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Bisexuelles Leben und Lieben

Bisexuelles Leben und Lieben Die Innenwahrnehmung von bisexuellen Menschen

ms - 23.09.2025 - 12:00 Uhr
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Heute wird der „Celebrate Bisexuality Day“ gefeiert, vielerorts eingebettet in die „Bisexuality Awareness Week“. Noch immer fühlen sich viele bisexuelle Menschen in Deutschland nicht gleichwertig repräsentiert innerhalb wie außerhalb der Community, noch immer gibt es zahlreiche Klischees rund um die Annahme, Bisexuelle könnten sich eben einfach nicht entscheiden. Bisexuelle bleiben „weitgehend unsichtbar“ innerhalb der Community und werden überdies „in der politischen Lobbyarbeit oft an den Rand gedrängt“, so die ILGA Europe. 

Doch warum? Von rund 10 Millionen LGBTIQ+-Menschen in der Bundesrepublik sind etwa vier Millionen bisexuell (Ipsos Studie 2024). Nebst der Außenwirkung beschäftigen sich viele Bisexuelle viel mit der eigenen Innenwahrnehmung, wie Christian Soest (44) SCHWULISSIMO verraten hat. Der bisexuelle Mann macht gerade seinen Abschluss im Bereich Psychologie in Baden-Württemberg. 

Christian, lass mich mit einer doofen Frage beginnen: Wie merkt man, dass man bisexuell ist? Und denkst Du, das ist anders, als ein schwules Coming-Out?

Ja, ich denke, das ist anders. Ich habe mich sowohl mit einigen Patienten wie aber auch in meinem schwul-lesbischen Freundeskreis darüber unterhalten. Ein guter Freund von mir erzählte, er habe als Jugendlicher zwei Jahre lang gedacht, er müsse bisexuell sein, weil er sich einfach nicht eingestehen wollte, dass er „nur“ auf Männer steht. Diese Zweifel kennen wohl auch die meisten Bisexuellen, mit dem Unterschied, dass hier keine finale Zuwendung zu nur einem Geschlecht erfolgt. 

Macht es die Situation noch einmal schwieriger, weil auch in der Community bisexuelle Menschen hintenan stehen?

Definitiv, ja! Natürlich ist ein Outing als Homosexueller mitunter bereits eine schwere Angelegenheit, je nach kulturellem und sozialem Umfeld, bei Bisexuellen kommt da aber noch on top sozusagen hinzu, dass sehr viele uns einfach für unentschlossen halten – selbst jene, die es gut mit uns meinen: Eltern, Freunde und selbst andere Menschen aus der Community.

Warum ist das so?

Für manche ist es einfach schwer nachvollziehbar, dass ich sexuell sowohl auf männliche wie auf weibliche Körper reagieren kann. Andere empfinden vielleicht ein wenig Neid, weil Bisexuelle scheinbar die größtmögliche Auswahl bei der Partnersuche haben. Ich kann nur aus Erfahrung sagen, das macht es nicht unbedingt einfacher. Und innerhalb der Community gibt es auch bis heute einige, die meine Sexualität als eine Form von Verrat verstehen – für sie sind wir „zur Hälfte“ ja heterosexuell und schleichen uns ohne Rechtfertigung in die gleichgeschlechtliche Szene ein. Auch beim Kampf um Gleichberechtigung wird uns oftmals weniger zugetraut. Schwule und Lesben müssen allein für homosexuelle Akzeptanz eintreten, wir Bisexuellen könnten uns ja dagegen jederzeit in eine heterosexuelle Partnerschaft „retten“, wenn wir das müssen oder wollen. 

Nervt das nicht extrem?

Nein, ich kann den Grundgedanken verstehen – noch dazu bei Schwulen und Lesben in meinem Alter oder älter, die in einer Zeit groß geworden sind, als der Kampf für Gleichberechtigung in Deutschland noch viel existenzieller war, bedenkt man nur den Paragrafen 175. Die Community stand eng zusammen und du warst entweder dafür oder dagegen, so ein „Mittendrin“, wie das gefühlt Bisexuellen anhaftet, gab es nicht. Natürlich ist das in der Realität Blödsinn. Wir  können hier Vorurteile nur abbauen, indem wir ein Miteinander vorleben und immer wieder gemeinsam reden, reden, reden. Vorwürfe, egal von welcher Seite, bringen nichts. 

Du sagst, dass bisexuelle Beziehungen mit heterosexuellen Menschen mitunter schwieriger sind als mit gleichgeschlechtlichen Partnern. Warum? 

In meinem Fall wäre ein gleichgeschlechtlicher Partner schwul. In der schwulen Community wird glücklicherweise viel offener mit dem Thema Sexualität umgegangen, mit sexuellen Wünschen, mit Beziehungsmodellen jenseits der reinen Monogamie. Bei heterosexuellen Partnern, also in meinem Fall einer Frau, ist das zumeist komplexer. Da spielen in vielen Fällen noch verstärkt Eifersucht und Ängste mit hinein, die auch geschichtlich/soziokulturell geprägt und von Generation zu Generation weitervermittelt wurden. Zudem existiert die Angst, dem bisexuellen Partner niemals alles geben zu können, was er sexuell begehrt. 

Lass uns da Klarheit schaffen: Wie funktioniert das, an Männern wie Frauen gleichermaßen sexuell interessiert zu sein?

Ich bin da sehr offen, auch im körperlichen Sinne. Ich finde zum Beispiel sowohl Twinks wie auch ältere Männer mit Behaarung und Bauch sexy, jeder hat auf seine Art etwas, was mich sexuell sehr anspricht. Bei jungen Männern zum Beispiel ihr Hinterteil und ihre freche Art, bei älteren Männern 35+ ihre innere Ruhe und Erfahrung gepaart mit einem Körper, der weiß, was er tut und der sich genau so anfühlt. Sex mit Frauen stellt da nur eine weitere Variante da, in meinem Fall finde ich hier Ausstrahlung und Humor sehr wichtig und kann durchaus viel Freude an schönen Brüsten finden. Generell gilt, dass für mich am Wichtigsten Leidenschaft und Erotik zwischen zwei Menschen ist, dieses Prickeln, dann ist die Frage nach dem Geschlecht zweitrangig. 

Christian, vielen Dank für das Gespräch. 

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