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Jonas Baeck // © vvg

Im Interview Jonas Baeck

vvg - 14.04.2019 - 07:00 Uhr

Jonas Baeck ist Bühnen- und Filmschauspieler, Synchron- und Hörspielsprecher; u.a. spielt er den Dr. Hein in „Club der roten Bänder“ und in Lars von Triers Film „Nymphomaniac“ in einer Nacktszene. Derzeit ist er mit seinem Buch „Wenn die Sonne rauskommt, fahr ich ohne Geld“ deutschlandweit auf Lesetour.

Das erste was uns im Internet auffiel, waren deine vielen Wohnmöglichkeiten: Berlin, Bochum, Hamburg, Köln, Leipzig, Mannheim, München, Stuttgart, Wien und Zürich; bist du so umtriebig oder Immobilienmakler?
Immobilienmakler wäre nicht schlecht; aber als Schauspieler bin ich ganz gut vernetzt. Ich habe in vielen Städten Freunde, Bekannte, Kollegen und teilweise Familie und bin immer gerne viel unterwegs. Aufgewachsen bin ich in Klingelbach/Rheinland-Pfalz. Ich war als Kind mit meinen Eltern viel mit dem Zirkuswagen unterwegs, weil sie umherziehende Kunsthandwerker waren; von daher liegt mir das Reisen im Blut.

Kurz nach dem Abi hast du in einer Jugendtheatergruppe Shakespeares „Hamlet“ gespielt. Acht Jahre später nach der Schauspielausbildung in Bochum standest du 2009 erneut als Hamlet bei den Burgfestspielen in Bad Vilbel auf der Bühne, war der zweite Hamlet reifer?
Natürlich. Hamlet ist eine besondere Rolle, die man nie ganz zu fassen bekommt, weil sie so groß und tief ist. Man kann immer nur gewisse Facetten treffen. Der zweite Hamlet auf der großen Bühne mit erwachsenen Schauspielern war intensiver, weil ich technisch weiter war und mehr Erfahrung hatte. Beim ersten Mal habe ich mir die Rolle mit meinem Bruder geteilt, den zweiten habe ich alleine gespielt. Das war schon geil.

Du hast mit deinem Bruder Jean Paul für „Der Freund krank“ einen Darstellerpreis erhalten. Wer war der erste mit dem Berufswunsch?
Das war ich, ich bin ja anderthalb Jahre älter. Er hatte mich in der Theatergruppe gesehen und wollte das auch machen. Wir bereiten auch gerade ein neues gemeinsames Projekt vor; übrigens: meine Schwester ist auch Schauspielerin. Sie hat eine der Hauptrollen bei „Wishlist“ gespielt.

Hattest du jemals Vorbilder, die du bewundert hast?
Mit elf war Michael Jackson mein Gott, bewundern tu ich ihn bis heute. Und Johnny Depp fand ich auch schon immer sehr spannend.

Am Sonntag wurde der Oscar vergeben, wem würdest du eine Trophäe geben?
Viele der Schauspieler, die ich toll finde, haben bereits einen Oscar im Schrank stehen. Meiner ginge wahrscheinlich an Johnny Depp; er hat so tolle, ungewöhnliche Filme gemacht. Bei den deutschen Kollegen finde ich Tom Schilling großartig.

Jonas Baeck // © vvg

Der war ja in Hollywood dabei, weil „Werk ohne Autor“ für den besten fremdsprachigen Film nominiert war. Wie hast du dich auf deine Rollen vorbereitet?
Bei Theatersachen hat man mehr Zeit zum Proben. Ich versuche über die Sprache Zugang zu den Gedanken der Figur zu bekommen, um mir damit ihr Inneres zu erschließen. Bei Filmdrehs versuche ich mich mittels neuer Erfahrungen tief in die Charaktere rein zu versetzen. Ich habe mal einen Junkie gespielt, da habe ich mich für zwei Tage zu einer Gruppe Obdachloser gesetzt. Ich wollte nicht nur von Außen beobachten, sondern versuchen, Teil einer solchen Gruppe zu sein. Ich arbeite mich gerne intensiv in eine Rolle rein; in Form von solchen Erfahrungsrecherchen, damit das Fremde nicht fremd bleibt und ich es möglichst natürlich aus mir herausholen kann.

Gibt es noch eine Traumrolle, die du gerne spielen möchtest?
„Hamlet“ war schon eine Traumrolle. Irgendwann, wenn ich reif dafür bin, möchte ich mal eine Shakespeare-Rolle der älteren Semester spielen. So was wie „Richard III.“ oder „Macbeth". Eine Rolle, die sehr komplex ist, eine eher dunkle Figur; das würde mich interessieren.

