Im Interview Ingmar Stadelmann In jedem steckt ein wenig SCHWULISSIMO
Ingmar Stadelmann ist ein Stand-up-Comedian und Radiomoderator. Derzeit steht er mit seinem dritten Programm "Fressefreiheit" auf Deutschlands Bühnen.
Ingmar, du hast im letzten Jahr noch vormittags bei 1 Live mit Thorsten Schorn moderiert, momentan moderierst du 2 x im Monat mittwochs Nachmittag mit Luke Mockridge die Sendung „2 live in 1 Live“. Wir haben beide beim Knutschen erwischt: Thorsten Schorn mit Guildo Horn und Luke Mockridge mit Faisal Kawusi. Wer wäre dein Lieblings-Knutsch-Partner?
Mit Luke würde ich auch gerne rummachen, mit dem wollen doch alle. Ich würde mir aber wünschen, dass er schlechter küsst, als er aussieht. Ich habe aber mal vor Jahren auf einer Hip-Hop-Party Radiomoderator Sebastian Radtke mit Zunge geküsst, was für die Hip-Hopper ein schwerer Schlag war.
Dienstags Nacht präsentierst du von 23-01 Uhr die "lateline". Was ist schwieriger, tagsüber oder nachts Hörer zu unterhalten?
Schwierig ist das nicht, ich habe das ja von der Pike auf gelernt und weiß daher, wie so was funktioniert. Aber nachts sind die Gespräche intimer, allein schon durch die Intimität der Nacht. Da erfährt man Sachen, die dir Menschen tagsüber nie erzählen würden. Ich hatte mal das Thema: Vervollständige den Satz "Man sieht es mir nicht an, aber...", worauf mir jemand antwortete "ich bin schwul.“ Dadurch entstand eine Diskussion um die Angst vor dem Outing. Interessant wurde es erst, als sich der Anrufer als Nazi outete.
Wie würdest du die Frage beantworten?
Man sieht es mir nicht an, aber ich bin eigentlich sehr liebenswürdig. Mir wird nämlich oft Zynismus unterstellt.
In der "lateline" trägst du den Spitznamen "Kindliche Kaiserin"; wie viele kindliche & wie viele frauliche Anteile stecken in dir?
Wenn ich klischeehaft antworte, muss ich gestehen, dass ich handwerklich komplett behindert bin; aber ist das eine männliche oder weibliche Eigenart? Ich kann nichts im Haus, da bin ich eine totale Prinzessin. Ich habe auch sehr zarte Hände, weil ich nie richtig gearbeitet habe. Was das Kind im Manne betrifft: ich versuche, mir eine kindliche, bestimmte Naivität in meinem Denken zu bewahren; ohne dabei unrealistisch zu werden, weil das der Kreativität guttut.
Warst du als Kind schon ein Spaßvogel?
Nein, ich war nie der Alberne. Bei mir war es ab der 11. Klasse so, dass die Lehrer immer auf Kommentare von mir gewartet haben, weil ich alles gut und lustig kommentierte. Mein Deutschlehrer hat mir beigebracht, dass das Reflektieren das Entscheidende ist; dass man einfach über die Sache diskutiert.
Was wolltest du ursprünglich werden?
Ich wusste mit 16, dass ich das machen wollte, was ich heute mache. Da es damals aber keine Ausbildung für Stand-um-Comedy gab, dachte ich irrtümlich, ich muss erst Schauspieler werden, um auf die Bühne zu kommen. An der Uni der Künste in Berlin hat man mir aber ein deutliches Feedback gegeben: „Schauspieler sind sie nicht. Aber als sie sich vorstellten, war das sehr lustig. Gehen sie den Weg in Richtung Selbstdarsteller; da gehören sie hin."
Deine 1. Comedy-Bühnen-Show hieß „Was ist denn los mit den Menschen.“ Gibt es Unterschied zwischen Radio-Hörern und Theater-Besuchern?
Zur Bühnenshow kommen Leute gezielt, man hört sich an, was monologisiert wird. Wenn sie Radio hören, komme ich zufällig in ihr Leben - die wenigsten entscheiden sich aktiv dafür. Im Theater sitzt man im öffentlichen Raum, es fehlt die Anonymität, da ist man gehemmter, wenn ich Leute anspreche. Im Radio ruft man mich an, man bleibt optisch anonym und ist freier zu reden.
