Im Interview Peter Granzow
Peter Granzow arbeitet seit 30 Jahren als freier Moderator und wurde bekannt durch die RTL Samstagabend Show „Hausfieber“ mit Linda de Mol. Er war Programmansager für den WDR und moderierte das Servicemagazin „Leben & Wohnen“ auf tm3. Für Industriekunden moderiert er neben Tagungen, Gala Abenden auch Kick Offs und blickt auf über 5.000 Live Shows zurück. Nebenbei ist er Buchautor und Keynote Speaker zu den Themen Kundenservice und Self-Publishing.
Du hast dein Buch mit dem Titel „Salim, ein syrischer Flüchtling bei mir zu Gast“ geschrieben, Was war dein wichtigster Beweggrund deine und Salims Geschichte literarisch öffentlich zu machen?
Kurz nachdem ich Salim kennengelernt hatte, musste ihm eine Zehe amputiert werden. Da ich vermeiden wollte, dass er während der anschließenden Wundversorgung zurück in seine Flüchtlingsunterkunft muss, habe ich ihn während dieser Tage bei mir aufgenommen. Während dieser Zeit wuchs sein Vertrauen zu mir, sodass er schnell damit begann, mir Abend für Abend die Etappen seiner Flucht zu erzählen. Da ich schon andere Bücher veröffentlicht hatte, entstand bei mir die Idee, auch über Salims Geschichte ein Buch zu schreiben, denn die negativen Schlagzeilen von brennenden Unterkünften häuften sich in genau dieser Zeit. Meine persönliche Erfahrung war aber, das Helfen sehr einfach sein kann, genau diese positive Erfahrung wollte ich publik machen.
Kannst du uns Salim kurz vorstellen?
Salim ist ein sogenannter Kontingentflüchtling, der ursprünglich aus Suweida in Syrien kommt. Mit 21 Jahren kam er über den Libanon nach Deutschland und hat sich hier in Köln innerhalb von 2 ½ Jahren von einem sehr schüchternen zu einem selbstbewussten fröhlichen jungen Mann entwickelt.
Wie habt ihr euch kennen gelernt?
Wir haben uns per Zufall auf der Straße kennengelernt. Er suchte eine Adresse und hielt mir nur einen Zettel hin, worauf ich eigentlich eher selten reagiere. Da er mich aber an mich selbst in diesem Alter erinnerte, ich bin damals wegen einer Ausbildung mit 17 Jahren bei meinen Eltern ausgezogen, habe ich mich auf das Abenteuer eingelassen. Die Konversation war zunächst super schwierig. Er sprach fünf Worte Deutsch, drei Worte Englisch und den Rest erledigte die Übersetzungsmaschine von Google. Für den Fall, dass er noch einmal Hilfe benötigte, habe ich ihm damals meine Telefonnummer gegeben und wenige Tage später hat er sich tatsächlich bei mir gemeldet. Aus einer anfänglichen Begleitung bei Behördengängen und Hilfe beim Deutschunterricht ist inzwischen eine tiefe Freundschaft gewachsen.
Im Text von Xavier Naidoo heißt es: „Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer.“ Wie war Salims Weg?
Aufgrund der politischen Lage in Syrien und seiner Homosexualität hat Salim mit 19 die Entscheidung getroffen zu flüchten. Die Alternative wäre der Kriegsdienst gewesen. Zunächst ging es nach Beirut/Libanon, wo er bei der UNO einen Asylantrag stellte. Dieser wurde nach über einem Jahr bewilligt, doch auch danach musste er noch einmal über ein Jahr auf den Ausreisetermin warten. Obwohl man ihm als Asylland zunächst die USA, Canada, Schweden und Finnland in Aussicht gestellt hatte, wurde es letztlich Deutschland. Er konnte sich also in keinster Weise darauf vorbereiten, wo er am Ende stranden würde. Glücklicherweise haben ihn die Behörden dann nach Köln weitergeleitet. Ich denke das war die richtige Entscheidung für Salim, denn nur in den deutschen Großstädten gibt es auch die Möglichkeiten, sich besonders um queere Flüchtlinge zu kümmern.
Wie groß ist die Gefahr – vor allem in Köln – vom Weg abzukommen?
Da ist Salim sehr stark. Er weiß, niemand außer ihm selbst, ist für seine Zukunft verantwortlich. So hat er vor 2 Jahren auf dem Weihnachtsmarkt als Spüler gearbeitet, worüber sich einige seiner Bekannten und Freunde aus dem Flüchtlingsheim lustig gemacht haben. Auch dass ihm das Jobcenter ¾ seines Verdienstes wieder abziehen würde, war ihm egal. Es war ihm einfach wichtig, eine Aufgabe zu haben und mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Inzwischen hat er drei Praktika als Zahntechniker, Erzieher und Altenpfleger gemacht; letzteres brachte ihm auch wieder Spott ein: „Alten Leuten den Popo abwischen.“ Nach zwei Wochen bekam ich als sein „Papa“ einen Anruf vom Dienststellenleiter des Altenheims und ich dachte schon, er hätte etwas verbockt. Doch sowohl die Bewohner, Mitarbeiter als auch die Leitung hatten Salim so ins Herz geschlossen, dass sie ihm eine Festanstellung anboten. Und, entgegen der Meinung einiger „klugen“ Menschen, nimmt er dort keinem Deutschen die Arbeit weg, denn eine Warteliste gab es nicht.
