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Bettina Böttinger // © vvg

Im Interview Bettina Böttinger

vvg - 10.04.2015 - 11:00 Uhr

Bettina Böttinger gehört zu den profiliertesten Talkshowmoderatoren des deutschen Fernsehens. 1993 ging die gebürtige Düsseldorferin mit „B. trifft …“ auf Sendung. Es folgten die Shows „Böttinger“ sowie ihre aktuelle Talkshow „Kölner Treff“, mit der sie seit 2006 jeweils freitags im WDR Fernsehen zu erleben ist. Außerdem moderiert sie einmal monatlich die WDR-Gesprächssendung „West ART Talk“ – und führt seit zwei Jahren durch die WDR-Reportagereihe „B. sucht“. Bettina Böttinger ist Geschäftsführerin der Produktionsfirma Encanto. Ehrenamtlich unterstützt sie unter anderem die Hilfsorganisationen medica mondiale e.V. und burundikids e.V.

Seit über zwanzig Jahren bist du durch eigene Sendungen, vor allem Talk-Shows, deutschlandweit bekannt. Wie bereitest du eine Sendung vor, welchen Einfluss hast du auf deine Gäste und wer steht ganz oben auf deiner Wunschliste.
Mein Team, d.h. die einzelnen Redakteurinnen und Redakteure, haben je einen Gast, auf den sie sich in einem ausführlichen, persönlichen Gespräch und mit allgemeinen Recherchen vorbereiten und mir dann ein etwa 10-seitiges Dossier vorlegen. Donnerstags ziehe ich mich immer zurück und habe dann den ganzen Tag Zeit, in den Büchern zu lesen, Filme zu gucken, Musik zu hören – je nach dem, was die Gäste so tun. Mein Team und ich arbeiten schon sehr lange zusammen und wissen um ganz spezielle Vorlieben und Haltungen. D.h. gegen mein Veto kommt kein Gast in die Sendung und meine persönliche Wunschliste wird je nach dem, was in der Welt so vor sich geht, aktualisiert.

Gibt es Tabu`s, die du in deiner Sendung gerne aufbrechen würdest? Und welches Tabu-Thema würdest du nie zulassen?
Tabu ist lediglich die Einladung eines rechtsradikalen Politikers, aber das kommt in einer Unterhaltungstalkshow eh nicht zum Tragen.

Deine Gäste sind z.B. Polizeibeamte, also echte Kerle, die stricken. Wie viele männliche Anteile stecken denn in dir?
Ich glaube, für ein Mädchen war ich dann doch ziemlich wild und ich liebe auch bis heute alles, was schnell ist: Skifahren, Motorräder, Autos… Aber ehrlich gesagt, mache ich mir um diese Abgrenzung weibliche/männliche Anteile ziemlich wenig Gedanken.

Was ist mit Singen? Birgit Schrowange deutete kürzlich mal bei dem Thema an „da haben wir etwas gemeinsam“?
Ich hatte neulich in der Fernsehsendung „Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Bettina Böttinger“ die Möglichkeit, einen etwas absurden Schlager zu singen. Das war wahnsinnig komisch, hat wirklich Spaß gemacht, bewies aber vor allen Dingen eines: Ich kann nicht singen!

Welche Musik hörst du und wie heißt die letzte CD die du dir gekauft hast?
Ich höre am allerliebsten Musik von Johann Sebastian Bach. Die letzte von mir gekaufte CD ist von der wunderbaren Pianistin Anna Gourari und heißt „Visions Fugitives“ (Prokofjew, Medtner, Chopin).

Wir hätten mit „Who let the dog out?“ gerechnet, denn du zeigst ja durch deine Tier-Duku-Soaps das du für alle Fälle ein Herz für Felle hast. Wenn du ein Tier wärst, wärest du ein .....   ( B.B. Sendungen heißen: „Ein Heim –“ / „Ein Doc –“ / „Eine Couch –„  und „Ein Team für alle Felle“)  
Wenn ich ein Tier wäre, wäre ich, glaube ich, dann doch ganz gerne ein Dackel bei mir. Schließlich ist mein „Finchen“ ein vollwertiges Familienmitglied, wird gut gehalten, ständig bespaßt, bekommt Spitzenfutter, schläft im Bett und hat das Sagen. Gibt es ein schöneres, tierisches Leben?

Was können unsere Leser tun, um in deiner Sendung live dabei zu sein?
Wir werden durch die Zuschaueragentur people&more betreut. Also: Ins Internet gucken und die Agentur people&more anschreiben oder anrufen usw.

