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Paul Ruback (l.) und sein Mitstreiter Eckhard Brickenkamp (rat & tat Rostock e.V.) von der Initiative "Auch Schwule können Leben retten" // © Josefine Rosse/NNN
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Im Interview Paul Ruback

id - 24.08.2019 - 07:00 Uhr

„Ich denke nicht, dass jemand zur Spende geht, um andere Menschen wissentlich zu schädigen.“

Vor einiger Zeit gab es die Meldung, dass schwule Männer nun auch Blut spenden dürfen. Doch was zunächst wie ein weiterer Erfolg klang, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als Mogelpackung. Denn noch immer werden deutliche Unterschiede zwischen Heteros und Homosexuellen gemacht. SCHWULISSIMO sprach darüber mit Paul Ruback, Sprecher der Initiative „Auch Homosexuelle können Leben retten!“

Paul, im Sommer 2017 wurde das Transfusionsgesetz (TFG), welche ja die Blutspenden in Deutschland regelt, überarbeitet. Es scheint auf den ersten Blick endlich möglich zu sein, auch als schwuler Mann Blut spenden zu dürfen. Doch dieses ist nur die halbe Wahrheit, denn es wurden auch gleich noch Einschränkungen gemacht, die einen ziemlichen Dämpfer bei der Euphorie bedeuten. Was genau ist das Problem?
Mit der Aktuellen Transfusionsverordnung werden völlig veraltete Vorurteile geschürt. Die Rückstellungszeit von 12 Monaten wird damit begründet, dass Männer, die Sex mit einem Mann haben, einer Risikogruppe angehören. Sehr oft wird mit dieser Regelung verbunden, dass Schwule ständig wechselnde Partner haben. Sicher gibt es sogenannte Schwarze Schafe, aber der Großteil lebt in monogamen Beziehungen. Nicht umsonst wurde Jahrelang für die „Ehe für Alle“ gekämpft. Ein weiteres Problem hat sich mit den neuen Fragebögen ergeben. Gerade in den ländlichen Räumen sind viele Schwule nicht geoutet. Oft haben Sie Angst, mit Anfeindungen konfrontiert zu werden. In den Fragebögen werden gezielte Fragen gesondert hervorgehoben. Nicht immer kann der Datenschutz eingehalten werden und ein Zwangsouting ist unausweichlich.

Erstaunlich ist ja auch, dass durchaus ziemliche Unterschiede gemacht werden. Bei Heteros ist als Ausschluss nur zu lesen, dass ein erhöhtes Risiko bei Personen, mit häufig wechselnden Sexualpartnern zu sehen ist. Bei Männern, die Sex mit Männern haben, auch wenn sie beispielsweise in einer monogamen Beziehung leben, wird aber generell ein Risiko angenommen. Was ist deiner Meinung nach der Grund für diesen Unterschied?
In den 80iger Jahren kam es dazu, dass tausende Blutkonserven mit dem HI- Virus verseucht wurden. Da der HI-Virus vor allem bei Schwule auftauchte, wurden Schwule komplett ausgeschlossen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. 1998 führte die Bundesregierung die Transfusionsverordnung ein. Beeinflusst durch die Vorfälle in den 80igern, wurden Männer, die Sex mit Männern haben, einer Risikogruppe zugeordnet. Auch heute sagen die Zahlen der Neuinfektionen, dass gerade Schwule sich infizieren. Leider gibt es keine Statistik, in der zu entnehmen ist, wie die Zahlen der Selbsttester aussehen. Wir stellen uns immer wieder die Frage: „Sind Schwule eher bereit sich testen zu lassen?“.

Dabei ist selbst die bestehende Regelung mehr eine „Scheinsicherheit“, denn der potentielle Spender könnte die Frage ja einfach anders beantworten. Damit wäre also am Ende nichts für eine zusätzliche Sicherheit von Blutspenden getan, oder?
Ich denke nicht, dass jemand zur Spende geht, um andere Menschen wissentlich zu schädigen. Jeder mögliche Spender wird sich dessen bewusst sein, wie er mit seinem Sexualleben umzugehen hat. Sicher muss man auf die Vernunft jedes einzelnen pochen. Durch eine gute Aufklärungsarbeit, wie wir sie in Deutschland haben, sind Schwule eher bereit sich regelmäßig auf HIV, HBC, Syphilis und andere Infektionskrankheiten, testen zu lassen. Viele dieser Infektionskrankheiten sind nach sechs Wochen nachweisbar, also ist eine Rückstellung von 12 Monaten nicht gerechtfertigt.

Sexuelle Beziehungen zwischen Männern stellen ja nicht automatisch ein Sexualverhalten mit einem hohen Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten dar. Das Risiko sollte doch eher aufgrund der individuellen Anzahl von Sexualpartnern und ob der Sexualverkehr geschützt oder ungeschützt ablaufe bewertet werden. Dabei ist auffällig, dass nicht nur schwule Männer betroffen sind. Auch die gesonderte Nennung von transsexuellen Personen mit sexuellem Risikoverhalten nicht wirklich nachvollziehbar. Wie seht ihr das als Initiative?
Wir von der Initiative fordern, dass jeder der Spenden möchte, egal ob Bisexuell, Schwul oder Transsexuell, auch die Chance dazu bekommt. In einem modernen Land wie Deutschland es ist, müssen Grundlagen geschaffen werden, die dieses Sicherstellen. Gerade in den Sommermonaten entnehmen wir aus den Medien, dass Blutkonserven benötigt werden. Männer die Sex mit Männern haben, in eine Risikogruppe unterzuordnen, aufgrund veraltete Vorurteile ist nicht der richtige Weg, eher im Gegenteil, es schreckt viele ab. Wir haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen, die nicht sein brauchen, wenn Gesetze an die zeitlichen Entwicklungen angepasst werden.

Bisher gibt es auch hier ja lediglich fünf Länder, die keine Unterscheide zwischen heterosexuellen und homosexuellen Spendern machen, darunter Italien, Spanien, Portugal uns erstaunlicher Weise auch Polen und Lettland. Wie sieht die Lage generell denn in Europa aus?
Es ist ein schwieriges Thema. So hat der Europäische Gerichtshof 2015 ein Grundlegendes Urteil gefällt. Zuvor hatte hierbei ein Mann aus Frankreich geklagt. Das unter der Rechtssache c- 528/13 Léger bekannte Urteil besagt, dass der Ausschluss von Männern, die Sex mit Männern haben, gerechtfertigt ist, sofern wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, dass ein Risiko vorliegt. In den meisten europäischen Ländern besteht ein generelles Blutspendeverbot. In einigen Ländern ist es mittlerweile möglich, Spenden zu gehen, was oft mit Rückstellungszeiten verbunden ist.

Was kann man in Deutschland überhaupt tun, um hier zu einem Umdenken zu kommen? An wen muss man appellieren? Oder anders gefragt, wer sind die größten „Blockierer“?
Wichtig ist es, völlig veraltete Vorurteile abzubauen. Denn durch diese Verordnungen bekommt man ja den Eindruck, dass Schwule ständig wechselnde Beziehungen führen. Gerade unsere Bundesbehörden, wie dem Paul-Ehrlich-Institut, sehen wir in der Pflicht, eine sofortige erneute Änderung in der Transfusionsverordnung vorzunehmen und die diskriminierende Haltung abzubauen. Sicher sehen wir auch unsere Politiker in der Pflicht Gesetze so zu gestalten, dass keine Diskriminierung entstehen können. Im Transplantationsgesetz hat es ja auch geklappt, warum nicht auch in der Transfusionsverordnung?

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