Deine 2. Show war: „#humorphob“. Wie reagierst du, wenn in den Shows Leute sitzen, die zum Lachen in den Keller gehen?
Man weiß ja nicht, ob die zum Lachen in den Keller gehen. Ich bin der Einzige, der sie von der Bühne aus sieht. Da musst man sich frei von machen. In der ersten Shows kam das noch häufiger vor. Inzwischen kennen die Leute meinen Humor, wem der nicht gefällt, kommt erst gar nicht.
Deine aktuelle Show heißt „Fressefreiheit“, mit der du gerade Premiere hattest. Bei welchem Thema hältst du dich denn bedeckt – um nicht zu fragen: Wann hältst du die Fresse?
Fressefreiheit beinhaltet ja auch das Recht, nichts zu sagen. Aber eigentlich gibt es kein Thema, wenn es zur Comedy taugt, wo ich nichts zu zu sagen hätte. Und man kann auch mit einer gut gesetzten Pointe einen Lacher erzielen, ohne etwas auszusprechen.
Du bist immer lustig und cool drauf, kannst du auch weinen?
Natürlich; jeder der lustig sein kann, besitzt auch die Fähigkeit, zu weinen. Das Eine gibt es nicht ohne das Andere. Entweder man hat die emotionalen Ausschläge, dann kann man beides, oder man ist limitiert, dann kann man weder lachen noch weinen. Und wenn man depressiv ist, schlägt das Pendel negativen aus.
Du bist oft Gast bei „Genial daneben“. Wann warst du so daneben, dass es peinlich war?
Für mich gibt es keine peinlichen Momente; die kann ich gut überspielen. Es gibt auch nichts von dem ich denke, das dürfte mir nicht passieren. Ich fände es sogar schön, wenn Dinge geschehen, die auch mich überraschen und mit denen ich nicht rechne. Aber als junger Mann lag ich mal mit einer Freundin im Zelt und musste feststellen, dass ich die „Maler im Keller“ hatte - „Durchfall durch zu viel Alkohol“ - das war peinlich.
Hast du Ängste?
Die kann man zusammen fassen auf Flugangst und Finanzamt. ? Auf keinen Fall vor dem älter werden. Das finde ich eher geil, weil die besten Komiker auf diesem Planeten alle um die 50 sind. In dem Job ist man im Alter einfach besser, weil man da mehr Erfahrung, mehr Routine und mehr vom Leben zu erzählen hat. Der Themenkatalog eines 20jährigen reicht doch nur bis zur Schulzeit. Wenn der über Beziehung, Gesellschaft und Religion spricht, wirkt das unglaubwürdig; der hat doch noch nichts erlebt. Ich habe auch keine Angst vorm Sterben. Es ist nur die Angst, zu früh zu sterben. Also wenn nächste Woche bei mir das Licht ausginge, wäre mir das zu früh.
Was ärgert dich?
Wenn Leute ignorant gegenüber Fakten sind. Wenn sie glauben, mit ihrer Meinung könnten sie Fakten verändern und nicht erkennen, dass Fakten die Meinung verändert.
Machen wir aus „#humorphob" ein „homophob": Vor Jahren mussten Schwule für derbe Pointen herhalten, ist schwul heute noch ein Thema in der Comedy?
Ja, schon, aber das hat sich ja schon gewandelt. Ich selbst stelle auf der Bühne sogar meine eigene Sexualität in Frage und lasse das auch für die Leute im Ungewissen. Ich greife damit niemanden an, sondern gebe eher das Gefühl, dass es völlig okay ist, wenn man frei darüber nachdenkt, was man selber ist oder wie man fühlt. Und dass in jedem ein wenig SCHWULISSIMO ist.
Wie ist dein Verhältnis zur schwul-lesbischen Szene?
