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Homosexualität – Noch immer ein Verbrechen?
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Homosexualität Noch immer ein Verbrechen?

ms - 12.01.2024 - 17:00 Uhr

Noch immer gibt es viele Länder weltweit, die sich strikt gegen gleiche Rechte für Homosexuelle aussprechen oder sogar strafrechtliche Verfolgungen und Verhaftungen durchsetzen – die ILGA World legt nun in ihrem neuen Bericht „Our Identities Under Arrest“ ausführlich dar, wie gefährlich die Lage auch in vermeintlich sicheren Ländern bis heute ist beziehungsweise wie schnell die Sicherheit schwinden kann. Gerade einmal drei Länder weltweit haben 2023 homosexuelle Handlungen entkriminalisiert: Singapur, die Cook-Inseln und Mauritius. In 63 UN-Mitgliedsstaaten stehen allerdings einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen auch weiterhin unter Strafe.

 

Die meisten Taten werden nie publik

Dabei legt die ILGA gleich zu Beginn in ihrem Bericht auch Wert auf die Feststellung, dass die gesammelten Daten nur die Spitze des Eisberges sind, viele Verfolgungen werden gar nicht erst publik. „Die tatsächliche Zahl dürfte jedoch viel höher sein: Offizielle Aufzeichnungen sind oft nicht zugänglich oder nicht vorhanden. Darüber hinaus wurden viele Fälle entweder nie registriert oder es wurde auf unklare und voreingenommene Weise darüber berichtet.“ Klar ist allerdings, dass es allein im ersten Halbjahr 2023 in mindestens 32 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) zur Strafverfolgung von Homosexuellen gekommen ist. Die Strafmaßnahmen reichen dabei von Geldstrafen, willkürlichen Verhaftungen, strafrechtlichen Verfolgungen und Körperstrafen bis hin zu Haftstrafen sowie sogar der Todesstrafe.

Blick in eine ungewisse Zukunft: in Uganda gibt es seit 2023 Todesstrafen für „schwere Homosexualität“. © iStock / PeopleImages

 

Unberechenbar und willkürlich

Besonders bedrohlich dabei: „Die dokumentieren Fälle zeigen, wie unberechenbar diese Verhaftungen und Verfolgungen sind. In Ländern, die weithin als ´sicher´ oder ´ruhig´ gelten, ist es relativ kurzfristig zu plötzlichen Veränderungen gekommen. Wachsende Hassreden gegen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt – sei es von politischen Persönlichkeiten oder religiösen und kommunalen Führern, auch mit der Komplizenschaft der Medien – verwandeln sich regelmäßig in Razzien oder organisierte Kampagnen, deren Dauer, Ausmaß und Gewalt nicht vorhersehbar sind“, so Kellyn Botha, Forschungsberaterin bei ILGA World und Autorin des Berichts.

Und weiter: „Uganda hat aggressive neue Gesetze verabschiedet, deren negative Auswirkungen bereits in der gesamten Region zu spüren sind. Kenia, Tansania, Nigeria, Ghana und Senegal haben Versuche unternommen, die bestehenden Gesetze zu verschärfen, während im Irak, in Niger und Mali verstärkt versucht wurde, unsere Gemeinschaften formell zu kriminalisieren, wo es zuvor keine Gesetze gab. Trotz der positiven Entwicklungen in Singapur, auf den Cook-Inseln und auf Mauritius, wo einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen entkriminalisiert wurden, ist der Weg zur Gleichstellung selten geradlinig.“ Darüber hinaus beobachtete die ILGA World zahlreiche regressive Gesetzesinitiativen und Debatten im Nahen Osten und in Afrika. Besonders besorgniserregend sind Gesetzesentwürfe, die über die Kriminalisierung sexueller Handlungen weit hinausgehen und auch bereits die pure Identifizierung als Homosexueller einschließen (Ghana) – dazu kommen verschärfte Strafen, einschließlich der Verhängung der Todesstrafe (Irak). Die Gerichtsverfahren und Urteile in den einzelnen Ländern verliefen zumeist sehr schlecht für die Beklagten.

