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Christian Mroß // © Archiv
Regional

Pflegedienstleiter erzählt Ich hatte Corona

vvg - 10.06.2020 - 09:00 Uhr

„Die ersten Tage gab es bei mir kaum einen Unterschied zur Grippe, die ich vor ein paar Jahren mal hatte.“

 

Christian, du bist Pflegedienstleiter in einer Reha-Einrichtung und warst selbst mit dem Corona Virus infiziert.

Ich leite eine Abteilung für neurologische Frühreha in einem Krankenhaus für schwerst betroffene Patienten, meist relativ frisch nach einem Schlaganfall und/oder einer Hirnblutung.

Weißt du, wo oder wie du dich angesteckt hast?

Es gibt Spekulationen, sehr wahrscheinlich über einen Patienten, der wohl mit dem Virus zu uns verlegt wurde, ohne dass es jemand wusste.

Sollten eigentlich Mitarbeiter im medizinischen Sektor Gefahrenzulage erhalten?

Ich glaube, es sollte grundsätzlich über eine bessere Bezahlung nachgedacht werden, denn wir alle, nicht nur Pflegepersonal, kommen den Patienten sehr nahe und es gibt ständig die Gefahr, sich mit Keimen zu infizieren

Wußtest du sofort, dass es Corona und nicht eine Grippe war?

Nein, zu dem Zeitpunkt Anfang März gab es um die 1.000 registrierte Fälle in Deutschland, da habe ich definitiv mit einer Grippeinfektion gerechnet. Es gab auch noch keine Möglichkeit zu testen, denn das wäre nur mit Überweisung meines Hausarztes beim Gesundheitsamt möglich gewesen. Ich rief bei meinem Hausarzt an und man fragte mich, ob ich Kontakt zu Corona-Patienten gehabt hätte oder ich aus einem Risikogebiet kam, was ich beides verneinte. Deswegen gab es auch keinen Test

Worin unterscheiden sich die Symptome, welche hattest du?

Die ersten Tage gab es bei mir kaum einen Unterschied zur Grippe, die ich vor ein paar Jahren mal hatte. Der größte war, dass ich nicht ganz so müde war, ich habe eher wenig und schlecht geschlafen, fühlte ich mich total abgeschlagen und nicht belastbar. Und dass ich mich morgens meist gut fühlte und nachmittags wieder elendig, das kannte ich auch nicht. Der Husten war deutlich „bellender“, als ich es bisher kannte. Ab dem vierten Tag war meine Nase blockiert, so sehr, dass ich dachte, sie explodiert, aber ganz ohne Schnupfen, und ich hatte Geschmacksbeeinträchtigungen, mehr als man normal bei einer verstopften Nase hat.

Wie schwer war deine Erkrankung?

Zum Glück „nur“ Fieber, Husten und die schon beschriebenen Symptome, keine Atemnot, keine Lungenentzündung.

Wann hast du genau erfahren, dass du Corona hattest?

Erst nach meiner Erkrankung. Ich bin nach meiner Genesung wieder arbeiten gegangen und in der Zwischenzeit hatten wir eine Patientin, der es immer schlechter ging, die daraufhin positiv getestet wurde, auch der schon genannte Patient wurde getestet und war auch positiv, ebenso das Personal und ich war eben auch positiv.

Wie haben deine Freunde reagiert?

Die haben sich Sorgen gemacht, und ihre Hilfe angeboten

Wie hast du die Quarantänezeit verbracht? Hattest du Hilfe?

Ich wurde nach dem Test nochmal für zwei Wochen in Quarantäne gesteckt, weil ja nicht ausgeschlossen werden konnte, dass ich mich neu infiziert haben könnte. Die Zeit war schon sehr langweilig und gleichzeitig eine psychische Belastung, denn ich dachte immer, was wenn ich mich doch erst neu angesteckt habe, dann hätte ich nach einer Influenza auch noch Corona. Hilfe bekam ich viel von meiner Familie, die waren toll.

Konntest du Vorsorge treffen, keine weiteren Menschen zu infizieren?

Zum Glück gab es damals schon Verhaltensempfehlungen, und ich hatte instinktiv gedacht, halte dich einfach daran, denn eine Influenza will man ja auch nicht weitergeben und die Empfehlungen gelten bestimmt auch dafür. Wie gesagt, ich wusste ja nicht, dass es Covid19 war.

Dein Fall zeigt, dass es wahrscheinlich eine große Zahl an stillen Infektionen geben könnte. Wie ist deine Meinung dazu?

Ja, das halte ich für möglich, aber das kann man nur mutmaßen, dafür muss es verlässliche Antikörper-Tests geben. 

Bist du jetzt immun gegen das Virus?

Das weiß man leider nicht genau, aber man geht davon aus. 

Wenn ja, erweitert das gegenwärtig deine Einsatzmöglichkeiten im Beruf?

Wenn es so wäre, könnte ich bestimmt auf unserer Covid-Station entspannt arbeiten, aber meine eigene Station muss ja auch weiterlaufen.

Wirst du gesundheitlich betreut und bist du bereit z.B. Antikörper „zu spenden“?

Absolut bin ich bereit dazu, hatte mich auch beim Uniklinikum Münster gemeldet, aber die habe erfreulicher Weise sehr viele Angebote, und deswegen kam es noch nicht dazu.

Lebst du heute mit weniger Angst vor Corona, da du es wahrscheinlich schon überstanden hast?

Ja und nein. Ich selbst habe zwar etwas weniger Angst mich anzustecken, aber es weiß ja niemand, ob und wie lange eine Immunität hält. Und ich will es ja auch nicht über Umwege an meine Liebsten oder Patienten weitergeben, deswegen bin ich noch genauso vorsichtig.

Was hältst du von Ausweisen für von Corona-Genesene, damit sie mehr Freiheiten haben dürften?

Halte ich derzeit für weniger sinnvoll, denn wenn man mich sieht, während ich mich anders verhalte, als geboten, weiß ja niemand, dass ich so einen Ausweis habe, deswegen finde ich, sollten sich alle an die Regeln halten, auch nach einer Infektion. Und wie lange sollte er auch gültig sein, wenn niemand genau weiß, wie lang man überhaupt immun ist. 

Lieber Christian, vielen Dank für deine Antworten.

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