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Spaltung in Polen
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Spaltung in Polen Zehntausende Polen demonstrieren für LGBTI*, dem entgegen stehen unversöhnlich die homophoben Hardliner!

ms - 20.06.2023 - 10:00 Uhr

Die polnische Gesellschaft zeigt sich in diesen Tagen abermals tief gespalten, zuletzt offenbarte das die Pride-Parade am vergangenen Wochenende in Warschau. Während auf der einen Seite Zehntausende Menschen für Gleichberechtigung und Akzeptanz der LGBTI*-Community auf die Straße gingen, brannten an gleicher Stelle Regenbogenfahnen und Menschen beteten für die „verdorbenen Sünder“.

Ein Riss quer durch die Gesellschaft

Die Spaltung Polens ist nicht gänzlich neu, sie wird seit der Einführung der berühmt-berüchtigten „LGBT-freien Zonen“ von der Regierung mit aller Kraft immer weiter vorangetrieben. Immer noch wehren sich einige jener Gebiete standhaft, die Selbstbezeichnung aufzugeben, auch polnischen Gerichtsurteilen oder dem Einfrieren von EU-Geldern zum Trotz. In der jüngsten Umfrage (Pew Research Center) zum Thema gleichgeschlechtliche Ehe sprach sich eine Mehrheit von 54 Prozent der Polen dagegen aus. Dabei zeigte sich auch, dass der Riss in der Gesellschaft auch eine Frage des Alters ist: Während nur 30 Prozent der Einwohner über 40 Jahren sich für die Homo-Ehe aussprachen, taten dies im Gegenzug 61 Prozent der jüngeren Polen.

Keine „Privilegien“ für Homosexuelle

Hilfreich mag das für die LGBTI*-Community kaum sein, denn sie steht nach wie vor im Zentrum dieser oftmals hasserfüllten Debatten, die von der katholischen Kirche und der Regierung immer weiter angeheizt werden. Erst letzte Woche blockierte Polen zusammen mit Ungarn die Festschreibung von besseren Schutzmaßnahmen gegen die Diskriminierung von LGBTI*-Menschen auf EU-Ebene. Für Polens Justizministers Zbigniew Ziobro seien dies nur „Privilegien für Homosexuelle“.

Homosexuelle, eine „Gefahr“ für Kinder

Es gilt zu befürchten, dass auch der Warschauer Pride hier für kein Umdenken gesorgt hat, trotz der beachtlichen Teilnehmeranzahl von zehntausenden Menschen. Zwar stehen in Polen die nächsten Wahlen ins Haus, doch die Regierung ist sich sicher, auf ihre konservative Wählerschaft erneut bauen zu können, die sich mehrheitlich gegen Homosexuelle ausspricht. Man kämpfe weiter gegen grundsätzliche Rechte wie die gleichgeschlechtliche Ehe und erkenne dahinter sowieso nur eine „verdorbene Ideologie“, die traditionelle Familienstrukturen bedrohe und schädlich für Kinder sei, so die regierende nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Internationale Solidarität allein reicht nicht aus

Erstaunlicherweise zeigt sich die Regierung bisher auch gegen jedwede Einflussnahme von außen sichtlich unbeeindruckt, seien das nun diverse Strafmaßnahmen der Europäischen Union insgesamt oder auch die kritischen Stimmen namhafter Politiker wie beispielsweise der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die beim Pride am Wochenende vor Ort war und erklärte: „Wir werden uns nicht von denen beeinflussen lassen, die die Rechte von Frauen, Minderheiten und LGBT auslöschen wollen, und ich möchte Ihnen heute sagen, dass wir in Paris genauso wie in Warschau völlig solidarisch sind und uns mit Ihnen für die Rechte von Transgender-Personen einsetzen.“ Die Worte mögen beruhigen und sicherlich guttun, den Riss in der Bevölkerung vermögen sie indes nicht zu kitten.

Eine Rosenkranzgebet gegen Sodomie

Während Hidalgo sprach, entzündeten homophobe Kritiker Regenbogenfahnen, andere bespuckten siegessicher Schwule und Lesben und verschiedene christliche Gruppen versuchten, die Homosexualität der Teilnehmer „wegzubeten“ – ein Rosenkranz gegen die Sünde der Sodomie. 85 Prozent der Polen sind bis heute katholisch. Und so haben auch jene Gegendemonstranten ein leichtes Spiel, die einmal mehr erklären, alle Schwulen seien pädophil. In der LGBTI*-Community mehren sich indes offenbar die Stimmen, dass eine dauerhafte Ausreise inzwischen die bessere Option sei – gerade junge homosexuelle Polen würden so immer öfter aus Angst vor Gewalt und Diskriminierung das Land verlassen, wie mehrere CSD-Teilnehmer am Wochenende gegenüber der BILD-Zeitung erklärten.   

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