Wenn es darum geht, wie diese Gesetze durchgesetzt werden, ist das Bild zudem besonders düster: „Die von den Gerichten verhängten Haftstrafen sind je nach Zeit und Region sehr unterschiedlich und reichen von ein paar Monaten bis hin zu 30 Jahren in bestimmten Fällen. Es gibt eine überwältigende Anzahl von Dokumenten, die belegen, dass die Polizei verprügelt, erniedrigt, gefoltert, vergewaltigt, Bestechungsgelder erpresst oder auf andere Weise LGBT- und geschlechtsspezifische Menschen misshandelt, die sie festgenommen oder inhaftiert hat. Viele Opfer solcher Übergriffe erstatten keine formelle Anzeige aus Angst vor erneuter Viktimisierung“, erklärt Lucas Ramón Mendos, Forschungsleiter bei ILGA World.

 

Uganda hat aggressive neue
Gesetze verabschiedet, deren
negative Auswirkungen in der
gesamten Region zu spüren sind.

Zumeist im Fokus der Angriffe: Homosexuelle

Die meisten kriminalisierenden Gesetze zielen speziell auf Homosexuelle ab, wie die ILGA weiter festhält. „In vielen Gerichtsbarkeiten kann die Art und Weise, wie sich eine Person kleidet, verhält oder spricht, bereits als ‚Beweis‘ für ‚Homosexualität‘ gelten und eine Verhaftung rechtfertigen. Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass jemand wegen seines unangepassten Aussehens oder seiner Verhaltensweisen ins Visier genommen wird als wegen einer nachweisbaren ‚unerlaubten‘ sexuellen Handlung“, so Mendos weiter.

Dieses düstere Szenario habe dabei unmittelbare Auswirkungen auf das tägliche Leben von Schwulen und Lesben: „Die bloße Existenz von kriminalisierenden Gesetzen bedeutet, dass unsere Gemeinschaften in vielen Teilen der Welt unter einer ständigen Bedrohung leben. Dies gilt nicht nur für die Bevölkerung an der Basis, die von plötzlichen Wellen der Feindseligkeit getroffen wird, sondern auch für Asylbewerber, die aufgrund falscher Einschätzungen der Sicherheit Gefahr laufen, in Länder zurückgeschickt zu werden, in denen sie verfolgt werden“, so Gurchaten Sandhu, Direktor bei ILGA World. Zudem, so Sandhu weiter: „Unsere Gemeinschaften werden oft auch ohne ausdrückliche kriminalisierende Bestimmungen ins Visier genommen. Dies gilt insbesondere für Gebiete, in denen die Rechtsstaatlichkeit geschwunden ist und aufständische Gruppen die Macht übernommen haben. Dass ein Land nicht zu den 63 UN-Mitgliedsstaaten gehört, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen ausdrücklich unter Strafe stellen, reicht einfach nicht aus, um als sicherer Ort für LGBT- und geschlechtsspezifische Personen zu gelten.“

 

Hassgesetze befeuern die negative Stimmung und lassen Schwule mancherorts zu „Freiwild“ werden. © iStock / gorodenkoff

