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Leserumfrage // © vgajic

Leserumfrage Schwule Väter

vvg - 10.02.2015 - 11:00 Uhr

Ich bin seit 37 Jahren verheiratet. Damals war mir nicht klar, dass ich schwul bin. Wenn ich heute reflektiere, sehe ich schon Indizien: In der Schule hätte ich lieber mit den Mädchen Volleyball, als mit den Jungen Fußball gespielt. Ich habe jeglichen Gedanken in dieser Richtung verdrängt, weil Homosexualität je etwas Abartiges und nicht gottgewollt war. Ich fühlte mich aber in den Ehejahren immer unglücklich, ohne den wahren Grund zu kennen.

Mit 53 ist mir dann ein 15 Jahre jüngerer Mann begegnet, mit dem es zum ersten Mal passierte. Meine Gefühlswelt stand Kopf, aber ich war glücklich. Ich hatte mich verliebt, er leider nicht! Als ich eine Kur antrat, sagte mir die Ärztin, dass mich nicht nur die Rückenschmerzen quälen würden, ich solle mal offen mit ihr reden. Sie hatte mich direkt als schwulen Mann gesehen. Ich lernte einen Mann am Strand kennen, der mir sagte, dass meine Frau und meine Töchter das Recht hätten, zu wissen, was mit mir los sei. Auf seinen Rat habe ich all meinen Mut zusammengenommen und mich bei meiner Familie geoutet. Für meine Frau brach eine Welt zusammen. Meine Töchter meinten nur, dass ich ihr Vater sei und dass sie mich so liebten, wie ich bin. Das Verhältnis zu meinen Töchtern ist heute toll, zu meiner Frau sehr distanziert. Ich habe dann Kontakt zu den „Schwulen Vätern“ aufgenommen, bei denen ich mich inzwischen engagiere. Als ich vor zwei Jahren beim CSD mitgehen wollte, hatte ich das Bedürfnis, auch meine 84-jährigen Eltern aufzuklären. Erstaunlicherweise sagte meine Mutter „Da muss schon Schlimmeres kommen“. Mein Vater kann gar nicht damit umgehen, aber meine Mutter lässt sich von ihm den Kontakt zu mir nicht verbieten. Und selbst meine Enkel freuen sich total, wenn sie ihren Opa besuchen dürfen. Ich hatte die größten Kämpfe nur mit mir alleine.
Bernd, Bergisches Land
 

Bernd // © vvg

Ich habe mit 24 Jahren geheiratet, weil ich da noch nicht wusste, dass ich schwul bin. Ich habe zwei Söhne (20 und 17 Jahre) und eine 16-jährige Tochter. Mein Job ist Koch und eines Tages kam ein Mann ins Restaurant, der mich nicht nur neugierig machte, sondern mir auch sexuelle Befriedigung verschaffte; so entdeckte ich, dass mich Männer anmachen. Für mich war das eine Revolution, denn ich kam von der aktiven Seite auf die passive. Ich fiel in eine Depression und erst als ich nach dem Ratschlag meines damaligen Freundes den Mut zusammennahm, meiner Frau zu sagen, dass ich auf Männer stehe, ging es mir besser. Sie hat mir das erst nicht abgenommen und gesagt, ich solle ihr den wahren Grund sagen; danach war sie verzweifelt und sehr traurig. Für meine Mutter war es ebenfalls schwierig, mehr aber weniger liegt das an der Gesellschaft; wir sind ja Sizilianer. Für meinen Vater war nur wichtig, ob ich aktiv oder passiv bin – ein aktiver Mann gilt ja in der Gesellschaft nicht unbedingt als schwul. Ich habe dann eine Therapie gemacht und obwohl ich einen Freund hatte, trotzdem noch zwei Jahre meine eheliche Pflichten erfüllt. Ich war lange mit einem Spanier liiert und wir haben sogar 2009 in Spanien geheiratet. Als der neue Mann meiner Frau mit meinen Söhnen schlecht über mich sprach, haben sie sich entschieden, bei mir zu wohnen. Das war ein Grund, nach Deutschland zurückzukehren. Sie wissen über mich Bescheid und haben damit keine Probleme. Ich hatte in Alicante eine Fetisch-Bar, daher war ihnen das Thema nicht fremd. Leider ist das Verhältnis zu meinem spanischem Mann abgekühlt, so kam die räumliche Trennung gerade recht. Ich rate jedem, der in zunehmendem Alter merkt, dass er schwul ist, für die eigene Psyche, unbedingt ehrlich zu sein. Ein Doppelleben zu führen ist wahnsinnig schwer und macht nur krank.
Giuseppe Malannata
 

