Ausgequetscht Das Kölner DREI-Gestirn
Drei Männer des „Karnevalsvereins Stattgarde Colonia Ahoi“ sind zum Dreigestirn ernannt worden. Da der Verein aus der Community gegründet wurde, stehen hier erstmals Männer, die auf Männer stehen an der Spitze der närrischen Festivitäten in Köln. Es sind: Hendrik Ermen = Jungfrau Marlis, René Klöver = Prinz René I. und Michael Samm = Bauer Michael.
Prinz René I., müssen wir Sie mit Majestät anreden?
Natürlich nicht. Mein Vorname und ein Du reicht heute, über die Session hinaus - sowie auch danach - vollkommen aus.
Okay, René du warst vor vielen Jahren – übrigens von Reiner Calmund berufen - Torwart bei Bayer Leverkusen; hast du da schon davon geträumt „einmal Prinz zu sein?“
Irgendwann hat man immer mal darüber nachgedacht, besonders, wenn man mit einem Bierchen Karneval feiert. Aber da ich erst 2011 in den organisierten Karneval gekommen bin, war das vorher gar nicht möglich. Jetzt erst nach 13 Jahren ist es soweit. Tatsächlich haben mir Freunde von früher aber geschrieben, dass ich da wohl schon immer von gesprochen habe. Das war mir gar nicht mehr bewusst.
Hendrik, uns wundert zunächst, dass es vor Jahrzehnten schon aktive schwule Fußballer gab! Aber auch: Wie kommt man von Hendrik zu Marlis?
Marlis ist eine Hommage an die Motto-Queen Marie Luise Nikuta. Marlis hat ja in Köln jahrzehntelang die Motto-Lieder geschrieben und gesungen und somit die kölsche Sprache vorangetragen. Sie war es auch, die die „StattGarde Colonia Ahoi“ nach ihrer Gründung an die Hand genommen hat, uns in den organisierten Karneval eingeführt und uns dort Türen und Tore geöffnet hat. Vorher hatte man uns da eher immer ein wenig belächelt; so wie sie das selbst als Frau in ihrer Anfangszeit im männerbesetzten Karneval erlebt hat. Weil Marlis für die Gay-Community immer da war, haben wir ihr zu Ehren der Jungfrau ihren Namen gegeben. Aber ich werde nicht ihre roten Haare haben.
Michael, wir kennen dich aus unserer Nachbarstadt, wie kommt ein Düsseldorfer nach Köln?
Ganz einfach, nach meiner aktiven Zeit in Düsseldorf hatte ich Lust, mal wieder Musik zu machen. Die „StattGarde Colonia Ahoi“ hat eine Musikkapelle und die wurde mir als Schlagzeuger zu meiner neuen Heimat; ich spiele die dicke Trum.
Frau Nikuta hatte anfangs große Probleme sich in der Männerdomäne Karneval durchzusetzen. Gerade ältere Karnevalisten tragen unter schmucken Uniformen altbackene Ansichten. Rechnet ihr mit Anfeindungen?
Michael: Nein, überhaupt nicht. Mittlerweile ist es so, dass wir mitten im Karneval angekommen sind. Schwul-Sein ist da mittlerweile überhaupt kein Thema mehr.
René, habt ihr euch Ziele gesetzt, und wenn welche?
Das war schon Teil unserer Bewerbung. Wenn man sieht, welche Strahlkraft so ein Dreigestirn hat, bekommt man schon automatisch Aufmerksamkeit. Gerade in den Zeiten der gesellschaftlichen Spaltung wollen wir für Werte stehen, für Toleranz und für ein wertschätzendes Miteinander. Und damit treffen wir wohl - egal wo wir auftreten - den Nerv der Menschen.
Michael: Und wir haben diese Position, wo wir das auch artikulieren und thematisieren können. Wir sind jetzt seit einigen Wochen bekannt, werden überall rumgereicht und haben bisher nur positive Rückmeldungen. Man kann sagen: da trifft Herz auf Herz!
