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Im Interview Ása Ástardóttir

vvg - 02.05.2018 - 07:00 Uhr

Es gibt zwei Prominente, die Isländern heilig sind: Björk und Ása Ástardóttir. Für die Schwulen- und Lesbenszene ist sie die Diva schlechthin und für die Jugend der Paradiesvogel.

In Reykjavik/Island bist du neben Björk ein Star, was hat dich bekannt gemacht?
Ich bin der berühmte Po mit der Fahne: Ich habe nur mit einer Fahne bekleidet eine Videobotschaft nach Island geschickt, dabei ließ ich die Fahne fallen. Aber nicht mein Po verursachte den Skandal, sondern die Tatsache, dass die Fahne den Boden berührte. Dabei war es eine isländische Fahne aus billigster chinesischer Produktion, die auf einen 100-jährigen Echt-Parkett-Boden fiel. Das Video lief eine Woche lang in den Hauptnachrichten.

Du bist laut und bunt. Selbstzweifel sind dir fremd und du hast einen Spleen?
Du meinst sicherlich meine Elfen. Aber wer glaubt denn wirklich, dass wir alleine sind auf dieser Welt? Elfen sind ja starke Wesen, die dich zwar gerne ärgern, wenn du sie nicht respektvoll behandelst; aber sie beschützen dich auch. Viele Leute hatten Erlebnisse, welche sie nicht zuordnen und verstehen können. Elfen steuern dein Leben aus dem Hintergrund und geben dir das Gefühl, nicht alleine zu sein.

Du hast als Vollfrau vier sehr auffällige Merkmale, musst du Männer oft darauf hinweisen, dass sich deine wirklich schönen Augen, weiter oben befinden?
Da gibt es aber ein großes Missverständnis: Wenn ich schon meinen Busen präsentiere, dann wäre ich verdammt sauer, wenn man da nicht hingucken würde. Ich habe einen mörderischen Spaß, wenn ich schwule Bars besuche. Nirgendwo werde ich so liebevoll befummelt wie von schwulen Männern. Das ist praktisch mein wöchentlicher Körperkontakt, Das ist wie Swingerclub ohne Sperma. Aber die Jungs fragen vorher immer respektvoll um Erlaubnis, dass sie da gerne mal anfassen würden. Und glaube mir: viele Jungs sagen, so etwas hätten sie auch gerne. Das ist etwas anderes, als wenn dich Heten abends von hinten anquatschen, dich erschrecken und dir dumme Sprüche aufdrücken.

Warum bist du von Reykjavik nach Köln gezogen?
Vielleicht gönne ich mir nur den Luxus, zwei Wohnungen in zwei Ländern zu haben? Ich wusste, dass ich aus Island raus musste, die soziale Kontrolle dort ist so enorm, da konnte ich mich nicht entfalten. Ich fühlte mich gefangen. Als ich einmal in Köln umsteigen musste und Aufenthalt hatte, spürte ich: Hier gehöre ich hin. Es stimmte alles, ich fühlte mich sofort wohl. Köln bedeutet für mich die absolute Freiheit. Ich bin überzeugt, da hatten meine Elfen ihre Hände im Spiel, die ja in Köln „Heinzelmännchen“ heißen.

Kommen wir zu deinen Songs: Einer heißt "Sætir kossar" (Heiße Küsse). Wann hattest du deine ersten?
Wow, oh Gott. Ich habe eine Regel: die 5-Jahresspanne; alles was darüber hinaus geht, vergesse ich bewusst und es existiert nicht mehr. Ich muss aber gestehen, da ich zur Zeit Single bin, dass ich in der letzten Zeit ein bisschen ungeküsst bin. Ich hätte aber gerne einen Menschen an meiner Seite. Es gibt Dinge im Leben, die zu zweit einfach mehr Spaß machen, man muss sich mit jemandem austauschen können. Und selbst streiten, kann Spaß machen.

Ein anderer hieß: „Don’t stop the madness“, was war das Verrückteste, was du gemacht hast?
Ich bin sehr stolz auf die Kunst-Aktion „Fat Facts“ 2017 von Angie Hiesl und Roland Kaiser (nicht der Sänger), bei der ich im öffentlichem Raum im Zucker baden konnte. Das war ein echtes Highlight und mit dem Zuckerbad wurde für mich ein Traum wahr. Einmal hat es geregnet, da war ich eine echte „Zuckerpuppe“.

Der 3. Song war “Skal! Cheers! Prost! The icelandic drinking song”. Musstest du dir schon mal einen Mann schön saufen?
Ja, das tue ich regelmäßig. Erstens trinke ich sehr gerne und bei echten Isländern gibt es dann auch kein Halten mehr. Ich bin dann immer „All in“ - habe mindestens „Acht Promille auf dem Helm“ und dann sind alle Menschen so hübsch. Schönsaufen ist ein gutes Hobby. Bei Preisen von 120€ für eine Flasche Wodka haben wir Isländer unser wirtschaftlich bankrottes Land wieder gesund gesoffen. Das muss man sich mal vorstellen.