Mit welchem Regisseur würdest du gerne drehen?
Sehr gerne ein weiteres Mal mit Lars von Trier. Ich hatte bisher nur einen Drehtag mit ihm, aber es war eine intensive Begegnung. Die Art und Weise wie er mit mir geredet hat - es war ja eine Sexszene und ich stand nackt vor ihm - das war einfach bemerkenswert. Er hat eine große Ruhe ausgestrahlt. Und er hat die ganze Atmosphäre mit einem tollen ironisch humorvollen Ton entspannt. Mit ihm noch einmal zu drehen, wäre der Hammer. Er ist ja für seine besondere Arbeit mit Schauspielern bekannt.

Wir reden vom Film „Nymphomaniac“, da hast du die Hosen runtergelassen und mit Stacy Martin Sex gehabt; nennt man das nicht „Vollblutschauspieler“?
Ich verstehe die Doppelbedeutung. (lacht) Nein, ich war Null erregt. Als es hieß: „Ausziehen. Wir drehen. Und Action!“ - wäre ich fast gestorben vor Angst. Der Sex war natürlich nicht echt, sondern gefakt; letztlich läuft das Ganze sehr technisch ab, fast wie eine Choreografie. Man muss lediglich entspannt sein und sich darauf einlassen. Ich finde Sexszenen allerdings nur dann interessant, wenn sie etwas zu erzählen haben und Teil der Story sind. Einfach nur der Nacktheit wegen nackig rumlaufen, ist uninteressant.

Wie bist du an die Rolle gekommen?
Über meine Agentur. Die Casterin, die den Film besetzt hat, hat mich in einem sehr exzessiven Theaterstück gesehen und mich daraufhin empfohlen. Dann kam die Anfrage, dass man mich wollte, ich musste nur einwilligen, mich auszuziehen und Sex im Türrahmen zu haben.

Haben die vielen Mitarbeiter nicht gestört?
Das Team bestand aus internationalen Mitarbeitern, die alle sehr professionell, super konzentriert und ganz ruhig arbeiteten, so dass man sich als Schauspieler Stück für Stück entspannen konnte und sich auf das konzentrierte, was man zu tun hatte.

Wenn du dich in eine Person der Vergangenheit oder Zukunft switchen könntest, wer würdest du sein?
Ich glaube, ich wäre gerne ein Steinzeitmensch, der nur seine primären Bedürfnisse kennt: Essen, Sex, Schlafen und mit der Keule rumlaufen. Man wäre viel in der Natur, alles ist frisch, grün und lebendig und man hätte den Kopf nicht mit Themen wie Umweltkatastrophen voll, da alles noch sauber, ursprünglich und unzerstört ist.

Jonas Baeck // © vvg

Welchen Einfluss hat das Wetter auf dich, vor allem, wenn die Sonne rauskommt?
Dann entstehen schon Ideen, wo ich mal wieder hinreisen könnte. Ich habe zwar keinen Roller mehr, dafür aber ein blaues Wohnmobil. Die Reise in meinem Buch „Wenn die Sonne rauskommt, fahr ich ohne Geld" war sehr spontan. Ich war naiv und völlig verknallt. Diese Power hat mir den Mut verliehen, einfach mal ein Held zu sein und ohne Kohle und Handy mit dem Roller quer durch Europa zu düsen. Hätte die Sonne damals nicht geschienen, wäre die Reise mit Sicherheit anders verlaufen. Zum einen hätte ich Geld mitgenommen, zum andern wäre daraus wahrscheinlich kein Buch entstanden. Die Großartigkeit der Reise lag in den außergewöhnlichen Zufällen und Begegnungen mit all den Menschen, über die ich in meinem Buch berichte.

Würdest du heute – 14 Jahre später – nochmal so sorglos aufbrechen?
Inzwischen bin ich 37 Jahre alt und ruhiger geworden. Die Sehnsucht nach so einem Abenteuer ist auf jeden Fall noch da, aber ich weiß auch, dass man so etwas nicht einfach wiederholen kann. Ich bräuchte eine unglaubliche emotionale Überzeugung, sonst hätte ich nicht die nötige Kraft.