Giuseppe // © vvg

Ich habe meine Ex-Frau 1990 geheiratet, weil wir uns schon sieben Jahre kannten und weil man ja aus Liebe heiratet. Wir führten eine sehr enge Beziehung, die auch ganz gut funktionierte. Dass mir irgendetwas fehlte, hatte ich schon vor der Heirat gemerkt. So richtig bewusst geworden ist mir das erst, als das zweite Kind zur Welt kam. Ich hatte schon während meines Studiums versucht, schwule Kontakte aufzubauen; da kam es aber nie zu etwas Nachhaltigem. Es hatte nie richtig „klick“ gemacht. Das kam erst bei einer Begegnung mit einem Mann, mit dem ich zwei Wochenenden verbrachte. Nach sechs Wochen gab es den Mann in meinem Leben und das musste irgendwie geklärt werden. Gleichwohl war die Beziehung zu meiner Ex-Frau auch durch andere Dinge belastet, sodass Gesprächsbedarf bestand. Letztendlich haben wir uns im Guten getrennt; wir sind durch Ehrlichkeit und Offenheit im Reinen. Sie war sogar Gast bei meiner Verpartnerung mit meinem Mann Georg. Wir haben auch die Kinder – trotz getrennter Wohnsitze – gemeinsamgroß gezogen.

Das Umfeld in der Eifel reagierte auf meine Situation mit Schweigen; so nach dem Motto „Don’t ask, don’t tell!“ Ich habe mir anfangs Hilfe in einer Beratungsstelle gesucht, denn ich erlebte ja einen meiner massivsten Brüche in meinem Leben und da ändert sich auf einen Schlag fast alles. Außerdem halte ich in so einem Fall psychologische Hilfe für alle Beteiligten für sehr sinnvoll. Danach bin ich sowohl zu den „Schwulen Vätern“ als auch in einen schwulen Sportverein gegangen, so war ich nicht auf Kneipen-Bekanntschaften angewiesen und konnte Leute kennenlernen, um schnell wieder Fuß zu fassen. Positiv an meiner „heterosexuelle Zeit“ sind meine beiden Kinder, die ich einfach als ein Geschenk betrachte. Ich bin unheimlich froh, den Kontakt mit ihnen genießen zu können. Und die wiederum finden es toll, „einfach zwei Väter zu haben.“
Andreas Wolter, Bürgermeister der Stadt Köln
 

Andreas // © vvg

Ich habe meine Frau gerade erst geheiratet, obwohl wir uns schon seit Mai 2000 kennen. 2001 wurde unser Sohn geboren. Ich würde mich eher als bisexuell bezeichnen, weil es mir mit meiner Frau auch Spaß macht; es ist nur anders. Sie weiß, dass ich bisexuell bin. Wie weit ich das allerdings auslebe, will sie nicht wissen. Sie akzeptiert mich, wie ich bin; ich scheine meine Qualitäten als Ehemann und Familienvater zu haben. In der Regel schlafe ich vier Mal im Monat mit meiner Frau, früher war das natürlich öfters. Sexuellen Kontakt zu Männern habe ich etwa einmal im Monat. Ich fahre dann in die Mannheimer Sauna, oder treffe mich dort mit Bekannten aus dem Internet. Allerdings muss ich die Leute vorher gut kennen, ich gehe nicht mit zu denen nach Hause. Das wäre mir zu gefährlich, weil man nie weiß, was einen da erwartet. Bei meiner Frau habe ich die aktive Rolle, beim Mann den passiven Teil. Wichtig ist für mich, dass ich mich schütze, da ich eine hohe Verantwortung gegenüber meiner Frau und meinem Sohn habe. Ich will auch unbedingt mit meiner Frau zusammenbleiben, eine bessere werde ich nicht finden. Wir führen eine harmonische und ehrliche Ehe. Ich kann mir auch nicht vorstellen, mich in einen Mann zu verlieben. Ich sehe, dass ich ein Doppelleben führe. Es gibt zwar Freunde, die eingeweiht sind, aber mir ist bewusst, dass ich mich auf einem schmalen Grat befinde; aber ich bereue nichts. Und ich kenne sehr viele andere Männer, denen es genauso geht.