Meine Lieblingscafes liegen im Schwulenviertel und eine Zeitlang war ich viel mit Nina Queer unterwegs. Als ich als kleiner Ossi-Junge von Sachsen-Anhalt nach Berlin kam, habe ich nicht darüber nachgedacht, dass es da anders als im Osten sein könnte. Eines Tages kam ich von der Uni zurück und sah eine Menge Leute, die eine Straßen-Party feierten, ohne zu wissen, dass es sich hierbei um das schwul-lesbische Straßenfest in der Motzstrasse handelte. Ich also hin, merkte aber relativ schnell, was etwas anders war: Ich stellte fest, die gucken so, wie ich gucke, wen ich Frauen jage und wusste, hier bin ich nicht Jäger, sondern der Gejagte. Das war ein mir völlig unbekanntes Gefühl. Dann entdeckte ich eine Frau, die ich ganz sexy fand. Als ich ihr am Bierwagen einen Mochito ausgab und ihr Komplimente machte, sagte sie, dass gar keine echte Frau sei. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich immer ganz naiv gedacht hatte, so etwas würde ich doch sofort bemerken. Wir haben uns dann 2 Stunden lang unterhalten und sie erzählte mir, dass sie nur auf schwule Männer stehe; was mir unverständlich war. Da wusste ich, dass ich mein Weltbild vollkommen umdrehen und ein paar Sachen, Dinge, die ich aus der Kleinstadt mitgebracht hatte, überdenken muss.
Nette Story, hast du noch eine auf Lager?
Mein Kumpel aus Magdeburg besuchte mich und wir stießen am Prenzlauer Berg auf eine Gruppe Männer, die so aussahen, wie er sie als Skinheads aus Magdeburg kennt. Er meinte, dass wir die Straßenseite wechseln sollten und ich fragte, was er für Probleme mit Schwulen hätte. Als die dann auch noch anfingen zu knutschen, grinste er und meinte: „Wenn die in Magdeburg wüssten, dass die Schwulen in Berlin so aussehen wie sie, würden sie doch sofort ihr Outfit ändern.
Hattest du außer deinem Zungenkuss auch andere homoerotische Erlebnisse?
Ich hatte schon Sex mit Frauen, wo sich hinterher herausstellte, dass das gar keine waren. Ja, das ist schon passiert in meinem Leben. Und da war kein Alkohol im Spiel. Ich bin generell nüchtern beim Sex; ich mag schon wissen, was ich tue. Ich nehme auch keine Drogen. Was den Sex angeht, bin ich schon experimentierfreudig und offen, um nicht ins Detail zu gehen. So Pubertätsspielchen wie Weitpinkeln und Schwanzvergleiche kennt ja jeder. Damals in meiner Schule war angesagt, sich gegenseitig in den Sack zu boxen. Und wir haben Wrestling-Spiele gemacht, das war sehr homoerotisch, weil wir dabei halb nackt waren. Und das Schlimmste: Wir haben davon sogar Videos gedreht. Wenn die irgendwo auftauchen, habe ich ein Problem. (lacht)
Ich frage Google mal danach. Übrigens, wie haben deine Eltern reagiert, als du dich als „heterosexuell“ geoutet hast?
Ich bin mir da gar nicht sicher, dass meine Mutter davon ausgegangen ist, dass ich heterosexuell bin. Ich glaube, kurzzeitig hat sie auch was anderes vermutet.
Du hast ja deinen Weg gefunden; lebst du denn als Single in Berlin?
Den Weg gefunden ist gut Nein, ich bin in sehr festen Händen. Also die Freundin, die ich in meinem Programm erwähne, die gibt es tatsächlich.
Du hast auf die Frage: “Auf einer Scala von 1 –10: wie sexy bist du?“ die 11 genannt. Was ist an dir denn so sexy?
Oh Gott; vielleicht ist mein stark antrainierter Körper ein Gewinnerpunkt. Die Form des Auftretens? Nicht ganz dumm zu sein? Oder sympathisch zu wirken; ob man das dann ist, ist die andere Frage. Es gibt Leute, die sagen, Humor macht sexy. Aber wurde Karl Dall dadurch sexy?
Welche Wünsche stehen für 2019 an?
Ich möchte bis Mitte April eine erfolgreiche Tournee abliefern; damit die Leute sagen, das war eine geile Comedy-Show, die noch besser war, als die vorherige. Darauf bereite ich mich vor. Ab Januar fangen dann wieder Aufzeichnungen für die 3 Staffel von „News mit Ingmar Stadelmann" an, die ab Februar um 21 Uhr auf Comedy Central ausgestrahlt wird. Das ist ein ähnliches Format wie die „Heute Show“, in der Themen humoristisch abgearbeitet werden. Darauf freue ich mich schon sehr.