Ausgequetscht Tony Bauer
Tony Bauer ist ein Fabelwesen auf dem Weg zum Comedy-Olymp. Der Halbbrasilianer verkauft sich als dunkelhäutiger Asiate und überrascht mit seinem witzigen Ruhrpott Dialekt ohne grammatikalische Artikel zu benutzen. Seit Oktober ist er mit seinem Programm „Fallschirmspringer“ für zwei Jahre im deutschsprachigem Raum auf Tour.
Wenn wir an Let's Dance zurückdenken: Hast du noch Kontakt zu deinem „Adoptiv-Vater“?
Zu Llambi? Ja, wir schreiben uns zwischendurch mal, aber ich bin wirklich mit allen in Kontakt. Diese Let’s Dance-Familie von denen alle sprechen, die gibt es wirklich. Und Anastasia Stan, die meine Tanzpartnerin war, ist so etwas wie meine kleine Schwester geworden. Und ihr Mann zu meinem Schwager. Wir schreiben und telefonieren sehr häufig miteinander.
Du hast zwar nicht den Dance-Pokal gewonnen, dafür aber Millionen Herzen, wie erklärst du dir deinen Erfolg?
Schwierige Frage. Ich glaube, ich war einfach ich selbst. Irgendwie haben wohl einige gedacht, ich sei ein kleines Licht am Ende eines dunklen Tunnels. Ich habe versucht, Spaß zu haben, so wie ich das schon mein ganzes Leben mache. Und ich habe ganz viel Glück gehabt, dass sie mir von der Produktion so ein „Honigkuchenpferd“ an die Seite gestellt haben; wir waren einfach ein gutes Match. Und irgendwie konnte ich auch meine Knochen ganz gut schwingen. Ich sehe mich aber selbst nicht als etwas Besonderes.
Hast du Angst, das Blatt könnte sich wieder wenden?
Das glaube ich nicht. Ich komme ja aus dem Krankenhaus. Also nicht Duisburg-Marxloh ist der Modus operandi, sondern das Krankenhaus, dass sich in meinem Leben so durchgezogen hat. Und da sterben Menschen. Das, was jetzt alles passiert, ist alles Bonus für mich. Ich kann gar nicht versagen, denn mit dem, was ich jetzt habe, habe ich ja niemals gerechnet. Also Angst, dass das wieder vergeht, habe ich nicht.
Du hast gesagt: „Ich habe den lieben Gott gebeten, gar nicht mehr Glück zu bekommen, sondern nur weniger Pech". Da hat dir der liebe Gott nicht ganz zugehört, oder?
Ich weiß nicht, ob es Glück ist, denn es gibt auch dunkle Tage. Es ist nicht so, dass es jeden Tag Sonnenschein und einen Regenbogen gibt. Ich glaube, der liebe Gott hat mir eine Chance geschenkt. Ich habe jetzt ein Seil in der Hand und man müsste mich totschlagen, wenn ich dieses Seil wieder loslasse. Weil ich immer um eine Chance gebeten habe und sie jetzt bekommen habe; die muss ich nutzen.
Ein weiteres Zitat von dir: „Ich bringe gerne Leute zum Lachen, weil ich selber in meinem Leben zu viel geweint habe“. Warum flossen all die Tränen?
Ich habe mit 8 Jahren meinen Dünndarm verloren, der ja die Nährstoffe aus dem Essen aufnimmt. Das heißt: Ich werde seit zwanzig Jahren über eine Infusion ernährt. Aus dieser Krankheit - die sich Kurzdarmsyndrom nennt - sind immer wieder Mangelerscheinungen entstanden: Ich war blind, war gelähmt, war drei Mal im Koma, ich hatte TBC in Gehirn und Wirbelsäule und Vitaminmangel. Es sah lange so aus, dass ich früh sterben würde. Ein Arzt sagte mir einmal, ich würde nicht älter als 14 Jahre werden. jetzt bin ich 29 Jahre. Immer, wenn mich meine Familie besuchte und traurig war, habe ich versucht, sie zum Lachen zu bringen. Dann ging es auch mir besser, weil Lachtränen besser als Weintränen sind. Ich bin immer wieder aufgestanden und irgendwann hatte ich ein bisschen Rückenwind, der mich stärkte, denn: Alleine ist man auf der Welt ein Niemand.
Was hattest du als Kind für Träume und bist du in der Schule gemobbt worden?
Ich wollte Fußballer werden, wollte immer zeigen, dass ich das trotz meiner Krankheit wie alle anderen sein kann. Ich war irre sport-afin und sehr ehrgeizig und das hat sich bis heute durchgetragen. Wenn man gut Fußball spielt, fällt eine Krankheit nicht so auf. Die Leistung zählt und das wollte ich zeigen.
Mobbing habe ich nicht nur wegen meiner Krankheit erlebt. Ich war klein, dunkelhäutig, hatte eine riesengroße Zahnlücke und durch Kortison war ich auch etwas dick. Da war ich leichtes Ziel. Aber jeder Spruch von denen, hatte ich schon drei Mal selber über mich gemacht. Dadurch konnte ich die Kugeln aus den Waffen nehmen. So habe ich mir als der kleine Witzige meinen Weg erkämpft.
Deine Solo-Tour heißt „Fallschirmspringer“ – was ja nicht bedeutet, dass sich in deinem Rucksack ein Fallschirm befindet.
In meinem Rucksack befindet sich meine Nahrung, die mittels eines Schlauches direkt in meinen Magen gelangt. Den Rucksack trage ich über Nacht, abends, wenn praktisch meine Shows beginnen kommt er für siebzehn Stunden zum Einsatz.