René: Egal wo wir hinkommen, wenn wir einmarschieren ist die Stimmung auf dem Höhepunkt. Und wenn wir reden, hören uns die Leute zu. Dann kann man eine Stecknadel fallen hören, das ist schon enorm.
Hendrik, wolltest du nicht lieber Prinz anstatt Jungfrau sein?
Uns war die Rollenverteilung sofort klar und jeder war mit seiner Rolle 100% zufrieden. Der Bauer ist der Standhafte, der Bär unser Beschützer, der Prinz ist der Schöne, der Loyale, der Seriöse, der Repräsentant. Und ich als Jungfrau bin die Quirlige, der Wirbelwind.
Michael, wie wurde aus drei schwulen Männern das Dreigestirn?
Ich habe vor zwei Jahren mein Herz in die Hand genommen und René meine Idee vorgestellt. Er war begeistert und die passende Jungfrau war schnell gefunden. Wir mussten dann unseren StattGarde-Präsidenten überzeugen und am Ende dem Festkomitee eine gute Bewerbung vorlegen. Wir wurden also nicht ausgewählt, weil wir schwul sind! Der Verein reagierte bei der Bekanntgabe mit Jubel und Stolz. Die Freude war groß. dass wir als schwuler Dreier im Olymp des Karnevals angekommen sind. Und es gab weder Neid noch Missgunst.
Ist das euer erster Dreier? (alles lacht)
Diese Frage ist uns bisher noch nicht gestellt worden.
René, was macht ein schwules Dreigestirn anders als ein heterosexuelles?
Gar nichts. Wir versuchen, dass zu übertragen, was wir in der StattGarde auch immer gemacht haben: Emotionen und Freude verbreiten; Lächeln säen und Lächeln ernten.
Hendrik: Ich weiß nicht, ob das anders ist - Wir treffen auf viele etablierte Karnevalisten und da ich mir ganz schlecht Namen merken kann, sind das für mich alles „Hasen“. Als Jungfrau darf ich das.
So betitelt Olivia Jones auch ihre Gesprächspartner. Hast du denn Erfahrungen mit der Frauenrolle?
Hendrik: Die StattGarde feiert jährlich ihre legendäre Kostüm- sprich Damenparty, bei der alle Männer entweder Frauenkleidung oder unsere Vereinsuniform tragen. Da habe ich mich noch nie getraut, mich als Frau aufzubrezeln. Da kann man(n) eigentlich nur verlieren, denn die „Mädels“ sind alle nahezu perfekt in ihren Outfits. Daher wird meine Rolle als Jungfrau meine erste Erfahrung sein, in Frauenkleidern aufzutreten.
Wie wird es in eurer Saison mit euren Partnern ausschauen?
René: Wir werden in dieser Zeit im Hotel in der sogenannten Hofburg des Dreigestirns wohnen, haben viele Menschen um uns herum, die uns in unserer Arbeit unterstützen, während unsere Partner acht Wochen alles alleine managen müssen. Sie dürfen uns aber begleiten und auf Veranstaltungen sein. So sind wir nicht die ganze Zeit getrennt. Sie stehen hinter uns, ohne das geht es nicht, genauso, wie es von beruflicher Seite passen muss, dass man für diese Zeit freigestellt oder beurlaubt wird.
Michael, ein Bauer freut sich schon über dicke Kartoffeln, was sind deine Highlights in der Session?
Ich freue mich vor allem auf die vielen Begegnungen, nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf die in Altenheimen, Kindergärten, in den Kneipen und auf den Straßen. Auf das, worauf ich mich besonders freue, darf ich noch nicht verraten. Das wird eine echte Überraschung.
