Leroy Leone von Berlin Tag&Nacht Mehr Akzeptanz aus der eigenen Community
„Wir können keine Akzeptanz von außen erwarten, wenn sie nicht mal aus den eigenen Reihen kommt“ - Leroy Leone
Der 31-jährige Leroy Leone kommt gebürtig aus Frankfurt am Main und lebt derzeit in Berlin. Momentan spielt er die Figur „Marc“ aus Berlin Tag und Nacht. Mit SCHWULISSIMO spricht er über sein Outing, das Problem mit der LGBTI*-Community und das Verhältnis zu seinen Eltern.
Du spielst bei Berlin Tag und Nacht den Kriminellen Marc. Wie ist das, jemanden zu spielen, der so weit weg von deiner eigenen Persönlichkeit ist?
Ich hatte anfangs deswegen Bedenken. Ich bin sehr sensibel und außerdem der Meinung, dass man mir meine „feminine“ Seite deutlicher ansehen kann als anderen Männern. Ich habe befürchtet, dass das schnell zum Vorschein kommt und das Schauspiel dann unglaubwürdig wirkt. Diese Bedenken konnte mir der Regisseur aber schnell nehmen, indem er sagte, dass es ja auch schwule Drogendealer und schwule Entführer gibt. Dadurch konnte ich mich besser in die Rolle hineinversetzen.
Hast du das Gefühl, durch deine Homosexualität fällt es dir schwerer, Rollen zu bekommen?
Ja. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass die meisten Rollen eher hetero geschrieben sind und dann wollen die auch keinen bunten Flamingo.
Aber wenn wir schon über gesellschaftliche Probleme der Branche sprechen: Ich finde es viel schlimmer, wie wir uns selbst in der Community fertig machen – ob das Bodyshaming oder Sonstiges ist. Solange wir uns in der Community nicht akzeptieren, können wir das auch nicht von anderen außerhalb der Community erwarten.
Hast du eine Idee, wie man die Community vereinen könnte?
Ich denke, man sollte Plattformen wie den CSD als Community besser nutzen. Eben nicht nur die Party in den Fokus nehmen, sondern auch bei den politischen Reden zuhören und sich selbst mehr reflektieren, wenn es um das Thema Akzeptanz und Zusammenhalt geht. Außerdem sind auch solche Interviews hilfreich, wo man aktiv über die Thematik spricht.
Wobei viele sagen, dass Party zur Community auch dazugehört. Wenn man die Party weglässt, würden vermutlich auch weniger Menschen auf den CSD kommen.
Ja, das sowieso. Ich finde aber Party gehört nicht nur zu unserer Community. Party hat etwas mit Freiheit zu tun und da ist mir egal ob Schwuler, Lesbe, Transgender, Hetero oder sonst wer – die Gesellschaft sollte gemeinsam die Party feiern. Egal wo man feiert oder die Stimmung dazu verspürt, gehört auch immer die Ernsthaftigkeit dazu. Man muss die Community mit aller Ernsthaftigkeit aufklären und zusammenbringen. Ich kann nicht glücklich irgendwo feiern, wenn ich ausgelacht oder fertiggemacht werde. Dann fühle ich mich unwohl.
Also sollte man auch die Diversität feiern?
Genau. Ich habe das Gefühl, dass damals ein größerer Zusammenhalt herrschte. In den 80er-Jahren lebte die Community viel schlechter, aber dennoch war sie stärker und hat mehr zusammengehalten.
Heute spielt man oft eine Rolle, um nicht negativ aufzufallen, weil vieles oberflächlicher geworden ist. Ich will das jetzt auch nicht verallgemeinern, aber es ist mir in Berlin und Frankfurt extrem aufgefallen. Im eigenen Freundeskreis hat man seinen geschützten Raum, aber im Club akzeptiert dich keiner, wie du bist. Es ist so traurig in einer Community, die immer so nach Akzeptanz schreit, Menschen zu haben, die sich gegenseitig nicht akzeptieren.
Wie war dein Outing?
Mein Outing ging leider nicht von mir aus. Mit 15 Jahren habe ich es meiner damaligen besten Freundin erzählt. Diese hat sich dann aber nicht als beste Freundin herausgestellt, sondern als Tratsch-Tante. Sie hat es rumerzählt und dann wurde ich von allen gefragt. Ich war dann aus Trotz in einer Anti-Haltung gegen alle, die mich darauf angesprochen haben. Das Outing vor meinen Eltern war Jahre später. Meine Mutter hat erst entspannt reagiert, ein paar Tage später war sie dann nicht mehr so gut darauf zu sprechen. Ich selbst konnte gut mit meinem Outing umgehen aber die Leute von außen eher weniger. In der Schule kam es zu Mobbing, aber ich habe es nicht zugelassen und nicht gezeigt, dass es weh getan hat.
Wie ist das Verhältnis zu deinen Eltern?
