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Markus Barth // © vvg

Im Interview Markus Barth

vvg - 01.09.2016 - 10:00 Uhr

Markus Barth steht als Stand-up-Comedian deutschlandweit auf der Bühne. Davor hat er als Autor sehr erfolgreich für andere Künstler und Shows gearbeitet und mehrfach den „Deutschen Comedypreis“ erhalten. Seit 2011 ist er auch Buchautor. Im September wird sein drittes Buch erscheinen.

Markus, wie oft bist du schon mit Mario Barth verwechselt worden?
Ich habe mich mal vor einer Vorstellung mit dem Moderator über Mario Barth unterhalten und er hat wirklich Mario Barth angekündigt. Als ich auf die Bühne kam, haben die Leute ein wenig sparsam geschaut. Ein anderes Mal gab es wirklich zwei Besucher, die dachten, dass Mario auftritt. Die konnte ich aber schnell überzeugen, dass sie in keinem Stadion sitzen; die haben sich dann bei mir auch köstlich amüsiert.

Du arbeitest als Autor und Headwriter für „Ladykracher“, „Die Wochenshow“, „Die heute Show“ und für andere Bühnenkünstler. Wie entscheidest du, welchen Witz du für dich behältst und welchen du „verkaufst“?
Das Gute ist, dass ich nicht mehr überlegen muss, weil ich nicht mehr für andere Bühnenkünstler schreibe. Ich fände es auch schwierig, wenn ich die guten Gags für mich behalten und die schlechten verkaufen würde. Ich schreibe nur noch fürs TV, wenn es um Sketche oder um Sitcom geht. Früher habe ich u.a. die ersten beiden Bühnen-Solos für Mirja Boes geschrieben. Da gab es thematisch keinerlei Überschneidung und da konnte ich mal richtig die „Sau rauslassen“.

Für „Ladykracher“ hast du mehrfach den „Deutschen Comedypreis“ gewonnen. Seit neun Jahren stehst du selbst als Stand-up-Comedian auf der Bühne; wie kam es dazu?
Das war ein wenig Mirja geschuldet, weil da Sachen entstanden sind, die nicht zu ihr passten. Die wollte ich aber gern veröffentlichen, also musste ich selber ran. Meine ersten Auftritte waren in der Berliner „Scheinbar“, da ist quasi jeden Abend offene Bühne. Später folgten „Nightwash“ und Shows im Kölner Gloria und Atelier Theater.

Im Januar 2011 erschien dein erstes Buch „Der Genitiv ist dem Streber sein Sex“. Gibt es eine Sprachverarmung bei den Jugendlichen oder ist das eine notwendige Entwicklung?
Ich finde nicht, dass es eine Sprachverarmung gibt, Sprache ist etwas Lebendiges und entwickelt sich. Ich kann darüber nur lachen, wenn Leute sagen, dass zu viele Anglizismen in der deutschen Sprache sind. Früher war Französisch der letzte Schrei, heute ist es Englisch. Ich finde es lustig, wenn ich den neuen Satzbau höre, wo Präpositionen komplett weggelassen werden, und man die Leute trotzdem versteht. Man kann Sprache nicht reglementieren.

Im Oktober 2012 erschien dein zweites Buch „Mettwurst ist kein Smoothie“. Du teilst deine Erkenntnisse in Büchern und auf der Bühne. Gibt es vom Leser/Zuschauer auch eine Rückkopplung, wie bei deinem Blog?
Ja, sehr viel sogar. Ich habe in „Mettwurst“ eine Geschichte, wo ich meine Email angegeben habe, damit die Leser auf ein paar aufgeworfene Fragen antworten können. Und erst gestern kam dazu wieder eine Mail.

Bist du ein gutgelaunter Zweifler, ein Welterklärer oder ein Meinungströter?
Definitiv der gutgelaunte Zweifler. Es gibt genug unreflektierte Meinungen, gerade in den sozialen Netzwerken. Ich fände es besser, wenn die Leute kurz überlegen würden, bevor sie etwas heraushauen. Es ist toll, dass man alles veröffentlichen kann, d.h. aber nicht, dass man vor dem Abschicken nicht noch einmal drüber nachdenken könnte.