Freiheit der Meinungsäußerung

Die Debatten über das Recht auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf die sexuelle Orientierung sind dabei zu einem Schlachtfeld geworden. „Weltweit war das Jahr 2023 geprägt von einer beträchtlichen Anzahl von regressiven Initiativen mit einer Vielzahl von Gesetzen und politischen Entscheidungen in verschiedenen Regionen. Auch wenn es erhebliche Überschneidungen gibt, gehen diese Initiativen weit über Kriminalisierung hinaus, und das einschließlich Nord- und Südamerika sowie Europa. Diese Maßnahmen zielen auf ein ganzes Spektrum von Themen ab, darunter Gender-Nonkonformität, öffentliche Interessenvertretung, Medienvorschriften, Lehrpläne und sogar Regenbogensymbolik. Diese Maßnahmen werden oft als Bemühungen dargestellt, Kinder vor ´Verderbtheit´ zu schützen oder ´Familienwerte´ zu bewahren sowie als Bekämpfung der sogenannten ´Förderung´ von Homosexualität oder der LGBT-Agenda.“ Bis Ende 2023 gab es so auch in nicht weniger als 54 UN-Mitgliedsstaaten rechtliche Reglementierungen für jene Art der Meinungsfreiheit, die sich explizit mit Fragen der sexuellen Orientierung auseinandersetzt.
„Es gab zwar einige wenige Fälle positiver gesetzgeberischer Maßnahmen, aber der vorherrschende allgemeine Trend im Jahr 2023 war die Erwägung oder tatsächliche Umsetzung neuer formeller Schranken, verbunden mit der Durchsetzung bestehender Vorschriften“, so die ILGA World weiter. Darüber hinaus dokumentierte die internationale LGBTI*-Organisation neue Bestrebungen, Inhalte über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt systematisch aus Bildungseinrichtungen und Bibliotheken auszuschließen, entweder per Gesetz oder durch politische Initiativen und das in mindestens neun UN-Mitgliedsstaaten. Mehr noch, in mindestens fünf verschiedenen UN-Mitgliedsstaaten wurden 2023 neue Fälle registriert, in denen Behörden sogar regenbogenfarbene Gegenstände beschlagnahmten, denn diese hätten zur „Förderung der Homosexualität“ eingesetzt werden können.

 

Vereinigungsfreiheit und Diskriminierung

Das Grundprinzip der Vereinigungsfreiheit, insbesondere für LGBTI*-Organisationen, wurde in den letzten Jahren zunehmend eingeschränkt. Bis zum Ende des Jahres 2023 gibt es in 58 UN-Mitgliedsstaaten Bestimmungen mit rechtlichen Hindernissen für die formale Registrierung und effektive Tätigkeit von LGBTI*-Verbänden. Wenn es diesbezüglich doch einmal zu einem Fortschritt kommt, geschieht dies fast immer auf Druck der Gerichte und nicht durch freiwillige gesetzgeberische Maßnahmen. Bis Ende 2023 boten auch gerade einmal 12 UN-Mitgliedsstaaten verfassungsrechtlichen Schutz aufgrund der „sexuellen Orientierung“ an. In sieben UN-Mitgliedsstaaten wurden spezielle Antidiskriminierungsvorschriften erlassen: Bulgarien, Kuba, Japan, Moldawien, Spanien, die Niederlande und Kolumbien. Allerdings wurden auch konkrete Fälle von Rückschritten beobachtet, insbesondere in Georgien, in Madrid (Spanien), dem Vereinigten Königreich und den USA.

 

Dass ein Land nicht zu den 63
UN-Mitgliedsstaaten gehört, die
gleichgeschlechtliche sexuelle
Handlungen ausdrücklich unter
Strafe stellen, reicht einfach
nicht aus.

Hasskriminalität und Hassreden

Im Jahr 2023 gab es hier nur begrenzte Fortschritte, da nur ein einziger UN-Mitgliedsstaat in die Liste der Länder mit Gesetzen gegen Hassverbrechen (Bulgarien) vollumfänglich neu aufgenommen werden konnte. Nach wie vor sind auch Hassreden in den UN-Mitgliedsstaaten weit verbreitet. Bemerkenswerte positive Entwicklungen waren relativ spärlich, und größere Fortschritte wurden nur in Bulgarien und Brasilien erzielt, die jeweils einen anderen Schutzumfang eingeführt haben. In Deutschland zeigte sich dabei erst vor wenigen Tagen Mitte Dezember, wie groß das Problem mit Hassreden tatsächlich ist: Erstmals untersuchte das Statistische Bundesamt die aktuelle Sachlage und zeigte für das erste Quartal 2023 auf:  Fast 16 Millionen Internetnutzer in Deutschland im Alter von 16 bis 74 Jahren sind mit Hate-Speech-Beiträgen konfrontiert, mehr als jeder Vierte (27%) in der Bundesrepublik. Vor allem jüngere Menschen sind deutlich öfter davon betroffen: So beobachteten mehr als ein Drittel (36%) der Internetnutzer im Alter von 16 bis 44 Jahren Hate-Speech-Beiträge. Dabei untersuchte das Statistische Bundesamt auch, aus welchen Motiven heraus es zu Hass und Hetze online gekommen ist – zu den Top-3-Gründen mit 54 Prozent zählt als Motivation der Täter die Homosexualität der Opfer, praktisch gleichauf mit rassistischen Äußerungen. Getoppt wird dies nur von Angriffen aufgrund politischer oder gesellschaftlicher Ansichten (79%).

