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Im Interview Elke Winter

vvg - 09.04.2018 - 07:00 Uhr

2011 stieg der Comedian im Fummel an Bord der AIDA-Flotte. Seit sie beim Hamburger CSD moderiert und mit ihren Programmen deutschlandweit auf Tournee geht, steigt ihre Beliebtheit und der Grad ihrer Bekanntheit stetig.

Elke, Kritiker zählen dich zu den Top 5 der erfolgreichsten deutschen Travestiekünstler der Neuzeit. Hat die Travestie gesellschaftlich schon den Status der Kunst erreicht oder kämpft man immer noch gegen Vorurteile?
Travestie ist mittlerweile tatsächlich schon zur Kunst geworden. Sie geht ja nicht mehr so wie früher nur hinter verschlossenen Türen über die Bühne, sondern die Leute wollen das einfach sehen und strömen in die Shows. Ich glaube, die Zeit war einfach reif.

Was man am ausverkauften Haus der Düsseldorfer Komödie sehen kann, wo wir dich nicht zum ersten Mal sehen durften. Du bist seit 2006 Stammgast in der „Schmidt Mitternachtsshow“. Was war davor?
Angefangen hat das „Ganze“, als ich 18 war, bei Chapeau Claque in Hannover. Das war eine Theater-Revue im Stile der 30er und 40er- Jahre, wo Männer und Frauen auf der Bühne permanent ihre Geschlechterrollen wechselten. Danach ging es in die Kabaretts. Die Macher der Schmidt-Mitternachtsshow hatten mich irgendwann im Pulverfass gesehen und da sie jemand brauchten, der Comedy und Musik-Comedy macht und auch mal schnell einspringen kann, haben die mich angefragt. Inzwischen habe ich mich da so langsam hochgearbeitet und gehöre seit 2008 zum festen Stamm der Moderatoren.

Als Travestie-Ikone präsentierst du auch die etwas andere Hafenrundfahrt, machst du die „große oder die kleine“?
Es ist tatsächlich die große Hafenrundfahrt, die dauert nämlich 80 Minuten. Auch diese musste dieses Jahr pausieren, weil ich zu viel zu tun hatte. Man braucht auch mal für sich eine kleine Auszeit. Aber 2018 wird es die wieder geben; die Nachfrage danach ist riesig.

Kommt es zu Verwechselungen mit Olivia Jones, die ja auch Stadtführungen macht?
Vielleicht bei den Kiddies. Gerade für die jungen Leute, ist es das Bunte und Schrille, was uns ja ausmacht, sehr wichtig. Olivia und ich sind sehr gut befreundet. Wir kommen uns nicht ins Gehege. Olivia ist ja durch und durch eine Kunst- und Kultfigur, die alles an sich vermarktet – fast alles – und nicht wie ich permanent mit einem zweistündigen Programm unterwegs ist.

Würdest du auch wie sie in den Dschungel gehen?
Ja, aber nur aus einem Grund: dass ich endlich mal ein wenig abnehme. Dafür würde ich sogar bei „Let`s Dance“ mittanzen. Ich habe gerade bei der „Night of Dance“ in Walsrode mit Angelina Kirsch sowie dem Tänzerpaar Oana Nechiti und Erich Klann auf der Bühne gestanden. Angelina hat moderiert, Oana und Erich getanzt und ich habe 2 x 20 Minuten meinen Show-Act präsentiert.

Scherzfrage: Was haben denn Elke Winter und Elke Sommer gemeinsam?
Den Vornamen? Eine kommt aus dem Frankenwald und ist Pastorentochter. Ich stamme aus Niedersachsen und bin Matrosentochter. Vielleicht deswegen auch der Hang zu Hamburg und den Seemannsliedern!?

Und beide sind Sexbomben. Siehst du dich mehr als Dame, Sexbombe oder als Promiflittchen?
Ich glaube, ich sehe von allem etwas, allerdings auch eine gute Freundin. Die Titulierung Promiflittchen hat ja auch mit meinem Privatleben nichts zu tun. Frauen möchten mit mir gerne Schuhe einkaufen gehen und Männer, die zunächst Schiss haben in so eine Show zu kommen, wollen anschließend mit mir ein Bier trinken.