Du sagst: „Ich sehe in meinem Pass aus, wie ‚ne Scheibe sehr schlecht gelaunter Gesichtswurst“. Bist du mit deinem Peyman-Amin- Aussehen unzufrieden?
Die Verwechslung mit Peyman hat nachgelassen, weil er nicht mehr so präsent im TV ist. In seinen „GNTM“-Zeiten ist es jede Woche mindestens einmal passiert, dass mir Leute auf der Straße hinterhergerufen haben. Prinzipiell bin ich zufrieden mit meinem Äußeren; nur meine biometrischen Passfotos, bei denen man nicht lächeln darf, finde ich schrecklich. Wer glaubt denn, Terroristen erkennt man daran, dass sie böse gucken?

Ist es nicht blöd, wenn man mit Peyman Amin verwechselt und für Mario Barth gehalten wird?
Das ist nur solang blöd, bis man eine witzige Nummer darüber geschrieben hat, denn dann hat man schon wieder 5 Minuten Programm. Das ist das Gute: Alles, was wehtut und man selber nicht so geil findet, kannst du in eine Nummer umwandeln. Wer kann das sonst in seinem Beruf?

Du wurdest durch Radio- und TV-Sendungen prominent. Andere Prominente sind bei Wikipedia vertreten, warum du nicht?
Weil bisher niemand einen Artikel über mich geschrieben hat und selbst schreiben ist mir zu peinlich. Vielleicht ändert sich das ja nach diesem Interview...

Kommen wir zu den schwulen Themen. Zuallererst hätten wir da gerne deine Meinung zum Outing von Georg Uecker.
Das ist eine sehr private Angelegenheit und ich kann verstehen, dass er es gemacht hat, weil es ihm wichtig war. Ich hatte den Eindruck, er hat es vor allem gemacht, um Gerüchte aus der Welt zu räumen. Es war sehr mutig und ich hoffe, dass er Angriffsfläche gegen seine Person wegnimmt. Allein das ist eine gute Geschichte.
 

Markus Barth // © vvg

Wie war dein Outing? Hast du das deines Bruders, Vegetarier zu sein, tatsächlich mit deinem „Schwulsein“ überboten?
Nein, obwohl es den Bruder gibt und er auch mal Vegetarier war, ist die Geschichte erfunden. Der Gag war zu gut, um ihn nicht auf die Bühne zu bringen. Mein Outing war mit 25 und eine sehr tränenreiche Geschichte meinerseits, wegen zehn Jahren unnützer Geheimnistuerei. Für meine Eltern war es harmlos: Meine Mutter hat es eh schon gewusst und selbst für meinen Vater, der sehr katholisch und eher konservativ ist, war das vollkommen in Ordnung. Mein Outing hat uns als Familie noch fester zusammengeschweißt. Kurz nach dem Outing habe ich übrigens meinen Mann kennengelernt und nun sind wir schon acht Jahre verpartnert. Wir sehen uns sehr ähnlich, das ist schon der dritte, mit dem ich verwechselt werde.

 „Man sieht es dir nicht an, dass du schwul bist“. Fallen Schwule denn generell öffentlich auf?
Ich mach’ mich ja auf der Bühne über diesen Spruch lustig. Die Leute glauben, sie machen ein Kompliment damit. Aber es ist kein Kompliment, weil sie sagen eigentlich: Ich habe kein Problem damit, dass du anders bist, weil man nicht sieht, dass du anders bist. Wir kennen das ja auch aus der Szene. Viele legen Wert darauf, dass sie heterosexuell rüberkommen und auf gar keinen Fall tuntig. Es ist aber keine Qualität, nicht aufzufallen. Wenn nicht gerade die schrillen Schwulen vor zig Jahren auf die Straße gegangen wären, um auf sich aufmerksam zu machen, dann hätte sich nie etwas geändert und ich wäre heute nicht mit einem Mann verheiratet.

