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Michael Schumacher // © vvg

Im Interview Michael Schumacher

vvg - 05.10.2014 - 10:00 Uhr

Herzlichen Glückwunsch Michael, du bist am 1. Oktober 20 Jahre lang Geschäftsführer bei der AHK.
Am 1. Oktober 2014 bin ich tatsächlich 20 Jahre Geschäftsführer der Aidshilfe Köln. Das waren 20 Jahre mit Kolleginnen und Kollegen, die in den unterschiedlichen Angeboten unseres Hauses tolle Arbeit gemacht haben. Das waren aber auch 20 Jahre, in denen ich für meinen Job das Vertrauen der ehrenamtlichen Vorstände hatte. Für mich vielleicht das Wichtigste: Gemeinsam haben wir darauf geachtet, für die verschiedenen Bedürfnisse passende Angebote vorzuhalten. Dafür stehen z.B. CheckUp in der Prävention, das Frauen- und Familienzentrum, Hivissimo für Arbeit und Ernährung, Beratung in allen Facetten, und vieles mehr. Wichtig war und ist mir, dass unsere Angebote nicht nur professionell sind, sondern auch mit Herz umgesetzt werden.

Wie bist du zu diesem Amt, dieser Anstellung gekommen?
Ganz einfach: Die Stelle war ausgeschrieben, ich habe mich beworben und wurde eingestellt.

Was waren deine persönlichen Höhepunkte, arbeitsmäßig gesehen?
Es ist uns gelungen, neue Angebote zu etablieren. Zu den Höhepunkten gehörten aber auch Menschen, die mir in der Aidshilfe in 20 Jahren begegnet sind.

Wie hat sich innerhalb dieser Zeit der Umgang mit HIV und Aids verändert?
Die Kombinationstherapien haben das Leben mit HIV verändert, vielen Positiven die Angst genommen, Sexualpartner/innen zu infizieren. Die große Hysterie im Umgang mit Menschen mit HIV und Aids ist sicher weg, im Alltag haben sich aber viele Ausgrenzungsmechanismen gehalten.

Früher war man unwissend. Glaubst du, die Jugend ist heute trotz Aufklärung besser dran?
Junge Menschen sind in punkto HIV und sexuell übertragbaren Erkrankungen gut aufgeklärt. Aufklärung macht nicht allein das Internet, da braucht es auch das Gespräch, Vertrauen und den richtigen Rahmen.

Alle wollen Sex, aber keiner kann offen darüber reden.
Über das Bedürfnis nach Sex zu reden, ist scheinbar nach wie vor ein Problem: Sexualität zu leben, ist gleichzeitig so selbstverständlich geworden wie das tägliche Frühstück. Mein Eindruck ist, dass in der Sexualität oft Leistungsdruck herrscht. Manche trauen sich nicht, ihre konkreten Bedürfnisse anzusprechen, Unsicherheiten zu thematisieren, oder auch mal Nein zu sagen.

Aufklärung sollte von den Eltern kommen, aber da gibt es kaum Gespräche. Warum ist Sex ein Tabu-Thema?
Viele von uns stellen in Kontaktportalen fast jede sexuelle Vorliebe ins Schaufenster. Im direkten und persönlichen Kontakt wird dann häufig zu wenig gesprochen. Manche Ratsuchenden sind, glaube ich, heilfroh, dass wir in der persönlichen Beratung eine deutliche Sprache sprechen.

Was bereitet dir gegenwärtig die größten Sorgen?
Mir scheint es so, als ob mehr rechtliche Gleichstellung praktisch zur Ausgrenzung von Menschen, die andere Lebensentwürfe haben, entwickelt. Das macht mir Sorge.

Hat man eigentlich nach 20 Jahren noch Bock, immer wieder den Zeigefinger zu heben?
Die Aidshilfe hebt keine Zeigefinger! Der Erfolg unserer Prävention ist möglicherweise, dass wir den Menschen die Wahl lassen, aber alles dafür tun, dass sie diese Wahl gut informiert treffen.

Wie sieht die Zukunft der AHK aus?
Ich kann ja nicht in die Zukunft schauen! Ich glaube aber, dass wir gerade mit Angeboten wie dem neuen Checkpoint, dem Ausbau von Hivissimo zum Integrationsbetrieb, unseren Wohnangeboten, wie dem Jean-Claude-Letist-Haus und künftig dem Dirk Bach-Haus, etwas für einen tatsächlichen Bedarf bereitstellen.

Die Szene fragt sich, warum die AHK die beliebte Dirk-Bach-„Cover Me“-Veranstaltung aufgeben wird.
Wir sind dankbar für die Unterstützung, die wir von Dirk Bach und Bernd von Fehrn erfahren haben. Für die Organisation eines Konzertes haben wir keine personellen Ressourcen mehr. Wir hoffen, dass sich ein anderer Veranstalter findet, der diese Verantwortung übernimmt.

Unmut gab es auch während der CSD-Gala. Zum einen funktionierte die 3er-Konstallation mit den Moderatoren nicht so perfekt, zum andern fühlten die Leute sich gegängelt, weil gleich für drei Töpfchen gesammelt wurde.
Für die Tonqualität bei der diesjährigen Gala muss ich mich entschuldigen! Nach Spenden für Projekte zu fragen, ist bei einer Benefiz-Veranstaltung gar nicht ungewöhnlich, Spenden sind ja immer freiwillig!

Apropos Gala, seit Jahren geht trotz unterhaltsamem Programm die Veranstaltung meist über Mitternacht hinaus, sodass einige Gäste die Veranstaltung vorzeitig verlassen. Muss das Konzept überdacht werden?
Eines sei hier hoch und heilig versprochen: Um 23:00 Uhr wird das Gala Programm 2015 mit einem großen Finale enden und jeder und jede kann sich dann in die vielen Angebote des CSD in Köln stürzen.

Was wünscht du dir für deine Zukunft?
Ich mache meinen Job als Geschäftsführer der Aidshilfe Köln sehr gern! Ich hoffe also, dass ich diese Verantwortung noch ein paar Jahre übernehmen darf. Und persönlich: Ich habe viel Glück, dass ich für diesen Job genug Energie und viel Freude daran habe. Trotz HIV-Infektion bin ich gesund und munter und lebe in einer Beziehung, die mir nicht selten den Rücken freihält. Für die Arbeit der Aidshilfe Köln wünsche ich mir auch in Zukunft die Unterstützung von Menschen und Unternehmen, sowie aus Politik und Verwaltung. Und ganz ehrlich: Ich freue mich, wenn die Wissenschaft einen Weg findet, das Virus zu besiegen – bis es soweit ist, tun wir unseren Job. Vielen Dank!

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Michael Schumacher im September 2014 geführt.

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