Ein Lied von deiner CD heißt „ICH bin die Liebe der Matrosen“, also doch ein Flittchen?
Okay, auf der Bühne bin ich das ganz gerne. Privat bin ich allerdings seit 10 Jahren in festen Händen, seit 3 Jahren auch verpartnert und ein absoluter treuer Mann.

Wie kamst du von Olaf eigentlich auf Elke Winter?
Es gibt den Kultfilm „Im Himmel ist die Hölle los“ mit Dirk Bach und Ralph Morgenstern. Darin spielt Cleo Kretschmar als Elke die Tochter von Frau Sommer, die von Wally Bockmayer dargestellt wird. Und Elke sagt ständig „Hallo, ich bin die Elke“. Genau das habe ich gesagt, als ich in meinen Anfängen bei Chapeau Claque in Hannover noch namenlos war. Und da es den Sommer schon gab, habe ich mir halt den Winter ausgesucht.

Wovon hast du als Kind geträumt?
Ich wollte immer Schauspielerin werden, ich habe schon als kleines Mädchen vor dem Fernseher gesessen und bei der Hitparade mitgesungen. Meinen ersten Auftritt als Mädchen hatte ich dann mit 14 in der Schule. In der Theater-AG gab es eine Rolle, wo jemand im Badeanzug auftreten sollte und da die pubertierenden Mädchen das alle nicht wollten, habe ich ihn eben angezogen. Damit hatte ich meine erste weibliche Rolle auf der Bühne und weil die Leute alle gelacht haben und das lustig fanden, ist es dabei geblieben. Ich hatte gemerkt, wie einfach es war, Leute zu unterhalten: Man(n) muss nur etwas Feminines anziehen und eine Perücke aufsetzen. Allerdings trage ich heute keine Badeanzüge mehr.

Wie haben deine Eltern darauf reagiert?
Die fanden das auch lustig. Ich bin von meinen Eltern sehr frei erzogen worden. Allerdings war es nur bis zum Zeitpunkt lustig, bevor ich sagte, dass ich das beruflich machen wollte. Ich sollte Speditionskaufmann werden, habe nach meinem Abi auch die Lehre dazu durchgezogen; danach durfte ich machen, was ich wollte.

Wann hast du dich offiziell geoutet?
Mit 19, also fünf Jahre nach dem Badeanzug. Obwohl meine Eltern viele schwule Freunde hatten, war das anfangs schon ein Problem, weil ich ja ihr einziges Kind bin. Das Schlimmste daran waren – wie bei vielen anderen Eltern auch – die fehlenden Enkelkinder. Heute ist das allerdings kein Thema mehr.

Wie viele frauliche Anteile stecken in einem Mann und wie viele männliche Anteile stecken in dir?
Ich glaube, auf der Bühne steckt sehr viel Mann in mir. Ich verkörpere zwar eine Diva, aber eine zum Anfassen. Ansonsten bin ich so, wie ich bin; ich sehe ja schon gut aus, auch wenn ich manchmal wie eine Lesbe laufe. Ich mache das, was mir gefällt; ich bin so etwas wie die „Pippi Langstrumpf der Travestie“. Ich bin eine Frau aus dem Volk, wenn die es nicht auf die Bühne geschafft hätte, wäre sie sicherlich bei „Familie im Brennpunkt“ gelandet.

Woher hast du deine Schlagfertigkeit?
Die spitze Zunge ist mir von väterlicher Seite mitgegeben worden; die Männer in der Familie waren alle sehr schlagfertig und spitzfindig. Und ich war schon in der Schule der Klassen-Clown, war nie um eine Antwort verlegen. Um mich musste sich immer alles drehen.

Wie erlebst eine Diva das Älterwerden?
Man muss mit seiner Rolle im Leben mitwachsen. Ich könnte mich nicht mehr bauchfrei präsentieren, das geht figürlich schon gar nicht mehr.