Zur Homo-Ehe sagst du: „Ich bin lieber schlampig gleichgestellt, als ausgefuchst diskriminiert.“ Glaubst du inzwischen, dass die Homo-Ehe irgendwann gesellschaftliche Normalität ist?
Ich habe im letzten Programm gesagt, ich bin überzeugt davon. Inzwischen bin ich wieder kritischer geworden. Es gibt Parteien, die mit homophoben Äußerungen Politik machen und damit Erfolg haben. Deswegen ist es wichtig dass sich die LGBTIQ*-Community nicht auseinanderdividiert, damit wir als große Gruppe etwas einfordern können und geballte Stärke zeigen. Ich bin zwar Optimist, weiß aber, dass noch jede Menge Arbeit vor uns steht. Als ich die Nummer schrieb, dachte ich, in einem halben Jahr ist das angeglichen und ich kann die Gags nicht mehr bringen. Inzwischen spiele ich die Nummer seit drei Jahren – das ist gut für das Programm, aber frustrierend, weil sich politisch nichts geändert hat.

Geht dein Engagement für Homosexualität über die Bühne hinaus?
Ich trete regelmäßig bei Benefizshows und CSD-Veranstaltungen auf und habe gerade im dritten Jahr in Hamburg die Eröffnungsveranstaltung „Pride-Night“ moderiert. Außerdem habe ich zusammen mit dem Cartoonisten Ralph Ruthe ein Youtube-Video zum Thema „Ehe für alle“ gemacht, das mittlerweile fast 800.000 Leute gesehen haben. Die Reaktionen darauf machen wirklich Mut.

Als Kind wolltest du...
…Eisverkäufer, Lehrer und dann tatsächlich lange Zeit Schauspieler werden. Ich hatte an der Schule in Musicals mitgespielt und den Spaß an der Bühne entdeckt. Nach dem Abi habe ich mich sogar an einer Schauspiel-Schule beworben und wurde glücklicherweise abgelehnt, weil ich begriffen hatte, dass mich das klassische Theater überhaupt nicht interessiert.

Wovor hast du Angst?
Ich versuche, Angst nicht an mich heranzulassen. Ich halte mich für einen optimistischen Menschen und glaube, dass alles gut werden wird. Die gesellschaftliche Stimmung, die derzeit herrscht, macht mir keine Angst, aber sie gibt mir zu denken. Sie kann in eine ganz gefährliche Richtung gehen, wenn man nicht aufpasst. Aber auch dabei ist Angst ein schlechter Ratgeber. Humor ist der bessere.

Was bringt dich zur Weißglut?
Unsinnig finde ich, sich übers Wetter und das Alter aufzuregen; das kann man eh nicht beeinflussen. Ich rege mich eher darüber auf, dass sich keiner für den Klimawandel interessiert und die Jugend kein Respekt vor dem Alter hat. Wenn ich in Kneipen einen 60-Jährigen sehe, der sein Bier trinkt, finde ich das gut. Jüngere fragen dann pikiert: Was will denn der Alte hier? Das ist ungerecht und regt mich auf.

Du wirst nächstes Jahr auch schon 40...
…und damit habe ich gar kein Problem. Ich bin ein echt unnostalgischer Mensch. Allein weil mein Coming-out relativ spät war, möchte ich auf keinen Fall noch mal Teenager sein. Ich bin froh, da zu sein, wo ich jetzt bin. Ich freue mich schon auf die Stand-ups, die ich mit 60 machen werde. Je älter ich werde, umso mehr habe ich ja zu erzählen. Es wird immer spannender und man selbst wird immer gelassener. Und ich hoffe, mich wollen immer noch Leute sehen und es läuft so weiter wie bisher.

Wann kann man dich wo erleben?
Meine Tour-Termine findet man auf meiner Homepage www.markusbarth.de. Und Ende September kommt mein drittes Buch „Sojasteak an Vollmondwasser – das Handbuch der überschätzten Lebensmittel“ heraus: 130 Seiten knallharte Lebensmittelbeschimpfung. Das wird Balsamico für die Seele!

 

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Markus Barth im August 2016 geführt.

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