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Leserumfrage // © nito100

Leserumfrage Im falschen Körper geboren ...

vvg - 10.09.2017 - 10:00 Uhr

Ich habe mich seit meiner Kindheit als Junge gefühlt und außer bei der Kommunion nie ein Kleid getragen. Als „Abenteuerkind mit vielen kreativen Ideen“ habe ich häufig bestimmt, was wir spielen - hatte dabei selbst immer eine männliche Rolle. Mit 15 habe ich mit meiner Mutter ernsthaft darüber geredet, danach haben wir beide geweint, anschließend befreiend gelacht. Sie half mir sehr auf meinem Weg, hat Kontakte zu Selbsthilfegruppen und Psychologen ausgemacht. Meine Mutter ist ein spirituell/philosophischer Mensch, die inzwischen mit einer Frau verheiratet ist. Mein 10 Jahre jüngerer Bruder reagierte übrigens mit „Das passt ja. Jetzt verstehe ich das!“ Nach dem Abi habe ich Hormone bekommen, danach folgten Mastektomie und Hysterektomie, die auch wegen des erhöhten Krebs-Risikos für Brust und Gebärmutter durch das Testostoron wichtig sind. Da ich körperlich vollständig Mann sein wollte, habe ich vor zehn Jahren den kompletten Penisaufbau machen lassen. Dieser bestand aus vier OPs. Mir wurde aus dem Unterarm Haut und Gewebe entnommen und zu einem Penis geformt. Bei der 3. OP wurde der Hoden aufgebaut, bei der 4. OP wurde im linken Hoden der Platzhalter durch eine Pumpe ersetzt. Die Größe des Penis’ kann man sich nicht wünschen, sie ist durch Schwellkörpergröße technisch beschränkt. Auch der Harnleiter lässt sich nicht beliebig verlängern. Ich bin mit meinem Penis ganz zufrieden: er wird gut fest und ich kann damit „arbeiten“ - und das Beste: Ich kann jetzt immer auf Knopfdruck. J Bei meiner „Transformation“ hat mich am meisten überrascht, wie deutlich sich meine Libido und meine Körperkraft durch das Testosteron verstärkt haben.

Ich bin definitiv bi. Verliebt habe ich mich bisher in Frauen; sexuell ist mit Männern mehr passiert. Ich hätte auch nichts gegen eine Beziehung zu einem Transmann. Ich verliebe mich doch in einen Menschen und nicht in sein Geschlecht. Am einfachsten war übrigens bei mir die Namenswahl - aus dem E im Namen wurde einfach ein A.

Allen (40) aus Oberhausen

Allen // © vvg

Meinem Taufnamen Britta habe ich in Bela umgeändert, ich wollte zumindest den Anfangsbuchstaben behalten. Bewusst gemerkt, dass ich anders bin, habe ich erst mit 34 Jahren, also relativ spät. Vorher hatte ich mich mit der Welt und mir arrangiert, bis ich merkte, dass das nicht reicht. In der „Butch & Femme Szene“ habe ich registriert, dass es mir gefiel, dass die Frau an meiner Seite, das Männliche in mir ansprach und förderte. Das war für mich der Denkanstoß: reicht es mir butch zu leben, oder will ich auch von der Gesellschaft als Mann gesehen werden? Im Internet fand ich Infos, landete im Transmann-Portal und las alle Forenbeiträge - fand da aber neben guten Infos auch weniger gute, sodass ich erst mal dazwischen „hing“. Als Britta war ich im Kindergarten und in der Grundschule zwar nicht gegen Mädchen, fühlte mich aber den Jungen zugehörig. Volle Abneigung hatte ich gegen Mädchenkleidung; Gott sei Dank haben das meine Eltern nie forciert. Die Reaktion meiner Eltern auf mein Outing war lediglich: „Hauptsache du bist glücklich, egal welches Geschlecht du hast. Wir lieben dich!“ Zur Zeit befinde ich mich in Therapie und der Ersttermin für den Beginn der Hormonbehandlung beim Endokrinologen ist leider erst Anfang 2018. Nach der Hormontherapie möchte ich die Mastektomie und die Hysterektomie (Brust- und Gebärmutterentfernung) durchführen lassen. Ich bin einfach gespannt, was das Testosteron aus mir macht. Wie ich aussehe und mich anhöre? Ich kann es kaum erwarten, in den Spiegel zu sehen und (m)ein männliches Gesicht zu sehen. Ich habe seit zwei Jahren eine Partnerin (Sandra), die mich mit ihrer Liebe, ihrem Zuspruch und ihrem Respekt unterstützt.