Mit welchen Schwierigkeiten müssen Flüchtlinge in Deutschland klarkommen?
Die größten Schwierigkeiten bereitet die deutsche Bürokratie. Ich habe die Vielfalt an Formularen bei den unterschiedlichsten Ämtern kennengelernt und frage mich, wie ein Asylbewerber mit wenigen Deutschkenntnissen diese allein bewältigen soll, wenn ich teilweise schon Schwierigkeiten habe diese zu verstehen. Inzwischen trete ich durch meine Erfahrungen aber auch etwas forscher bei den Ämtern auf und konnte schon viel Positives für Salim erreichen. Devote Höflichkeit ist hier manchmal fehl am Platz. Anderen Flüchtlingen wünsche ich hier ebenfalls einen deutschen Mitbürger, der sie dabei unterstützt.
Hat Salim schon einmal schlechte Erfahrungen machen müssen?
Nein, bislang hat er noch nie erlebt, dass ihn jemand als „Scheiß-Flüchtling“ tituliert hat. Hilfreich war da sicherlich auch seine positive Art auf Menschen zuzugehen, so wie in dem Pflegeheim, wo sie ihn gar nicht mehr weglassen wollten. Da gibt es Gegenden in Deutschland, wo man leider nicht so tolerant ist, oder um es deutlicher zu sagen, wo es dumme Menschen gibt, die mit sich selbst so unzufrieden sind, dass sie andere niedermachen oder verbal beleidigen müssen.
Was hast du mit einer für Salim initiierten Spendenaktion für Salim erreicht?
Ich hatte vor sechs Monaten eine Spendenaktion ins Leben gerufen, die Salim ermöglichen soll, dass er seine Eltern nach 5 Jahren Trennung wenigstens für ein paar Tage in Beirut wiedersehen kann. Es ist ein hilfreicher Betrag zusammengekommen und zurzeit sondieren wir die Möglichkeiten, wie, wo und wann dieses stattfinden kann. Aufgrund der aktuellen Situation im Libanon und anderer politischer Gründe ist dies aber gerade nicht ganz so einfach.
Was hast du an positiven und negativen Reaktionen deiner Mitmenschen mitbekommen?
In den vergangen zwei Jahren mussten ich mir die tollsten Dinge anhören, wie z.B.: Ich würde aus Salims Geschichte Profit schlagen. Ich würde durch seine Arbeit als Spüler auf dem Weihnachtsmarkt Schwarzarbeit vermitteln. Und auch die Klinik, die Salim kostenlos am Fuß operiert hatte, musste sich fragen lassen, ob sie dies auch für deutsche Kinder tun würde? Diese „klugen“ Kommentare kommen fast immer von anonymen Profilen im Internet, von Leuten, die ihr Gesicht nicht zeigen und meiner Meinung nach nur wenig wissen. Aber ich hatte auch positive Reaktionen: Bei einer Lesung meinte eine Besucherin, dass sie unsere Geschichte sehr an den Film „Ziemlich beste Freunde“ erinnert.
Was ist Salim heute für dich und was bist du für ihn?
Salim hat mir einmal gesagt, dass er in Deutschland mehr gefunden hat, als er jemals erwartet hat und ich alles für ihn bin: Vater, Familie und bester Freund. Doch mir hat Salim genau so viel gegeben und mich positiv verändert. Bevor ich ihn kennengelernt habe, gab es nur einen Menschen, um den ich mich gekümmert habe - das war ich selbst. Heute steht Salim an erster Stelle. Es klingt klischeehaft, aber wenn ich sehe, dass er glücklich ist, bin ich es auch.
Gibt es Wünsche, die du aus deinen Erfahrungen an die zuständigen Stellen geben würdest?
Ja, für Ehrenamtler gibt es eine Ehrenamtskarte, womit gewisse Vorzüge verbunden sind, von denen ich bisher noch keine genutzt habe. Praktischer fände ich es, wenn mir diese Karte bei Ämtern und Behörden Terminvereinbarungen erleichtern würde, denn als Berufstätiger ist es oft schwierig, die eigenen Termine nach den Behördenvorschlägen zu richten. Zum Abschluss würde ich noch gerne auf den vielzitierten Satz von Frau Merkel: „Wir schaffen das!“ eingehen. Sie hat nie gesagt „Ich schaffe das“. Sie sagte „Wir“ und ich sehe mich als kleines Teil dieses gemeinsamen WIR!
Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Peter Granzow im Dezember 2017 geführt.