Das Vergehen? Schwuler Sex. Weltweit kann es dafür zu hohen Haftstrafen kommen. © iStock / FOTOKITA

Homo-Ehe und Konversionstherapie

Zurück zur ILGA World – die Organisation warf einen weiteren Blick auf das Thema Konversionstherapien, also jene unseriösen „Homo-Heilungen“, die in vielen Ländern noch immer präsent sind. Ermutigend ist, dass drei UN-Mitgliedsstaaten, namentlich Zypern, Island und Spanien, erfolgreich Gesetze erlassen haben, um diese unwissenschaftlichen und schädlichen Praktiken auf nationaler Ebene einzudämmen, wodurch sich die Gesamtzahl der UN-Mitgliedsstaaten mit landesweiten Vorschriften diesbezüglich auf insgesamt 13 erhöhte. Darüber hinaus wurden in den Vereinigten Staaten und Mexiko weitere Vorschriften auf subnationaler Ebene erlassen. Der positive Trend setzt sich laut der ILGA dabei fort: Mindestens acht UN-Mitgliedsstaaten diskutieren aktuell über Gesetzesentwürfe zur Regelung von Konversionstherapien, darunter beispielsweise auch Österreich.

Ebenso setzte sich im Jahr 2023 der anhaltende Trend zur Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen und anderer Formen von Lebenspartnerschaften fort: Vier UN-Mitgliedsstaaten – Andorra, Estland, Nepal und Slowenien – reihten sich in die Liste der Länder ein, in denen die gleichgeschlechtliche Ehe nun legal ist. Darüber hinaus hat Bolivien Fortschritte gemacht, indem es gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften zuließ, und in Japan wurden auf subnationaler Ebene weitere Fortschritte erzielt, indem mehr Präfekturen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften legalisierten. Die Regierung selbst indes schreckt aus Angst vor einer Ablehnung in der ländlichen Bevölkerung davor nach wie vor zurück, doch der Druck wächst stetig. Hoffnungsvoll blickt die Gay-Community derzeit auch nach Polen, die neue Regierung mit dem ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk an der Spitze will nach acht Jahren unter der homophoben PiS-Partei zeitnah jetzt mehr Rechte für Homosexuelle einführen, konkret ist die Rede von einem Lebenspartnerschaftsgesetz. „Weniger ermutigend sind jedoch die Entwicklungen in vier anderen UN-Mitgliedsstaaten – Indien, Litauen, Panama und Surinam –, in denen gerichtliche Forderungen nach einer gleichgeschlechtlichen Ehe abgelehnt wurden. Besonders hervorzuheben ist der Fall Namibia, wo ein positives Gerichtsurteil in dieser Angelegenheit eine erhebliche Gegenreaktion auslöste, die schließlich zur Einführung und Verabschiedung von regressiven Gesetzen führte“, so die ILGA weiter. Zumindest in einem Land, den Britischen Jungferninseln (Vereinigtes Königreich), scheint die Initiative zur Durchführung eines Referendums über die gleichgeschlechtliche Ehe voranzukommen.

Die bloße Existenz von
kriminalisierenden Gesetzen
bedeutet, dass unsere
Gemeinschaft unter einer
ständigen Bedrohung lebt.