Du bist(warst) Moderatorin bei der „lit.cologne“ im März – und stellst David Behre mit seinem Buch „Sprint zurück ins Leben“ vor.
(David hatte 21jährig bei einem Zugunglück beide Unterschenkel verloren und bei den Paralympics in London Bronze geholt.) Du sprintest durch dein Leben, hat es auch Momente gegeben, wo du durch äußere oder innere Umstände mal alles hinwerfen wolltest?

Ich bin, glaube ich, ziemlich diszipliniert und wollte bis jetzt noch nie irgendetwas hinschmeißen. Das liegt aber auch daran, dass ich ziemlich viele Dinge unabhängig voneinander mache. Mein Beruf lässt mir viele Möglichkeiten offen, ich moderiere mit großem Vergnügen weiterhin am Freitag den „Kölner Treff“, entwickele Fernsehformate und habe ein motiviertes, sympathisches Team. Abgesehen davon  interessiere ich mich privat für viele andere Dinge, die mich ausfüllen: Literatur, Kunst, vor allem aber auch gutes Essen und Trinken. Trotzdem habe ich immer eine gewisse Unruhe in mir, dass da noch irgendetwas Sinnstiftendes fehlt.

Wovor hast du Angst?
Vor Rassismus und Krieg!

Wir erleben dich immer gutgelaunt, attraktiv und selbstbewusst. Wann fährt Bettina Böttinger mal aus der Haut?
Na ja, immer gutgelaunt ist nun auch übertrieben… Ich bin ungeduldig. Dass ich ständig auf der Suche nach meinem Portemonnaie oder/und dem Autoschlüssel bin, geht mir ziemlich auf die Nerven und lässt mich regelmäßig fluchen.
 

Bettina Böttinger // © vvg

Wann hast du das letzte Mal geweint – und warum?
Beim Lesen des Buches „Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler. In diesem Buch geht es letztlich um die Frage, wie viel ein Mensch auszuhalten imstande ist, ohne an den Glauben an sich selbst und an das Leben zu verlieren. Als jener Andreas Egger, die Hauptfigur des Romans, dann noch durch eine Lawine sein ganzes Glück verliert, seine Frau Marie, erschien alles nur noch todtraurig.

Du warst mit Klaus Nierhoff  zusammen offizielle BotschafterIn für die im letzten Jahr stattfindenden Hirschfeld-Tage (Hirschfeld Tage für die Arcus- Stiftung). Innerhalb der Szene nimmt man dein Engagement sehr stark wahr, bei deinen eigenen Sendungen scheinst du dagegen zurückhaltend zu sein. Warum?
Weil ich versuche, als Mensch immer diskret zu sein und ich mich in meinen eigenen Sendungen ohnehin persönlich zurückhalte.

Hast du auch den Eindruck, unser Kämpfen für Offenheit und Toleranz erlebt ein Roll Back?
Ich glaube leider daran, dass die Decke der Zivilisation dünn und brüchig ist - Stimmungen können sehr leicht kippen und wenn ich mir die anwachsende Aggression vieler Menschen, nicht nur bei ihren Interneteintragungen, angucke, sind Hemmschwellen deutlich gesenkt. Und wenn ich dann noch darüber nachdenke, mit welchen Menschen und mit welchem Familien- und Menschenbild beispielsweise die AfD jede Menge Wählerstimmen ködert, wird mir angst und bange.

Du warst Botschafterin der GayGames 2010 in Köln? Wie aktiv bist du selbst in welcher Sportart?
Ich bin immer schon sehr sportbegeistert. Früher habe ich regelmäßig Tennis gespielt, mittlerweile spiele ich Golf, wofür mir aber leider meistens dann doch die Zeit fehlt. Ich jogge seit vielen Jahren, bin auch mal den „Köln Marathon“ gelaufen - einer im Leben reicht allerdings. Außerdem betreibe ich Yoga, aber das ist bekanntlich nicht nur was für den Körper.

Im Film „Julian – junge Liebe anders“, den engagierte Jugendliche des Kölner Jugendzentrums anyway mit jungen Lesben und Schwulen gedreht haben, hast du (wieder) mit Klaus Nierhoff das Elternpaar für den Hauptdarsteller gespielt. Wie war deine Teenagerzeit hinsichtlich des Themas Sexualität?
Das war doch in einer Zeit, in der vieles tabuisiert zu sein schien. Vor allem hinsichtlich des Themas Homo- oder Bisexualität. Insofern würde ich sagen: Es war für mich eine ziemlich harte Zeit, in der ich versuchte, über Irrungen und Wirrungen hinweg, meinen Weg zu finden.