Eine deiner CDs heißt „Operation One“. Wie denkst du selbst über Schönheits-OP`s?
Ob ich was machen lassen würde? Für uns Bühnenmenschen ist das Gesicht ja unser Kapital. Da finde ich es nicht problematisch, wenn man ein wenig nachhilft. Nur nicht so, dass ich beim Schlafen die Augen nicht mehr schließen kann. Irgendwann mal das ganz große Ding, dann wäre es auch gut. Ich habe ehrlich gesagt schon vor 10 Jahren Botox, Hyaluron und anderen Kram ausprobiert. Heute habe ich gute Ärzte, die das so machen, dass man das nicht sieht. Die Leute sagen danach nur, ich sähe frischer aus. So muss es sein, man darf nicht danach süchtig werden. Mein Arzt will mir meine Stirn nicht totspritzen, weil ich auf der Bühne Mimik brauche. Ich lasse nur das machen, was mich jünger und frischer wirken lässt; den Rest kann man schminken.

Wer ist für dich „schön“?
Die schönste Frau der Welt ist für mich Charlize Theron, weil die einfach gut aussieht. Der schönste Mann ist... grübel, grübel ... nein, nicht Brad Pitt, sondern Ryan Gosling. Obwohl er nur so groß ist wie ein Feuerlöscher, finde ich den extrem sexy. Männer müssen Ecken und Kanten haben.

Auf deiner CD „Millionär“ siehst du aus wie Lady Gaga, wie „gaga“ bist du selbst?
Auf der Bühne bin ich schon sehr gaga. Ich glaube, je mehr man seine verrückte Seite bei der Arbeit ausleben kann, desto bodenständiger und zurückhaltender wird man im Privatleben. Zu Hause bei meinem Mann bin ich ganz anders, er ist mein Ruhepol. Mit ihm mache ich Dinge, die ich früher nicht gemacht hätte; zum Beispiel in den Botanischen Garten gehen! Wir haben zwei Hunde und wohnen außerhalb von Hamburg sehr ländlich, da kann ich Ruhe und Kraft schöpfen.

In welcher Rolle hat er dich kennen gelernt?
Als Olaf. Da ich sofort wusste, dass er der Mann meines Lebens ist, war ich zunächst gehemmt, ihm von meinem Beruf zu erzählen. Das habe ich ihm erst nach dem vierten Treffen gesagt; danach habe ich ihn zu einer Vorstellung eingeladen – und er ist geblieben.

Wie ist dein Verhältnis zur schwul-lesbischen Szene?
Ich arbeite im „Tivoli“, das von Schwulen stark frequentiert wird. Komischerweise hat sich die „Community“ erst nicht für mich interessiert; 95 Prozent meiner Gäste sind heterosexuell. Das hat sich erst geändert, als ich den Hamburger CSD unterstützte und die Anfrage der Rainbow-Crew kam. Davor kannte man Elke Winter kaum. Wer soll das sein - ’ne Transe, die Travestie macht? Und in der Szene war ich total selten, weil ich nach den Shows total ausgepowert bin; da reicht es nur noch für einen Absacker.

Erinnerst du dich an dein "Erstes Mal"?
Oh Gott, wenn ich jetzt sage, dass ich mich nicht mehr daran erinnere, muss das ja schlecht gewesen sein. Na gut: Er war vier Jahre älter als ich und es war ganz nett. Das ist wie Fahrradfahren, das muss man ja auch erst mal lernen.

Wovor hast du Angst?
Dass die ganzen Menschen so verrohen, das macht mir echt Angst. Man muss ja nur auf die Straßen schauen, wie die Menschen miteinander umgehen. Es müsste ein Schulfach geben, wo man lernt, was Toleranz und Respekt heißt. Wie sollen Kinder das lernen, wenn die Eltern ihnen es ihnen nicht vorleben? Das ist das Problem! Alle sind aggressiv und egoistisch geworden. Und das hat sich schon bis in die Politik hochgedödelt. Alleine schon die Wortwahl … Obwohl ich auf der Bühne ja auch nicht ohne bin, aber die Leute zahlen dafür, das zu hören.

Der vorerst letzter Tour-Eintrag ist am 13. März 2021; da bist du Stargast beim „30. Varietè for Charity – Nacht der Toleranz“, wird es 2021 denn wieder / oder noch Toleranz geben?
Wir hoffen mal lieber, dass es uns 2021 noch gibt. Momentan ist weltweit ja alles sehr problematisch. Es muss irgendetwas passieren, was die Menschen zum Umdenken anregen wird.

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