Adoption und Geschlecht

Mehrere Staaten haben das Menschenrecht gleichgeschlechtlicher Paare auf die Gründung einer Familie anerkannt und haben Gesetze erlassen, die ihnen die Adoption von Kindern ermöglichen, konkret sind das Liechtenstein und Estland sowie das Nicht-UN-Mitglied Taiwan. Allerdings wurden im Gegenzug auch hier in mehreren UN-Mitgliedsstaaten regressive Gesetzesentwürfe und Gesetze im Zusammenhang mit der Adoption festgestellt und überwacht.

Im Jahr 2023 gab es in mehreren UN-Mitgliedsstaaten Fortschritte bei der rechtlichen Anerkennung des Geschlechts (LGR) sowie weitere Schritte in Richtung der vollen Teilhabe von Trans-Menschen und geschlechtsspezifischen Personen an der Gesellschaft, so die ILGA. Spanien, Finnland und Neuseeland haben Gesetze erlassen, die eine Änderung des juristischen Geschlechts auf der Grundlage der Selbstidentifizierung (Self-ID) erlauben. In weiteren sechs UN-Mitgliedsländern sind solche Vorhaben in Planung oder befinden sich in der gesetzlichen Umsetzung, beispielsweise auch in Deutschland. Dem gegenüber steht eine wachsende Anzahl von Ländern, die solche Maßnahmen wieder zurücknehmen oder beschränken – allein im Jahr 2023 waren es laut der ILGA sechs Länder.   

 

Kriminalisierung von schwulem Sex

> Venezuela Im März hob der Oberste Gerichtshof Artikel 565 des Militärjustizgesetzes auf, der „sexuelle Handlungen gegen die Natur“ unter Angehörigen der Streitkräfte verbot. Es wurden auch andere Versuche unternommen, einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen zu entkriminalisieren, konnten jedoch nicht durchgesetzt werden.

> Sri Lanka Ein Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen wurde im April eingebracht. Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, die Abschnitte 365 und 365A des Strafgesetzbuchs zu ändern, um homosexuellen Sex und „grobe Unanständigkeit“ zu entkriminalisieren.

> Libanon Im Juli wurde ein Gesetzentwurf zur Aufhebung von Artikel 534 des Strafgesetzbuchs eingebracht, der „Geschlechtsverkehr gegen die Naturordnung“ unter Strafe stellt. Kurz darauf wurde jedoch ein Gesetzesvorschlag mit dem konträr entgegengesetzten Ziel aufgenommen, der darauf abzielt, die „Förderung von Homosexualität und sexueller Abweichung“ weiter zu kriminalisieren, indem ausdrücklich „unanständige“ oder „unnatürliche“ gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen hervorgehoben werden.

> Namibia Im Oktober wurden bereits die rechtlichen „Argumente“ vor dem Obersten Gerichtshof vorgetragen, um homosexuellen Sex künftig unter Strafe zu stellen. Die endgültige Entscheidung wird im Mai dieses Jahres erwartet.

> Uganda Als eines der schwulenfeindlichen Gesetze weltweit ging im Frühjahr 2023 das neue Anti-Homosexuellen-Gesetz in die Geschichte ein. Es bestraft nicht nur Homosexualität mit hohen Haftstrafen, sondern sieht bei „Wiederholungstätern“ (Stichwort „schwere Homosexualität“) auch die Todesstrafe vor. Ebenso mit Gefängnisstrafen müssen alle Menschen rechnen, die Homosexuellen in irgendeiner Weise helfen und sei es nur, indem sie ihnen eine Wohnung vermieten. Inzwischen überlegen bereits weitere afrikanische Länder, den Gesetzestext als Blaupause für eigene Landesgesetze zu verwenden.

