Im Interview Edson Cordeiro
Edson Cordeiro ist ein brasilianischer Sänger und Countertenor. Er hat eine stimmliche Gesangsbreite von vier Oktaven. Deshalb wird er oft „das 8. Weltwunder“ genannt. Momentan ist er mit seinem aktuellen Album „Fado“ auf Tournee und wird am 08. Oktober in der Laeiszhalle in Hamburg auftreten. Er hat sich trotzdem Zeit genommen uns ein paar Fragen zu beantworten.
Bist du sehr aufgeregt vor einem Auftritt? Wie bereitest du dich vor?
Ich bin seit 30 Jahren aufgeregt, seitdem ich meine Karriere begonnen habe. Ich habe gelernt, damit umzugehen. Ich muss so ruhig bleiben, weil meine Nervosität sonst den Gesang stört. Ich bereite mich seelisch und physisch auf ein Konzert vor. Das Wichtigste ist, dass ich ausgeruht bin und gut geschlafen habe. Danach beginnt eine lange Prozedur mit Übungen zum Aufwärmen der Stimme.
Du hast ja sehr viel Stress zwischen den ganzen Tourneen und Auftritten. Hast du überhaupt noch Zeit für Privates?
Für mich arbeitet ein wunderbares Team, dass dafür sorgt, dass ich trotz Tourneen und Reisen nicht zu viel Stress habe. Ich sorge mich immer nur um meine Stimme, für die ich allein die Verantwortung trage. Ich habe ausreichend Raum für mein Privatleben, für meine Familie in Brasilien und für meinen Mann in Deutschland. Meine Ehemann Oliver ist ja auch mein europäischer Manager und so touren wir viel gemeinsam.
Du hast in der Vergangenheit auch viel geschauspielert. Wolltest du ursprünglich mal Schauspieler werden und hättest du jetzt mal wieder Lust in einem Stück mitzuspielen?
Ich war immer Schauspieler in Musicals. Es stand also immer die Musik im Vordergrund. In meinen Shows bringe ich meine schauspielerischen Fähigkeiten in jedes Lied mit ein. Wenn mir jedoch jemand eine interessante Rolle nur als Schauspieler anbietet, würde ich das gern versuchen.
Auf deinem Album „Contratenor“ sind auch viele Stücke von Händel, Bach und Mozart zu finden. Hättest du einen von ihnen gerne mal kennengelernt?
Natürlich, das wäre fantastisch! Stellt euch vor, ich könnte heute mit Mozart reden! Ich würde ihm sofort erzählen, wie erfolgreich er heute ist, dass die ganze Welt seine Musik kennt und liebt. Er hätte es mehr als verdient, das zu erfahren! Und die anderen Komponisten natürlich auch. Zu Lebzeiten hatten sie oft schwer zu kämpfen, Mozart zum Beispiel starb verarmt – vielleicht hätte keiner damit gerechnet, ein „Klassiker“ zu werden. Deswegen ist mein Credo immer: Zeigt den Künstlern zu Lebzeiten, wie sehr ihr sie liebt, nicht erst, wenn sie gestorben sind!
Du wurdest ja auch schon „das 8. Weltwunder“ genannt. Was geht bei solchen Sätzen in dir vor?
Mit solchen Titeln ist es wie mit Kose- oder Spitznamen, man kann nichts dagegen machen. Also freundet man sich am besten damit an. Ich bin dankbar und akzeptiere diesen Titel, aber ich fühle mich auch wie eine Sehenswürdigkeit, wie eine touristische Attraktion.
Dein aktuelles Album heißt „Fado“. Was denkst du selbst über dieses Album? Ist es deine bisher beste Platte?
Ich bin jetzt 50 Jahre alt und habe die Reife und die Lebenserfahrung, Fado zu singen, wie ich es fühle. Deshalb ist es die richtige Platte zum richtigen Zeitpunkt in meinem Leben. Die Texte der Fados sind reine Poesie und sehr tief. Wir haben die großen Interpreten wie Amàlia Rodrigues, die Aufnahmen hinterlassen haben, mit denen wir uns vergleichen müssen. Ich bin sehr glücklich mit dem Album und dass ich es mit den besten Musikern in Porto aufnehmen konnte, an der Quelle des Fado. Die Platte ist auch in Brasilien ein großer Erfolg, wir haben gerade ein Fernsehspecial dazu gedreht. „Fado Tropical“.
Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Edson Cordeiro im September 2017 geführt.