Sandra: „Wir haben uns gesehen und es hat von Anfang an gepasst. Ich brauche nicht unbedingt einen Penis; sexuelle Befriedigung ist doch wesentlich mehr als der Geschlechtsakt. Ich freue mich darauf, wenn Béla glücklich ist. Mit dem Leben, wie er es leben möchte und wie es für ihn richtig ist.“

Béla (37) und Sandra aus Duisburg

Béla // © vvg

Ich habe schon im Kindesalter gemerkt, dass ich anders bin und lieber mit Jungens als mit Mädchen gespielt habe. Ich mochte weder Kleider noch Röcke, die sind ja unpraktisch, wenn man auf Bäumen herumklettert oder Fußball spielt. Meine Eltern haben mich gelassen, wie ich sein wollte und nie versucht mich in die Mädchenschiene zu lancieren. Ich habe als Werkzeugmacher einen typischen Männerberuf und habe immer problemlos mit Männern zusammen gearbeitet. Für mich war irgendwann klar, dass ich auf Frauen stehe und demzufolge wohl lesbisch bin. So habe ich lange Jahre gelebt. Als das Thema „Trans“ irgendwann in der Zeitung stand, habe ich im Internet recherchiert. Dort fand ich eher abschreckendes; damit wollte ich nichts zu tun haben. „OP? Nein Danke!“

Das hat sich mit der Zeit relativiert, aber erst im Frühjahr 2016 bekam ich vernünftige Informationen, so dass ich beim Kölner CSD den Mut fand, an den Info-Stand von „Transfamily“ zu gehen. Mir war zwar klar geworden, das ist mein Weg, aber ich wusste nicht, wie ich ihn gehen sollte. Ich will auf jeden Fall eine Mastektomie machen lassen, die OP ist beantragt. Seit Januar habe ich die Indikation für Testosteron bekommen, und meine Psychotherapie läuft seit einem Jahr. Die finde ich wichtig, weil der Weg nicht einfach ist: Man braucht fachlich ausgebildete Leute, die einem auf diesem Weg begleiten, helfen und unterstützen. Schwule und Lesben haben jahrelang gekämpft und sind heute anerkannt, akzeptiert und toleriert, da hinkt die Trans-Szene noch ein wenig hinterher. Das „Rauskommen“ ist das Schwierigste. Den Weg für sich alleine zu gehen – egal was andere sagen und denken – das ist schon eine Herausforderung. Meine Mutter hat übrigens nach meinem Outing mit den Worten „Na und? Du bist doch mein Kind“ großartig reagiert. Manchmal rutscht ihr zwar noch das Pronomen „sie“ raus, aber sie hatte auch 47 Jahre lang eine Tochter.

Christopher (48) aus Stolberg / Aachen

Christopher // © vvg

Ich war früher ein schwuler Mann mit Glatze und Bart - so ein Bärchen-Typ. Ich war immer wütend auf Leute, die mich attraktiv fanden, weil ich das Gefühl hatte, irgendetwas stimmt nicht. Ich war nie ich selbst. Als ich vor 5 Jahren in Leipzig studierte, hörte ich zum ersten Mal bewusst von “trans*, transgender, transsexuell”. Ich habe eine sehr stereotype trans* Biographie: schon in der Kita wollte ich lieber ein Mädchen sein. Zu Hause habe ich heimlich die Kleider meiner Mutter angezogen. Ärger bekam ich, als mein Vater mich dabei erwischte. Die Beziehung zu meinen Eltern litt lange unter starker Distanziertheit, aber mittlerweile ist das Verhältnis wieder in Ordnung: Wer sein Kind liebt, nimmt es so an, wie es ist.

Ich nehme seit 5 Jahren Hormone, habe Brüste bekommen und die Fettverteilung hat sich verändert. Den Bartwuchs kann ich mit gutem Make-up kaschieren. Meine Personenstands- und Namensänderung stehen noch an. Alles andere bleibt erst einmal, vor allem meine Stimme. Die liebe ich, obwohl sie mich immer outen wird. Ich lebe in einer Beziehung. Mein Partner Till lebt sexuell, ist aber in der Schwulen-Szene sehr verankert. Er arbeitet bei Hein & Fietje, die Präventionsarbeit betreiben.

Was ich mit Erstaunen festgestellt habe:

1.) dass Schwule nicht mehr auf mich stehen, weil ich jetzt aus dem Raster falle. Till und ich führen eine offene Beziehung und wenn ich Sex mit Männern habe, sind das Heteros, die auf trans* Frauen stehen. Den Verlust meines “Schwulseins” musste ich erst einmal verarbeiten.

2.) Früher war ich typisch stockschwul; fand schon die Vorstellung einer Vagina schlimm. Nach der Hormonbehandlung hatte ich als Frau auch eine einjährige Beziehung mit einer Frau. Was ich mir für die Zukunft wünsche: ich möchte eine “Milf” werden, nur ohne die Kinder. Und insgesamt gesellschaftlich wünsche ich mir, dass Menschen keine Angst vor (sexualisierter) Gewalt haben müssen und wir alle gemeinsam verschieden sein können.