Hass und Hetze, beginnend an den Schulen, ist in vielen Ländern nach wie vor omnipräsent. © iStock / SolStock

> Ghana Im Juli brachte das Parlament einstimmig einen außerordentlich regressiven Gesetzentwurf in seine dritte und letzte Abstimmung. Dieser strenge Gesetzentwurf enthält alarmierende Bestimmungen, wie zum Beispiel verschärfte Strafen für gleichgeschlechtlichen Sex oder auch eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren für alle Homosexuellen, die sich nur offen zur Gay-Community bekennen. Besorgniserregend ist auch, dass der Gesetzentwurf eine „Meldepflicht“ für jede Person vorsieht, die einen vermeintlichen Schwulen kennt.  

> Irak Im Juli und August zielten mehrere Gesetzesinitiativen darauf ab, die sogenannten „sexuell abweichenden Handlungen“ zu kriminalisieren. Zu diesen Handlungen gehören auch „homosexuelle Beziehungen“, die mit dem Tod oder lebenslänglicher Haft bestraft werden. „Verweichlichte Handlungen“ sowie die „Förderung von sexuellen Abweichungen“ sind nach diesem Gesetzentwurf ebenfalls verboten.
 
> Kenia Im Februar wurde ein Gesetzentwurf zur Änderung der Definition des Begriffs „Familie“ in die Verfassung und des Strafgesetzbuchs eingebracht. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, würde es härtere Strafen für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen vorsehen. Diejenigen, die solcher Handlungen für schuldig befunden werden, könnten mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren und bei „schwerer Homosexualität“ ähnlich wie in Uganda sogar mit der Todesstrafe bestraft werden.  

> Bahrein Lokale Medien berichteten über einen Gesetzesvorschlag zur Verschärfung der Strafen für „sexuelle Devianz“, gemeint ist damit im Wesentlichen auch hier homosexueller Sex.  

> Niger Im Januar versprach der nigrische Präsident, gleichgeschlechtliche Handlungen unter Strafe zu stellen, wobei die Strafen von zehn Jahren bis zu lebenslanger Haft oder der Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Ehen reichen sollen. Nach dem Staatsstreich im Juli kündigte die militärische Übergangsregierung sogar verstärkte Maßnahmen gegen die „Förderung der LGBT-Rechte“ im Land an.

Wie sich eine Person kleidet,
verhält oder spricht, gilt
vielerorts bereits als ‚Beweis‘
für ‚Homosexualität‘.

> Tansania Anfang 2023 kam es in Tansania zu einer Zunahme der Diskussionen innerhalb der Regierung, dem Parlament und unter politischen und religiösen Führern, um so die Kriminalisierung von Sex unter erwachsenen Männern voranzutreiben. Im März schlug die Leiterin des Frauenflügels in der Regierung zudem schwere Strafen vor, darunter auch die Kastration von schwulen Männern. Andere Abgeordnete sprachen sich für die Todesstrafe und „Massenuntersuchungen zur Identifizierung von Homosexuellen“ aus. Diese Diskussionen verliefen parallel zu den Maßnahmen der Regierung zur Einschränkung der Meinungsfreiheit in Bezug auf die sexuelle Orientierung.

> Malaysia Im August 2023 begann das Bundesgericht mit der Anhörung einer Klage gegen bestimmte Scharia-Bestimmungen aus dem Bundesstaat Kelantan, darunter zwei Klauseln, die gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen unter Strafe stellen.

> Pakistan Im Mai entschied das Scharia-Bundesgericht, dass homosexuelle Handlungen „Al-Fahishah“ (unmoralisch) sind und dass diese „unmoralischen Aktivitäten die Handlungen von Shaitan (Dämon)“ seien. Im Juli wurde diese Entscheidung vor dem Obersten Gerichtshof angefochten, der Ausgang hier ist noch offen.

> Südkorea Im November bestätigte das Verfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit von Artikel 92(6) des Militärstrafgesetzbuchs, der einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen unter Strafe stellt. Der Grund für diese regressive Entscheidung war die Sorge, dass „unkontrollierte sexuelle Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Soldaten“ die strenge Kommandostruktur und Hierarchie innerhalb des Militärs gefährden könnten.

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