Als Kind wolltest du sein wie....?
Rennfahrer waren meine großen Vorbilder. Wolfgang Graf Berghe von Trips, der da zwar leider schon tot war oder Jochen Rindt. Beide sind bekanntermaßen auf der Rennstrecke gestorben. Ein großes Poster von Jochen Rindt zierte sogar mein Kinderzimmer.

Würdest du selbst gern Kinder haben oder adoptieren?
Ich glaube, wenn ich das Rad zurückdrehen könnte bzw. heute zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich sehr gerne ein oder zwei Kinder haben.

Lebst du als Single oder hast du eine Beziehung?
Ich lebe in einer festen Beziehung.

Wie war das mit deinem Outing?
Abgesehen von der leidigen Geschichte mit Harald Schmidt, hatte ich kein Outing, sondern bin immer sehr selbstverständlich mit meinen jeweiligen Beziehungen aufgetreten. D.h. ich habe kein Geheimnis daraus gemacht, es aber auch nicht für nötig gehalten, mich zu erklären.

Harald Schmidt hat sich dir gegenüber sehr unfair und unverschämt verhalten. Heute ist er out, du talkst immer noch. Stehst du heute über den Dingen?
Das Ganze hat sich im Jahre 1996 ereignet. Für mich ist das Schnee von gestern und ich habe von Anfang an beschlossen, mich öffentlich nicht zu oder über ihn zu äußern.

Hat es eine lesbische Frau in der heutigen Gesellschaft einfacher oder schwerer als ein schwuler Mann?
Da es Frauen ohnehin in der Gesellschaft immer noch schwerer haben als Männer, wäre es einigermaßen unlogisch, wenn es lesbische Frauen leichter hätten als schwule Männer.

Du moderierst im Juli am 25. und 26. das schwul-lesbisches Literaturfestival „Querlesen“ im Walliser Bergdorf Ernen. Wie kam es dazu?
Ich fahre schon seit vielen Jahren einmal im Jahr in dieses wunderbare Bergdorf, das durch ein Musikfestival der klassischen Musik bekannt geworden ist. Der schwule Intendant hatte die Idee, dass wir an einem Wochenende im Juli moderierte Lesungen veranstalten, die sich speziell mit schwul/lesbischer Literatur befassen. In diesem Jahr mache ich das zum 7. Mal. Es ist wunderbar, im historischen Tellenhaus zu sitzen und ein sehr gemischtes Publikum vor sich zu haben. Dorfbewohner, Schwule und Lesben und kulturinteressierte Touristen. Übrigens ist fast jede Lesung ausverkauft und ich bin ein bisschen stolz, dass das Ganze auf sehr hohem literarischem Niveau stattfindet. Im vergangenen Jahr hatten wir beispielsweise Kristof Magnusson, Hans Pleschinski und Carolin Emke zu Gast. In diesem Jahr erwarte ich Alain Claude Sulzer, Friedrich Dönhoff und Christoph Poschenrieder.

Warum ist das so wenig bekannt? Verdient es mehr mediale Aufmerksamkeit oder ist es gut, dass es solche Geheimtipps gibt?
Im vergangenen Jahr gab es einen großen Bericht im Schweizer Radio. Die Autorin hat uns über den „grünen Klee“ gelobt, aber ehrlich gesagt: Viel mehr mediale Aufmerksamkeit wollen wir gar nicht. Schön ist auch, dass viele der Lesenden immer wieder kommen. Jedes Jahr treffe ich dort Kristof Magnusson und Alain Claude Sulzer. Es wird gelesen, diskutiert, gegessen und getrunken. Herrlich!

Wofür hättest du gerne mehr Zeit?
Eigentlich für alles!

Welche politischen Ereignisse beschäftigen dich zurzeit stark?
Die sehr schwierige Entwicklung Europas, damit meine ich den politischen Zusammenhalt in der EU, die Griechenlandkrise gehört dazu, aber natürlich auch die Ukraine. Und darüber hinaus sehr stark die Katastrophe in Syrien und im Irak. Und natürlich wie immer der amerikanische Imperialismus.

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Bettina Böttinger im März 2015 geführt.

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