Wie ist dein Verhältnis zur schwulen Szene?
Ich habe einige schwule Freunde und mit 17 bin ich oft auf schwule Parties gegangen, weil da die Stimmung immer besonders gut war. Aber was für euer Magazin vielleicht interessant wäre: Ich habe meinen ersten Kuss von einem Freund bekommen, als ich 16 war. Er war schwul und hat mich einfach geküsst. Ich hatte keine Erfahrung und war eher schüchtern und nach dem Kuss völlig überrascht und verwirrt. Mir gingen Gedanken durch den Kopf wie „Aber wir sind doch Freunde?“ und „Bin ich jetzt schwul?“. Dabei war ich mir sicher, nicht schwul zu sein. Irgendwie war es aber auch schön und eine wichtige Erfahrung. Das Seltsame war, dass er mich immer, wenn wir uns trafen, küsste. Er hat es immer wieder forciert, dass es passierte; er war ein wahnsinnig guter Verführer. Irgendwann ging mir das aber auf die Nerven. Wer war ich, dass er mich zu etwas brachte, was ich eigentlich nicht wollte. Erst ein paar Jahre später konnte ich mich revanchieren – oder sollte ich sagen: rächen. Ich bin - übrigens mit demselben Roller aus meinem Buch - nach Klingelbach gefahren, wo er noch wohnte, und habe ihn auf seiner Arbeitsstelle besucht. Er war völlig fassungslos und total erstaunt, mich zu sehen. Ich bin auf ihn zugegangen, habe ihn mir geschnappt und habe ihn geküsst. Damit hatte ich die noch offene Rechnung beglichen und wir waren endlich quitt.

Du bist doch ein schnuckeliges Kerlchen, keine weiteren homoerotischen Erlebnisse?
Ich habe jedenfalls nie irgendwelche übergriffigen Handlungen erlebt, weder von einem Mann noch von einer Frau. Das hat wohl etwas mit Haltung und Klarheit zu tun. Ich bin ja nicht nur schnuckelig, ich kann auch ganz klar und deutlich werden und das wird akzeptiert.

Erinnerst du dich an dein „Erstes Mal“?
Ja, ich war 17 Jahre alt und sie war meine erste große Liebe. Natürlich war ich auch da aufgeregt, aber anders als beim Filmdreh. Mit ihr war es etwas ganz Intimes; im Film war das letztlich nur ein Job. Aber wie gesagt, beides war aufregend.

Auf jeden Fall konntest du schon küssen… Über was kannst du dich amüsieren?
Über die Absurdität des Daseins. (lacht)

Als Gegenteil: was macht dich traurig?
Wenn durch Mißverständnisse innerhalb meiner Familie keine Lösungen für Konflikte gefunden werden. Und wenn ich sehe, wie schön unsere Welt doch ist und wir sie dennoch zu Grunde richten.

Was bringt dich zur Weißglut?
Deutsche Autofahrer und das nicht nur, weil ich Rollerfahrer bin. Wenn man z.B. aus Holland, wo alle sehr entspannt fahren, nach Deutschland kommt, denke ich oft: „Wollt ihr euch alle umbringen?“ Es geht mir allerdings auch so, wenn ich dann selbst mal Auto in der Rush Hour fahre, nimmt meine Toleranz deutlich ab und ich fluche auch mal leidenschaftlich vor mich hin. Vielleicht sollten Deutsche einfach alle Rollerfahren.

Was bereitet dir Angst?
Ich habe sehr viele Ängste. Manchmal habe ich Angst vorm Tod, manchmal vor der Zukunft, vor dem Altwerden, vor dem nächsten Tag, dass alles den Bach runter geht, privat und gesellschaftlich, Angst vor zu viel Anerkennung, Angst vor zu wenig Anerkennung. Dann wieder habe ich gar keine Ängste und fühle mich frei. Aber das ist ein Ding meiner täglichen persönlichen Verfassung.

Wie stellst du dir dein Leben in 30 Jahren vor?
Dann wäre ich 67. Ich hätte drei Kinder, aber die wären dann schon erwachsen. Ich würde mit denen und meiner Liebsten an einem sehr schönen Ort wohnen. So ein bisschen wie bei Astrid Lindgren: So ein Hof, wo auch andere coole Leute wohnen. Mit einem großen Garten und ich würde mich an der Schönheit des Lebens erfreuen.

Wird dein Buch verfilmt?
Es gibt tatsächlich einen Regisseur, der sich gerade Gedanken macht, ob mein Buch für eine Verfilmung geeignet ist. Genaueres kann ich nicht sagen; wollen mal sehen, was daraus wird.

Lieber Jonas, wo kann man dich demnächst hören und sehen?
Ich lese aus meinem Buch demnächst am 5. April, 19.30h im Gasthaus Wildwechsel in Köln, am 4. Mai, 18h bei der 1. Kölner Literaturnacht im „Der andere Buchladen“ und am 16. Mai, 20h, in der Kölner Südstadt im Büdchen Casablanca. Im Solostück „Ukulele Jam“ bin ich am 27. und 28. April im „Theater im Bauturm“ in Köln zu erleben.

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