Vorgestellt Gay - Farmer Andy
Andy, du hast eine sehr außergewöhnliche Leidenschaft und einen noch außergewöhnlicheren Beruf. Da sich in Berlin gerade die Folsom-Community traf, fangen wir mit der Leidenschaft an.
Mein größter Fetisch ist in erster Linie „Rubber“, gefolgt von „Workwear“ und „Leder“. 2013 wurde ich sogar zum „Mr. Rub-Club“ gewählt; das ist die Wahl der Rubber-Szene im Rhein-Main-Gebiet, die aber gleichzeitig auch den mittleren und süddeutschen Raum abdeckt. Früher kannte ich die Fetisch-Szene lediglich von ein paar Feten und dem Folsom-Treffen in Berlin. Durch meine Wahl konnte ich die Szene auch mal von einer anderen Seite kennenlernen. Alles in allem war das ein cooles Jahr, das ich nicht missen möchte, weil ich wirklich sehr interessante Menschen kennen gelernt habe.
Du nahmst in diesem Jahr am Folsom-Event nicht teil, denn durch deinen Vollzeitjob hast du nicht immer die notwendige Zeit - weder zum Reisen, noch für die Partys.
Stimmt, in meinem Beruf als Bauer oder Landwirt bin ich freizeitmäßig sehr an meinen Hof gebunden, sodass ich nur selten Treffen besuchen kann. Ich versorge ca. 350 Rinder, davon 140 Milchkühe. Außerdem verlangen 250 Hektar Grünland und Ackerbau enorm viel Zeit.
Wie hat sich ein Stadtmensch so einen Tag im Leben eines Bauern vorzustellen?
In der Regel stehe ich morgens um 6:30 Uhr im Stall. Ich habe zwar einen automatischen Milch-Roboter, der das Melken übernimmt, aber es steht auch jede Menge Arbeit an: die Tiere müssen zweimal am Tag überwacht und gefüttert und die Legeboxen gesäubert werden. Kranke Tiere müssen versorgt werden; hin und wieder steht eine künstliche Besamung an und ab und zu werde ich sogar zum Geburtshelfer. Hinzu kommen die Bestellung von Futtermittel, der Verkauf von Tieren sowie die Bearbeitung vom Grün- und Ackerland. Außerdem stellen wir für Wiederverkäufer Speiseeis her, da muss die Bestellung überprüft, produziert und ausgeliefert werden. Last but not least arbeiten zwei Auszubildende auf dem Hof, um die man sich auch mal kümmern muss.
Lässt sich dein Beruf mit deinem Fetisch in irgendeiner Form im täglichen Farmeralltag verbinden?
In meinem Fall schon. Meinen Fetisch habe ich schon sehr früh entdeckt, da war ich elf oder zwölf Jahre alt. Wenn man auf dem elterlichen Bauernhof aufwächst, wird man automatisch mit Arbeitsklamotten, wie z. B. Gummistiefeln, konfrontiert. Und das fand ich damals schon sehr erotisch und geil. Später fand ich heraus, dass ich mit meiner Leidenschaft nicht alleine dastehe, sondern dass es dafür auch eine Szene gibt.
Die dich dann direkt zu ihrem Mister gewählt hat. Während sich heterosexuelle Berufskollegen bei „Bauer sucht Frau“ eine Lebensabschnittsgefährtin suchen, hat es ein schwuler Bauer sicherlich schwieriger. Wie sieht das bei dir aus? Suchst du noch?
Nein, ich bin seit gut fünf Jahren mit meinem Freund zusammen. Der hat zwar in der nächstgelegenen Stadt seinen Arbeitsplatz, hilft aber in jeder freien Minute und besonders an den Wochenenden nimmt er mir jede Menge Arbeit ab. So eine Beziehung kann auch nur gut gehen, wenn der Freund nicht nur die Leidenschaft, sondern auch Interesse und Toleranz für den Beruf als Bauer mitbringt. Aber es stimmt: Es gibt genügend Männer, die einen Bauern als Freund suchen, ich glaube sogar mehr, als es schwule Bauern gibt. Wenn ich wollte, würde er auch seinen eigenen Beruf an den Nagel hängen, um mit mir ganz auf dem Bauernhof arbeiten. Aber – und das drücke ich jetzt mal vorsichtig aus – die Landwirtschaft, wie ich sie betreibe, und die derzeitigen Preise auf dem Milchmarkt bringen nicht unbedingt die finanzielle Absicherung im Alter.
Wann hast du gemerkt, dass dich Männer interessieren?
Ich fand in der Schule schon meine Klassenkameraden interessanter, aber ich wollte partout nicht schwul sein und habe das erst mal verdrängt. Ich habe auch keinerlei Kontakte zu Gleichaltrigen gesucht bzw. kannte auch keine anderen Jungens, denen es so erging. Auf dem Land ist es halt das Normalste, dass eine Beziehung aus einem Mann und einer Frau besteht. Ich wollte also gegen das Gefühl ankämpfen und habe erst einmal nach einer Freundin ausgeschaut und später auch ein Mädchen geheiratet. Ich hatte auch Sex mit meiner Frau – die Beziehung hatte ja auch gute Seiten: Wir waren beide fleißig, uns ging es gut und irgendwie waren wir in der Region sogar das Vorzeigepaar. Aber innerlich war ich unzufrieden, weil mir sexuell etwas fehlte und das habe ich dann mit meiner Fetisch-Vorliebe kompensiert. Monate nach der Hochzeit habe ich auf einer Plattform nach Männern gesucht. Die ersten drei Dates waren schrecklich, weil das Sexuelle gefühlslos und kalt ablief. Das war eine große Enttäuschung, die mich unsicher machte, ob ich wirklich schwul bin. Allerdings stellte sich das Verlangen nach einer bestimmten Zeit erneut ein und ich begab mich wieder auf die Suche. Und beim vierten Date erlebte ich dann das „Aha-Erlebnis“. Da ich ab dem Zeitpunkt kein Doppelleben mehr führen wollte – ich merkte, das machte mich nur krank –, habe ich mich bei meiner Frau und meinen Eltern geoutet. Das war natürlich für alle erst einmal ein Schock, denn sie waren vorher nie mit dem Thema Homosexualität konfrontiert worden. Aber sie haben mich als Mensch so akzeptiert, wie man sich das wünscht, und wir haben heute noch das beste Verhältnis zueinander.
Danach hast du eine neue ausgewöhnliche Herausforderung gesucht?
Kurze Zeit nach meinem Outing fand ich im Internet eine Gruppe, die sich „Gay Farmer – Schwule & Lesben in grünen Berufen“ nannte. Die trafen sich vierteljährlich zum Erfahrungsaustausch und zu andern geselligen Events. Ich habe so ein Treffen dann mal besucht und fand „Gleichgesinnte“, bei denen ich mich sehr wohlgefühlt habe. Irgendwann wurde ich angesprochen, ob ich bei der Koordination helfen könnte, und später, ob ich den Job des Vorstandes übernehmen könnte – sozusagen als „Präsidentin des schwulen Bauernverbandes“.
Was muss jetzt ein Gay-Farmer tun, um mit dir/euch in Kontakt zu treten?
Er kann Information auf www.gayfarmer.de einholen. Dort kann er über einen Link auch den Ansprechpartner seines Vertrauens finden. Wenn ich kann, bin ich gerne bereit, ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Gay -Farmer Andy im September 2016 geführt.