René: Nachdem uns das Festkomitee als designiertes Dreigestirn erkoren hat, ging es zu einem gemeinsamen Abendessen mit unserer Oberbürgermeisterin Frau Reker. Und am 11.11. waren wir im Historischen Rathaus zur Vertragsunterschrift. Das war schon etwas Besonderes, als wir uns ins Goldene Buch der Stadt eintragen durften.
Drei schwule Männer mischen den Karneval auf – ist das ein Meilenstein in der schwulen Historie?
Hendrik: Für Köln und das Rheinland ist das nicht so herausragend; aber vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation, ist das durchaus schon ein wichtiges Zeichen. Damit unterstützen und stärken wir natürlich die queere Community.
René: Es ist für die Community wichtig und schön, aber es löst keine Sensation mehr aus.
Könnte es theoretisch auch ein weibliches – oder sogar ein lesbisches Dreigestirn geben?
René: Jeder, der sein Schicksal in die Hand nimmt und sich offiziell bei einem organisierten Verein bewirbt, hat auch eine Chance. Was daraus wird, muss man dann abwarten.
Hendrik, muss man als Dreigestirn - und dann noch als Jungfrau – eine Rampensau sein?
Alle: Eindeutig: Ja!
Gibt es Regeln, was ihr dürft und was nicht?
René: Wir dürfen sein, wie wir sind: authentisch und gradlinig. Eine feste Regel ist: Die Jungfrau muss immer rechts von mir und der Bauer immer links von mir stehen. Ansonsten gibt es keine speziellen Verhaltensregeln. Wir müssen präsent sein und das erfordert bei den ganzen Auftritten – der Rekord liegt bei 17 Auftritten an nur einem Tag - auch Disziplin und Durchhaltevermögen. Wir leben da stark nach Protokoll. Alkohol dürfen wir trinken, aber in den acht Wochen brauchen wir auch Kondition, deswegen: Alkohol in Maßen.
Könnt ihr euch nach acht Wochen – die ihr rund um die Uhr zusammen verbringt - noch leiden?
Michael: Davon gehen wir aus. (lacht)
René: Wir sind als Freunde da reingegangen und gehen als Freunde da auch gemeinsam wieder raus. Bisher kann ich klar sagen, dass ich die beiden nicht missen möchte.
Im Wort FasteLOVEnd das Wort LOVE großgeschrieben, wie sieht es bei euch mit LOVE aus?
René: Ich bin seit 1 ½ Jahren verheiratet.
Hendrik: Und ich seit 4 Jahren. Ich habe meinen Mann bei der StattGarde kennen gelernt.
Michael: Ich bin wieder und dadurch nach wie vor Single. Ich sage immer: Bauer sucht Frau ist für mich uninteressant.
Was erwartet ihr für euch von der queeren Community?
René: Wir wünschen uns gern mehr Engagement in jeglicher Hinsicht – gerade von der nachwachsenden Generation – das natürlich auch im Karneval, denn auch das ist eine ehrenamtliche Geschichte, die von vielen fleißigen enthusiastischen Menschen gepflegt wird.
Michael: Und wir würden uns sehr freuen, wenn die Leser und viele aus der Community uns am Zugweg zujubeln und wir sie mit Kamelle und Strüsschen beschmeißen werden.
Karneval findet in einer weltpolitisch kritischen Zeit statt. Seid ihr davon beeinflusst?
René: Ganz entschieden denkt man daran. Wir haben eine gesellschaftliche Spaltung im eigenen Land, um uns herum gibt es Kriege, wachsender Antisemitismus. Der Karneval steht ähnlich wie der Regenbogen für Hoffnung, Friede, Glück und Freiheit – dafür möchten wir stehen – für Werte wie Vielfalt, Toleranz, Respekt, wertschätzendes Miteinander. Viele Probleme wären schon gelöst, wenn wir mit einem Lächeln aufeinander zugehen und sich jeder fragen würde, ob er so wertschätzend mit anderen umgeht, wie er selbst wertgeschätzt werden möchte.