Meine Mutter hat ständig gefragt, wann ich endlich mal eine Partnerin habe und wann sie denn Enkel bekommt, obwohl sie noch drei andere Kinder hat. Daran hat sie sich dann aufgehängt und immer wieder gestichelt. Das hat sich dann so aufgebauscht, bis es irgendwann gar nicht mehr mit uns ging. Damit bin ich heute aber im Reinen.
Mit meinem Vater ist das ähnlich. Er ist in den Medien bekannt und war einer der ersten Rapper in Deutschland. Er meinte zu mir, ich solle mich in der Öffentlichkeit nicht schwul zeigen.
Ich habe mal ein Foto von mir und meinem damaligen Freund auf Facebook hochgeladen, wo wir Händchen gehalten haben. Mein Vater ist ausgetickt und fragte, was die Leute denn bitte denken sollen. Den Kontakt zu ihm habe ich daraufhin abgebrochen. Ich habe zwei Probleme weniger und bin glücklicher damit.
In der Rap-Szene gibt es noch immer viel Homophobie.
Mein Bruder ist auch in der Szene und textet ganz frei von Homophobie. Rap ist auf jeden Fall eine Art der Kunst, aber Diskriminierung und Mobbing hat nichts mehr mit Kunst zu tun. Wenn jemand homophobe Texte schreibt, dann ist die Erziehung schiefgelaufen. Mich würde es freuen, wenn es in Deutschland auch Rapper wie Macklemore geben würde, welcher sich für die Community starkmacht. Die Rap-Szene ist genauso eine Randgruppe wie die Homosexuellen. Es wird endlich mal Zeit, mehr Rapper in den Fokus zu rücken die sich mit queeren Themen auseinandersetzen. Ich spreche in der Öffentlichkeit sehr gerne drüber, um die Rap Szene zu inspirieren oder zumindest zum Nachdenken anzuregen.
Hast du Angst vor Übergriffen?
Ja habe ich. Mir sind auch schon virtuell ein paar Dinge passiert. Deshalb habe ich damals die Bilder von meinem Ex-Freund von Instagram runtergenommen – ich habe mir auch Sorgen um ihn gemacht. Ich habe Morddrohungen bekommen, teilweise kamen Videos bei mir an auf denen meine Bilder zerschnitten oder angespuckt wurden.
Das alles nur, weil ich nicht so liebe wie die lieben. Mir ist es egal, wenn mich jemand Schwuchtel nennt, dann stehe ich darüber und sage „Ja das wusste ich schon lange vor dir, das brauchst du mir nicht sagen.“ Aber wenn es zu Morddrohungen kommt, erreicht das ein ganz anderes Level. Ich habe das dann auch zur Anzeige gebracht.
Hast du dich gut aufgehoben und ernstgenommen gefühlt, als du es zur Anzeige gebracht hast
Ja, die Polizei war total nett! Ich habe das erst online gemacht und war mir gar nicht sicher, ob man so etwas überhaupt anzeigen kann. Ich wurde dann angerufen und die Polizei hat mich informiert und gesagt, dass man eine Morddrohung, egal in welcher Form, immer anzeigen kann. Selbst wenn es „nur“ so etwas ist, wie „Du Schwuchtel“ könnte ich das zur Anzeige bringen. Dann wäre ich aber nur noch dabei, online Anzeigen zu stellen.
Das mit der Morddrohung ist aber wichtig und mutig, da viele auch das dann wieder zurückziehen.
Hatte die Anzeige dann auch Erfolg oder was ist damit passiert?
Das ist erst drei Wochen her. Der Polizist meinte, dass nun ermittelt wird. Allerdings kann so etwas schwierig werden aufgrund der Menge an Fake-Accounts, die es online gibt. Dennoch ist es immer gut, alles zur Anzeige zu bringen und sich davon nicht entmutigen zu lassen. Allein schon für das Gefühl der Befreiung, welches ich nach der Anzeige verspürte, hat sich das gelohnt. Meine Grenzen wurden überschritten und wenn man schon in einem Staat lebt, in dem so etwas möglich ist, dann sollte man das auch tun. Zudem taucht es später auch in Statistiken auf und ist für die Politik somit schwieriger zu ignorieren. Man setzt also auch ein Zeichen für alle, damit die Dunkelziffer nicht so undefinierbar bleibt.
Was hast du für deine Zukunft geplant?
Ich bin gerade dabei, mein Buch fertig zu schreiben, habe im Januar meinen Pitch und hoffe, dass ich dann einen Agenten bzw. einen Verlag bekomme und mein Buch gedruckt werden kann.
Worum geht es denn in deinem Buch?
Es handelt von einer homosexuellen Beziehung, allerdings im Zweiten Weltkrieg. Es fängt im Jahr 1938 an und ein Jude und der Sohn eines Nazioffiziers verlieben sich ineinander. Als die Juden fliehen müssen, trennen sie sich. Jahrzehnte später findet der Enkel des Juden das Tagebuch seines Opas und erfährt dadurch, dass sein Großvater schwul war. Er macht sich auf die Suche nach der großen Liebe seines Großvaters.