leute interessieren sich für mich, weil ich zwei lächerliche Hauptrollen gespielt habe in diesem ominösen Fernsehen. Und dann ist es mir wichtiger, dass ich für Lesben, Homosexuelle oder Menschen, die anders leben, etwas voranbringe, als wenn ich noch drei mittellustige Hauptrollen in einer Serie spiele. Geld wäre mir nicht so wichtig gewesen wie das.“
Falten sind spannend
Mit großer Gelassenheit blickt sie indes heute auf das Alter, so die 76-Jährige: „Schauspielerinnen und Schauspieler sind extrem austauschbar, was uns in die Konkurrenz zwingt. Ich habe mich jedoch immer geweigert, dieses Konkurrenz-Ding als lebensbestimmend zu sehen. Ich muss mich nicht mehr vergleichen, dünn oder schön sein. Das Tussitum wird im Alter weniger wichtig.“
Und weiter: „Die Leute denken, dass Faltenlosigkeit und Aussehen wahnsinnig wichtig sind. Das ist ein Irrtum, sie müssen es nur schnallen. Inge Meysel war jahrelang die Mutter der Nation und gleichzeitig die beliebteste Schauspielerin. Weil sie alt, lustig und souverän war. Aber im Fernsehen zielt man aufs junge Publikum, das sich in der Werbepause anfixen lässt und bestimmte Produkte kauft. Und das ist ein falscher Gedanke.“
Jugend ohne Hoffnung
Mit Bedauern sieht Kroymann dabei, dass viele, gerade jüngere Menschen die Hoffnung verlieren und sehr deprimiert in die Zukunft blicken. „Aber ich bin so alt, dass ich noch die Zeit in den Fünfziger- und Sechzigerjahren miterlebt habe, in der wir keine liberale Gesellschaft waren. Das wurde damals von unserer Generation erst erkämpft. Ich stand in den Siebzigern selbst auf schwarzen Listen, weil ich als zu links galt. Man flog im Staatsexamen durch, wenn man zu marxistisch argumentiert hatte, also habe ich ganz früh gelernt, dass man verschiedene Codes bedienen muss. Mit Willy Brandt ist es dann liberaler geworden. Aber jetzt müssen wir unser kämpferisches Potenzial wieder rausholen (…) Ich sehe meine Funktion darin, ein bisschen Zuversicht zu verbreiten. Man kann es noch wenden. Und außerdem: Macht euch klar, dass die Friedenszeit nicht selbstverständlich war.“
Digitale Selbstdarsteller
Genervt ist die Vollblut-Entertainerin derzeit eher über verlogene Selbstdarsteller und Lügen, es werde viel gelogen in unserer Gesellschaft, so Kroymann: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der es wahnsinnig honoriert wird, sich selbst positiv darzustellen (…) Eigentlich möchten alle belogen werden und diese tollen Geschichten hören. So sind wir als Publikum: Wir wollen möglichst einfache Geschichten und schwere Schicksale, die zu Herzen gehen.“
Zudem gibt die Powerfrau zu bedenken: „Wir idolisieren gerne. Wir sind durch das Pop-Business so geprägt, dass wir gerne Menschen mit geradezu übernatürlichen Fähigkeiten sehen wollen. Wie bei Taylor Swift oder so jemanden. Und plötzlich hat fast jeder das Ziel, selbst ein Idol zu werden, selbst wenn er nur einen kleinen Instagram-Account hat und gut kochen kann oder dünn ist. Aber Idolisieren klappt auf lange Sicht nie. Idole sind auch nur Menschen, die Fehler machen, und dann sollten wir hinterher nicht so böse mit ihnen sein, so wie wir sie vorher nicht zu sehr bewundern sollten.“