Vorgestellt - Travestie-Expedition Julie Voyage
Julie Voyage, woher stammt der Name?
Mein richtiger Name ist Ken Reise, den Nachnamen habe ich ins Französische übersetzt und der Vorname sollte melodisch dazu passen. Ich fand, Julie hörte sich dazu gut an.
Hättest du „Jolie“ gewählt, wäre „Schöne Reise“ daraus geworden.
Auch nicht verkehrt, aber so weit haben wir vor zehn Jahren gar nicht gedacht. Inzwischen ist der Name Programm, sodass man ihn jetzt nicht mehr ändert.
Seit wann stehst du auf der Bühne?
Mein erster richtiger Auftritt war die Talentshow in der Zicke, die ich glatt gewonnen habe.
Und beim Talent-Streit der Jahressieger gingst du erneut als Sieger hervor. Wie beschreibst du Julie Voyage?
Schräg, schrill, kölsch! Ein kölsches Mädchen mit einem kölschen Herz. Ich hatte schon als Kind in Ründeroth einen Draht zum Karneval. Ründeroth ist ein Ortsteil der Gemeinde Engelskirchen im Oberberg-Kreis in NRW und die letzte Karnevalshochburg, danach kommt nichts mehr. Drei Meter weiter gibt es nur noch Schützenfeste. Da stand schon mein Großvater, bei dem ich groß geworden bin, auf der Bühne. Wahrscheinlich habe ich daher die Bühne im Blut.
Opa stand als Mann auf der Bühne. Wie reagierte er darauf, dass sein Enkel als Frau auftritt?
Als ich mich für einen Auftritt in Köln blütenschön zurechtgemacht hatte – das hatte damals noch den Charakter von Kartoffeldruck im Gesicht und war noch nicht so ausgereift – kam ich verkleidet an ihm vorbei. Er sagte etwa: „Wenn du was machst, Jung, mach es richtig. Und jetzt schnüren wir die Korsage noch mal neu!“ Das war kein Thema, ich glaube, er war eher ein bisschen stolz, dass es auch mich auf die Bühne zog. Auf dem Land gibt es ja keine Feier, bei der man nicht irgendwie zur Unterhaltung beiträgt. Da war Opa immer sehr aktiv. Was das Schwulsein betraf, das war weder ein Problem noch ein Thema. Es wurde nicht darüber gesprochen.
Wie oft suchte Mama ihre Kleider, die du dann in Köln an hattest?
Es gab schon den einen oder anderen Hosenanzug, den ich leider für meine Auftritte brauchte. J
Ken Reise ist als Reiseleiterin in Köln on Tour und das nicht nur im Juli...
Ja, wir fahren tatsächlich kontinuierlich jeden Freitag und ab Herbst sogar in zwei Touren (20:00 und 22:30 Uhr). In „meinen“ Bus passen bis zu 60 Leute.
Bist du gelernte Reisefachfrau?
Nein, ich bin gelernter Landschaftsgärtner und habe als „Tine Wittler“ die Gehege im Kölner Zoo gestaltet. Danach habe ich meinen Veranstaltungs-Meister gemacht. Heute plane und veranstalte ich Programme als Assistent vom Vizepräsidenten des Festkomitees Kölner Karneval.
Fährst du, wie auf dem Foto, den Bus selber?
Um Gottes Willen, das ginge nur bis zur nächsten Kurve gut. Nein, ich bin nur für die Unterhaltung zuständig. Die Tour dauert ca. zwei Stunden, manchmal auch etwas länger. Ich zeige den Leuten Kölns Theaterleben, in denen Travestie entstand. Im „Senftöpfchen“ fing es mit „Follies Parisienne“ an. Im Willi Millowitsch Theater gastierte damals die Gruppe „Chez Nous“. Ich erzähle vom Scala Theater, dem legendären „Timp“ oder den exquisiten Shows im „Star Treff“. Und spanne den Bogen bis hin zum Kölner Rotlicht. Wenn ich davon erzähle und wir dann zusammen „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ singen, steppt sogar der Bus. Eine Pause gönnen wir uns bei Lola im Haus Fox, wo wir ein Eierlikörchen kippen. Alles mit sehr viel Information und Live-Gesang.
Wie hoch ist der heterosexuelle Anteil beim Publikum und welche schwulen Orte fahrt ihr an?
Ich habe zu ca. 90% ein Hetero-Publikum; buntgemischt im Alter von 40 bis 60 Jahren. Hauptsächlich Damen, die auch mal ihre Männer mitbringen. Ich fahre mit denen durch die Schaafenstraße und erzähle, was da so am CSD abgeht, zeige ihnen die „Christmas Avenue“ oder auch die vielen Lokalitäten rund um die Pipinstr.; u.a. das Amadeus, wo einmal im Monat noch ein buntes Show-Programm stattfindet.
Wie reagieren die mitgeschleppten Männer?
Die kommen in der Regel am Ende einer Fahrt und sagen: „Danke, Jung! Wir hatten ja erst Bedenken, was das Ganze soll, aber uns hat das gefallen und wir denken jetzt über einige Dinge anders.“ Die sehen mich nicht als Revue-Else, sondern eher als Entertainer, der seine Rolle authentisch spielt. Das hat dann Unterhaltungswert.
Die haben auch Heinz Rühmann und Peter Alexander in Frauenkleidern geliebt. Was machst du außerhalb deiner Bustouren?
Shows wie runde Geburtstage, Hochzeiten, Galas oder Auftritte bei „Les Panache“. Ich liebe Musik: Zarah, Pop-Hits, Schlager bis hin zur kölschen Musik. Ich bin ein Zoo- und Naturfreund. Und als Ornithologe auch gut zu Vögeln; ich hatte sogar 20 eigene Volieren. Und seit drei Jahren habe ich einen Freund, für den ich so gerne mehr Zeit hätte, wenn er in Köln ist, da er in Frankfurt wohnt.
Jetzt machst du zusammen mit Lola Lametta „Kölns kleinstes Straßenfest“ bunt.
Genau. Wir hatten überlegt, was man machen kann, um das Viertel rund um den Thürmchens Wall zu beleben und aufzuzeigen, wie bunt es ist. Wir haben ein wirklich sehr kreatives, kölsches Programm zusammengestellt, das es in sich hat. Dabei präsentiert das Haus Fox am Wochenende des 3. und 4. Septembers das Big Band Orchester, den Regimentsmusikzug der Bürgergarde „blau-gold“ und einen Männerchor. Dazu treten namhafte KünstlerInnen wie Katja Vera & Candy, Eike Sax, Part of the Art, Trio Mistral, Yilmaz Savas Kutlu, Sophie Russel, Swanee Feels, Madame Gisela, Victoria van Henley und die „Haus FOX“-Wirtin Lola Lametta, die letztendlich die Idee zu diesem Fest hatte, hatte. Als Höhepunkt rockt am Sonntag die erfolgreiche Köln-Band Miljö.
Und du kommst mit dem Bus?
Nein, ich habe die Ehre und darf an beiden Tagen als Moderatorin durch das unterhaltsame und vielschichtige Programm führen. Und da ich den Bus dabei nicht brauche, darf ich sogar etwas trinken.
Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Julie Voyage im August 2016 geführt.