Apropos Fallschirm: Ich habe schon Paragliding gemacht und diesen Sommer plane ich einen Fallschirmsprung. Ich bin ein großer Adrenalin-Fan. Und weil das zu meinem Solo passt, kann ich den Sprung von der Steuer absetzen. (lacht)
Der Name entstand, als ein Arzt mir den Schlauch in die Brust einsetzte. Er sagte, ich sei jetzt ein Fallschirmspringer und müsste immer gut auf den Rucksack aufpassen. Der Titel ist also eine Hommage an meinen Doc aus dem Mannheimer Krankenhaus. Er hat mein Leben verändert und in die richtige Bahn gelenkt. Danke.
Du bist „Everybody‘s Darling“, jeder will dein Freund sein. Kannst du noch echte Freunde von falschen unterscheiden?
Ich habe sechs beste Freunde seit ich 14 bin. Einer davon ist Hasan, von dem ich oft in meinem Programm erzähle. Aber auch meine Comedy Kollegen Hannes Höfer und Fabian Lampert sind gute Freunde geworden. Ich spüre schnell, wem ich vertrauen kann und wem nicht. Und ja es stimmt, man trifft oft Trittbrettfahrer.
Wir behaupten mal: Wenn alle so wären wie DU, wäre die Menschen viel entspannter und friedlicher?
Ich war noch nie im Leben auf irgendjemand anderen neidisch. Mein Opa hat immer gesagt: „Man klatscht so lange für Andere Applaus, bis man selber dran ist." Ich bin zufrieden, mit dem, was ich habe.
Du engagierst dich für Minderheiten, indem du dir die Bühne mit den „Spaß-Ävengern" teilst, ihr seid alle Comedians mit Handicap. Was bedeutet dir dieses Projekt?
Stell dir vor, alle Menschen packen ihre Probleme in eine Tasche und werfen sie gemeinsam in die Luft; wenn du dann die Probleme der anderen in den Taschen siehst - hoffst du nur, dass du deine eigene Tasche wieder auffängst. So ist es auch bei den Spaß-Ävengern. Ja wir haben unsere Probleme und Handicaps, aber wir haben gelernt, so damit umzugehen, dass sie uns nicht „behindern“. Es gibt Menschen, für die ist das Glas halbvoll, für andere ist es halb leer. Ich bin froh, dass ich überhaupt ein Glas habe! Das wollen wir mit diesem Programm klarstellen und Menschen zum Lachen bringen.
Du hast den Deutschen Comedy Preis als bester Newcomer verdient erhalten. Hast du das erwartet?
Nein, aber ich freue mich sehr darüber. Die Leute sehen wohl so ein Fabelwesen in mir, so ein Einhorn.
Wie hast du reagiert, als das Angebot zum „Jurymitglied beim Supertalent" kam?
Zuerst habe ich gedacht, dass die mich verarschen wollten. Ich kann ja nichts Außergewöhnliches. Wäre ich auf der anderen Seite und müsste etwas vorführen, würde ich mir die Schnürsenkel zubinden. Dass viele Menschen so viel in mir sehen, ist schon unglaublich. Hoffentlich entwickelt sich das auch wieder positiv. Ich werde auf jeden Fall jedem einzelnen meine ehrliche Meinung sagen. Ich bewerte das, was ich sehe, ehrlich. Das Einzige was ich gut kann, ist mir Freunde machen. Das ist mein Talent. Meine Mama und meine Oma haben in meiner Erziehung gute Arbeit geleistet; dass ich einfach in jeder Situation ich selber sein darf. Ich gehe aber gutgelaunt in das neue Format.
Wäre Dieter Bohlen ein weiterer Anwärter als neuer Adoptiv-Vater?
Das muss er gar nicht. Hauptsache er ist gut auf mich zu sprechen. Er ist halt der Macher, der aus seinen Talenten immer das Beste gemacht hat. Und ich glaube, er ist ein begnadeter Produzent und erkennt verdammt gut die Talente.
Wer ist denn für dich ein Supertalent?
In erster Linie mein Kumpel Hasan und auf jeden Fall meine Mama. Von den Promis ist meine Tanzpartnerin Anastasia ein echtes Supertalent. Sie hat ein Superherz, kann irre schnell Dinge umsetzen, und ist eine brutal-gute Tänzerin. Die würde sofort meinen Goldbasser bekommen.
SCHWULISSIMO ist - wie der Name schon sagt - ein Magazin für schwule Männer. Ist Homosexualität ein Problem für dich?
Nein, Mann. Überhaupt nicht. Mir ist doch egal, wer wen liebt, Hauptsache ist doch der Mensch ist nett und ehrlich. Und Liebe ist doch etwas Wunderschönes.
Deine Ma stammt aus Brasilien, deine Großeltern stammen aus dem Duisburger Ortsteil Marxloh - beides Orte, die eher homophob sind - hast du Berührungspunkte mit der queeren Szene?
Meine Mama - sie ist der schönste Mensch auf der Welt - lebt in Mülheim a. d. Ruhr. Mein Opa ist supermodern und sehr cool und meine Oma ist der Hammer. In unserer Familie wird jeder akzeptiert, da gibt es keine Homophobie. Leider kenne ich bewusst nicht viele schwule Männer. Doch halt: Jetzt kenn ich euch ja. Und mir hat das Interview großen Spaß gemacht.
Uns auch. Aber bevor wir dir für deine Zeit und Worte danken, noch die Frage was du dir für die Zukunft wünschst.
Das Allerwichtigste: Gesund bleiben, Spaß haben, mit tollen Menschen zusammenarbeiten und besser werden, mit dem, was ich mache.