Daria aus Hamburg

Daria // © vvg

Ich kam als Leonie zur Welt, wurde aber schon immer Leo genannt; heute steht Leo in meinen Ausweis-Papieren; lediglich die Pronomen haben sich geändert. Ich habe immer Sachen gemacht, die eigentlich Jungen machen: ich fuhr Skateboard und Mountainbike und spielte Fußball. Ich hatte auch mehr Jungen-, als Mädchenfreundschaften, trug nur Hose und fand es ganz schrecklich, als ich zur Kommunion ein Kleid anziehen musste. Davon gibt es aber kein einziges Foto!!! Meine Mutter sagte mal, dass an mir ein Kerl verloren gegangen sei. Als ich mich mit 20 bei ihr outete, war sie dem Thema gegenüber sehr offen. Sie sagte, dass sie möchte, dass ich glücklich werde, egal ob als Leonie, oder Leo. Sie wollte mir zur Seite stehen, damit es einfacher für mich wäre, weil ich nicht allein bin. Den Weg zur tatsächlichen Veränderung fand ich nicht schlimm - der Weg bis zum Bewusstwerden, wie man leben möchte, war wesentlich schwieriger. Als Lesbe war ich einfach butch. Ich stand zwar auf Frauen, aber ich wollte keine Lesbe sein. Ich habe mich immer als Mann gefühlt, der auf Frauen steht. Ich hatte immer heterosexuellen Freundinnen.

Nach vielen Informationen und der Einnahme von Testosteron, wuchs mein Bart und die Stimme wurde tiefer. Danach erfolgte die Brust- & Gebärmutterentfernung. Den letzten Schritt werde ich nicht gehen: Für mich ist es wichtig, dass ich als Mann gesehen und akzeptiert werde. Was sich zwischen meinen Beinen befindet, geht nur mich und die Person etwas an, mit der ich zusammen bin. Jetzt wo ich in meinem Körper angekommen und selbstbewusster geworden bin, merke ich, dass ich auch auf schwule Männer wirke. Als Lesbe war das früher ein absolutes No-Go. Momentan bin ich mit einem netten jungen Mann zusammen und sehr glücklich. Man hat nur ein Leben und jeder sollte das machen, was einen glücklich macht. Von Leonie übrig ist lediglich ein Schuh-Tick: ich liebe Sneaker; ansonsten bin ich immer noch sehr einfühlsam und sensibel; eben wie viele andere Männer auch J.

Leo, (26)  aus Mönchengladbach

Leo // © vvg

Ich habe einen langen Prozess der Selbstfindung durchgemacht und drei Outings hinter mir: Das erste mit 18 als „homosexuell“. Ich habe mich aber mit dem Begriff nie wohlgefühlt, bis ich feststellte, dass mein Geschlecht und nicht meine Sexualität für mich eine Rolle spielte. Ab da habe ich mich als „genderfluid“ bezeichnet. Ich war als Au-Pair in einer homosexuellen Gastfamilie in den USA; zu der Zeit, als Caitlyn Jenner sich outete. Zurück in Germany konnte ich nicht mehr in Ostfriesland leben; ich zog nach Köln, besuchte dort das LSBT* Jugendzentrum anyway und kam mit Trans*leuten in Kontakt. Seit Juni habe ich nun Gesprächstherapie und der Termin für meine erste Hormonbehandlung im November steht. Mir werden Brüste wachsen, die Fettverteilung ändert sich und der Bartwuchs wird zurückgehen. Ich möchte schon weiblich wahrgenommen werden, ohne unbedingt lange Haare oder Kleider tragen zu müssen. Als ersten Schritt habe ich Anfang des Jahres aus dem „Richard“ die „Rita“ gemacht und das auf meiner Arbeitsstelle bekannt gegeben. Behördentechnisch erfolgt das in Kürze.

Ich habe mich schon immer in weiblichen Rollen wohler gefühlt. Als Kind war ich Prinzessin oder Hexe statt König oder Cowboy und im Rollenspiel war ich immer die Mutter. In der Pubertät sollte ich eine männliche Rolle einnehme, aber je älter ich wurde, um so weniger habe ich das zugelassen. Seit meiner Ausgehzeit trage ich Make up und Nagellack. Ich bin Single; hätte zwar gern eine Beziehung, aber ich möchte erst mit mir im Reinen sein. Die Partnersuche gestaltet sich daher schwierig, ich bin aber offen. Optisch finde ich biologisch-männliche Körper anziehend, das Geschlecht, dass dahintersteckt, spielt für mich keine Rolle. Ich möchte dabei meine Sexualität als Fließend betrachten und mich nicht einschränken. Für die Trans*-Community wünsche ich mir, dass die mehr zusammen hält und sich gegenseitig unterstützt. Mir hätten da einige Aufklärungsgespräche sehr geholfen.

Rita aus Köln

Rita // © vvg

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