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Hans Mörtter // © vvg

Vorgestellt Hans Mörtter

vvg - 05.09.2015 - 09:00 Uhr

Hans Mörtter, kannst du uns einen kurzen Einblick in deine Vita geben?
Ich bin Pfarrer; geboren im goldenen Jahrgang 55; Metzgersohn und Menschenrechtler. Der rote Faden in meinem Leben war immer: Wo ich das Gefühl hatte, hier geht etwas nicht mir rechten Dingen zu, habe ich einen Aufstand gemacht.

War Pfarrer auch dein Berufswunsch in der Kindheit?
Nie im Leben. Zuerst wollte ich Kriminalbeamter werden, später Flugkapitän. Geworden bin ich dann Pfarrer.

Wolltest du nie Fußballer werden?
Nein, das war nie mein Ding. Ich habe beim Spiel immer gelacht, während die anderen das ernst nahmen. Heute lachen die Leute beim Come Together Cup, wenn ich als Torwart den Ball nicht halte. Das Faszinosum Ball besteht doch eher aus der Zuschauerperspektive.

Wie kamst du von der Kanzel zum CTC?
Über die Aidshilfe, ich bin ja fast von Anfang an unterstützend dabei. War der CTC früher noch ein Kampf um Öffentlichkeit, Wahrnehmung und Akzeptanz, ist er heute ein Super-Volksfest geworden. Mir ist einfach wichtig, dass normal wird, was normal ist.

Hat denn der Gelegenheits-Fußballer Hans als junger Mensch homosexuelle Erfahrungen am eigenen Körper gemacht?
Nein, komischerweise nicht. Onaniert habe ich wie alle anderen Jungs, klar. Ich war sexuell ein Spätzünder, habe erst so mit 18 angefangen, aber dann volle Kanne und ausschließlich nur mit Frauen.

Du hast im Juli 1994 – also vor mehr als 20 Jahren – in der evangelischen Lutherkirche die erste homosexuelle Trauung durchgeführt.
Und zwar die erste offizielle und öffentliche weltweit. Ich hatte am Anfang meines Studiums ein Plakat der HuK aufgehängt und wurde deswegen angemotzt. So wurde ich darauf aufmerksam, ab da war ich auf der Spur und habe mich mit dem Thema beschäftigt. Ich hatte dann guten Kontakt zur AHK sowie zum ersten schwulen Männerchor Kölns, den Triviatas, die bei mir geprobt haben. Da war es Anfang der 1990er noch ein absolutes Sakrileg, in einer Kirche zu singen. Ich habe viel Vorarbeit leisten und Gespräche führen müssen, um Vorurteile abzubauen, aber nur durch Begegnung ändert sich etwas.

Du trittst im rheinischer Karneval in der Südstadt als Nubbelredner mit einer 3-K-Philosophie auf: „kultisch-kritisch-kabarettistisch“.
Natürlich liebe ich als Rheinländer den Karneval; allerdings nur, wenn man abtanzen kann und nicht sturzbesoffen dabei sein muss. Karneval hat mit Freude, Spaß und Achtung zu tun und das lebe ich kräftig aus. Kultisch: Ich bin auf der Suche nach neuen Formen der Spiritualität und damit relativ erfolgreich. Kritisch und kabarettistisch: Ich brauche den Mund nicht zu halten, weil ich vor nichts Angst habe.

Du hast abtanzen gesagt; du lädst deine Gemeinde ja auch zu „Let’s Dance“ ein.
Na klar. Wir haben früh angefangen, Partys in der Kirche zu feiern. Zu Karneval, zu Silvester. Daraus sind Riesenpartys geworden, die jetzt professionell gemanagt werden. Es ist einfach toll, wenn 800 Leute in der Kirche abtanzen. Und selbstverständlich rocke ich mit. Tanzen ist ein Lebenselixier und gehört deswegen auch in die Kirche. Ich glaube, Jesus hätte auch seinen Spaß daran gehabt.

Er hätte ja auch seine zwölf Freunde mitgebracht.
Das mit den Freunden ist sehr interessant. Johannes, sein Lieblings- und Schmusejünger! Welche Beziehung hatten die da eigentlich? Was ist denn da abgegangen? Aber es waren immer auch sehr starke Frauen in seiner Nähe, die in den Berichterstattungen allerdings fast alle wegretuschiert wurden.

Apropos Freunde: Hast du mit Riko Mielke alias Ha-Pe Kerkeling mittlerweile Freundschaft geschlossen?
Da lache ich heute noch, wenn das wiederholt wird oder mich Leute darauf ansprechen. Ich kannte Riko Mielke nicht und dachte noch, an was für einen komischen Typen bin ich denn da geraten? Irgendwann war mir klar, das ist Kabarett, was der hier macht und konnte nur noch darüber lachen. Ich habe Kontakt zum Management aufgenommen und gesagt, dass ich noch etwas gut bei ihm habe. Ich fand den Umgang nämlich ziemlich Schade. Er hat mich benutzt und missbraucht, um mit mir Geld zu verdienen. Ich habe einen anderen Anspruch an Umgang miteinander; als Star ist er für mich durchgefallen. Ich habe ihn im Kopf und möchte das irgendwann mit ihm klären. Da macht er den Jacobs-Wanderweg, den Pilgerweg und verhält sich total anders. Das widerspricht sich doch.

Luther nagelte vor fast 500 Jahren 99 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg. Als Pfarrer der Lutherkirche: Welche Thesen würdest du auflisten?
Gute Frage, ich arbeite mit einem Künstler daran, um 2017 daraus eine große Aktion zu machen. Die Frage ist, welche Türen wir uns heute aussuchen würden? Das ist nicht einfach. Es ist auf jeden Fall der Missbrauch, den Menschen klein zu machen. Den Hartz-IV-Empfänger, den Aids-Kranken und Leute, die einfach in die Scheiße gerutscht sind, Flüchtlinge. Und wie das Kapital überall siegt und wir davon vereinnahmt werden. Wo wird die Würde des Menschen in diesem Land mit Füßen getreten? Und wo sind diejenigen, die damit ursächlich zusammenhängen? Die wollen wir benennen und dann klopfen wir bei denen an die Tür.

Was sagst du zur Flüchtlingspolitik?
Was ich dazu zu sagen habe, habe ich am 28. Juni bei der Aktion „Tür auf“ mitgeteilt und das ist auf unserer Webseite dokumentiert. Ich moderierte zusammen mit Bettina Böttinger und habe dem Bundesinnenminister gehörig die Meinung gesagt. Die Politiker haben ja Angst davor, dass wir Bürger selbständig werden, und sie versuchen, das unter Kontrolle zu halten. Wenn wir uns nicht in Begegnung setzen, ändern wir nichts. Nur daraus entstehen neue Freundschaften, Partnerschaften und wir erweitern unseren Horizont. Schließlich sind wir Menschen alle gleich!

Kannst du uns zum Schluss dein Lieblingszitat aus der Bibel nennen?
Psalm 18, Vers 30: „Mit meinem Gott springe ich über Mauern!“

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Hans Mörtter im August 2015 geführt.

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