Mein Sohn kennt natürlich das Wort schwul und ich habe ihm erklärt, dass es Männer gibt, die auf Männer stehen. Sollte er mich persönlich darauf mal ansprechen, werde ich ehrlich antworten. So war es auch bei meiner Frau, als sie mich danach fragte. Lügen bringt in so einer Situation nichts.
Dirk, Ludwigshafen
 

Dirk // © vvg

Ich wusste schon als Kind, dass ich schwul bin. Wenn Carsten Flöter in der Lindenstraße zu sehen war, schaltete mein Vater direkt den Fernseher aus und ich hatte als Jugendlicher nie das Selbstbewusstsein, zu mir zu stehen. In der Schule wussten das viele, ich musste oft Hänseleien ertragen. Ich habe dann geheiratet und ein Jahr später kam meine Tochter zur Welt. Meine Träume habe ich verdrängt, selbst dann, wenn ich alle zwei Wochen meine ehelichen Pflichten erfüllen musste. Irgendwann kam es auf der Arbeitsstelle zu zufälligen Berührungen mit einem Kollegen, was zur Folge hatte, dass wir abends zusammen duschen gingen. Vier Stunden lang volles Programm. Ich hatte danach ein schlechtes Gewissen und ich weiß nicht, wie es weiter gegangen wäre, hätte der Körper nicht Zeichen gesetzt. Beim Einkauf mit meiner Frau und meiner Tochter brach ich im Laden zusammen und wachte erst in der Notaufnahme des Krankenhauses wieder auf. Ein Therapeut fragte, ob ich meine Frau betrogen hätte und ich habe ihm die Wahrheit erzählt. Meine Frau war erleichtert, denn für sie war es die Erklärung, warum es zwischen uns nicht funktioniert hatte. Wir hatten dann über Jahre guten Kontakt. Heute will meine Tochter nichts mehr mit mir zu tun haben: Sie möchte nicht, dass andere mitbekommen, dass ihr Vater schwul ist. Keinen Kontakt zu mir zu haben, ist für sie einfacher, als sich ständig rechtfertigen zu müssen. Das kann ich nachvollziehen, aber es tut trotzdem weh. Auch meine Frau kennt mich nicht mehr; das wird sie erst wieder, wenn meine Tochter 18 wird und sich die Unterhaltsberechnungen ändern. Dann werden beide kommen und Geld wollen. Für meinen Vater ist ein schwuler Sohn nur Horror. Meine Mutter fand immer, dass „die besten Männer schwul sind“, aber nur solange es nicht in der eigenen Familie vorkommt. Und leider ist von alten Freunden auch keiner übrig geblieben.
Martin J., Hamburg
 

Martin // © vvg

Ich wusste schon seit meiner Pubertät, dass mich auch Männer interessierten. Ich dachte aber in meiner Naivität, wenn man erst mal verheiratet ist, legt sich das. Als ich mit 27 Jahren meine Frau heiratete, wurde sie schon während unserer Hochzeitsreise trotz Pille mit meinem heute 28jährigem Sohn schwanger. Fünf Jahre später kam unsere Tochter, ebenfalls trotz Pille.

Wir wollten mit den Schwiegereltern zum Urlaub an den Gardasee fahren und ich sollte nach einer Woche nachkommen, weil meine Oma noch ihren 75. Geburtstag feierte. Genau in dieser Zeit habe ich meine erste große Liebe kennengelernt, mit dem ich elfeinhalb Jahre zusammen war. Ich bin innerhalb von zwei Tagen nonstop 2.000 km zum Gardasee gefahren, um mich bei meiner Familie zu outen. Das war ziemlich heftig; meine Frau hatte vermutet, ich hätte eine Freundin. Was nicht stimmte; aber ich hatte auch keinen Freund nebenbei. Sie hat sich wenig später die Kinder geschnappt, um beim Arzt einen Aids-Test machen zu lassen. Wir reichten die Scheidung ein, was zwei Jahre dauerte und ich bin unmittelbar ausgezogen. Als ich mich bei meinen Eltern outete, kam die Reaktion, die ich mir eigentlich gewünscht hatte: „Das haben wir irgendwie geahnt; du bleibst trotzdem unser Sohn.“ Mein Sohn fragte mich mit zehn Jahren, ob mein Freund schwul sei. Er hatte damals keine Probleme damit, auch nicht damit, dass sein Papa schwul ist. Das kippte acht Jahre später ins Gegenteil. Jetzt habe ich seit Jahren keinen Kontakt mehr zu beiden Kindern. Es ist ihre freie Entscheidung, sie sind ja mittlerweile erwachsen. Wenn sie mich sehen wollen, können sie sich jederzeit melden. Natürlich hat sich auch meine Ex-Frau aus meinem Funkkreis verabschiedet. Lediglich ein Schreiben zum Ausfüllen vom Amt kam, damit sie ihr Geld bekommt; dafür ist „Mann“ dann doch gut genug.
Jörg Ziolkowski, Köln
 

Jörg // © vvg

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