Bist du auch ein Fan der isländischen Fußball-Mannschaft?
Fußball ist in Island eigentlich ein Frauensport, da sind wir schon viel länger international erfolgreich. Dazu sind wir als Isländer auf alles stolz, was aus Island kommt, da fiebern wir natürlich alle mit, wenn es nach Russland zur WM geht. Wir sind nicht nur zum ersten Mal bei einer WM dabei, wir sind auch das kleinste Land, dass sich je für einen so großen Wettbewerb qualifizieren konnte. Und wenn wir sagen: „Wir werden Weltmeister“, meinen wir, dass wir gegen Argentinien spielen und alle einmal Messi anfassen. Danach gehen wir nach Hause und feiern. Ich bin übrigens auch mit der ganzen Fußball-Elf nachweisbar verwandt. Und sogar mit Björk. Das lässt sich nachverfolgen, Dank der Islandinga, einer App die vor Inzest schützen soll, da wir auf Island nur einen sehr kleinen Genpool haben, der auf ca. 900 Wikinger zurückgeht.

„Sætir kossar“ war 2012 dein ESC-Beitrag für Island und „Do not Stopp the madness“ 2014 für die Schweiz. Island kam bei 24 Teilnahmen nur 5x unter die Top 10. Selma belegte 1999 hinter Charlotte Nilsson für Schweden den 2. Platz; ebenso wie Yohanna 2009 hinter Alexander Rybak für Norwegen. Bewirbst du dich 2019, schließlich hast du ja schon ESC-Luft geschnuppert?
Das war ja 2012 mein erster Skandal: Mein isländischer Beitrag wurde hoch gehandelt und kam unter die ersten 20; durfte damit aber nicht in die Liveshow. Zur Teilnahme reiste eine Frau, bei deren Platzierung offensichtlich Vitamin B im Spiel war. Mein Skandal war die Tatsache, dass ich den Mut hatte, öffentlich Kritik zu äußern. Mit meinem Trash-Beitrag wollte ich den ESC ein wenig wachrütteln. Es gab eine ganze Woche lang eine Radiosendung, in der man über mich und mein Lied diskutierte; mit vielen Lifeschaltungen zu mir. Das war echt großes Kino, obwohl ich letztendlich aus dem Rennen war.

Im Mai singt nun für Island Ari Olafsson. Für Norwegen tritt erneut Alexander Rybak an und für Deutschland hat sich Michael Schulte qualifiziert, der 2012 bei „The Voice of Germany“ Dritter wurde. Wem gibst du « Douze Points »?
Von den Dreien gehen meine Punkte leider an Island. Alex Rybak war schon einmal Sieger, das wird leider in die Hose gehen, eine Second-Chance - siehe Lena - funktioniert nicht. Das schafft nur ein Johnny Logan. Und der deutsche Beitrag, ein Song über einen Toten, hat nichts beim ESC zu suchen. Den sehe ich auch nicht auf dem Dancefloor.

Warum sind ESC-Fans meistens schwule Männer?
Das ist fast nur in Deutschland so. Bei uns ist der ESC ein reines Familienspektakel. Da sind die Straßen wie leergefegt, denn sowohl bei den Halbfinals als auch beim Finale haben die Sendungen eine Einschaltquote von 100%.

Welchen Bezug hast du zur Gay-Szene?
Ich selber habe schon auf dem Kölner CSD gesungen und moderiert. Ich bin der Meinung, die Freiheit von Schwulen und der LSBTI*-Community in einer Gesellschaft bedeutet auch, dass ich als Frau frei sein darf. Es ist egal, wie ich mich anziehe, ob ich mit mehr als einem Mann schlafe, ob ich als Frau ein Kind alleine großziehe, das wird alles akzeptiert und ich werde nicht als Freiwild betrachtet. In ein Geschäft, wo ein Regenbogenaufkleber an der Eingangstür klebt, gehe ich als Frau einfach viel lieber rein.

Wie ist die Szene in Island?
Die Szene ist anders, weil es nicht so viele Schwule unter 350.000 Isländern gibt, logisch. Aber bei uns gibt es eine unwahrscheinlich starke Frauen-Liga, aber ohne, dass der Mann Angst um seine „Eier“ haben muss. Das bedeutet, dass ein schwuler Mann bei uns schon immer Rechte gehabt hat, um die er nicht einmal kämpfen musste. Bei uns ist die Zelle der Gesellschaft die Familie, da ist jeder drin, egal ob Hetero oder Homo und da ist es einfach selbstverständlich, dass Schwule Kinder zeugen und Lesben Kinder gebären. Und unser größter Pop-Star Páll Óskar ist offen schwul und trotzdem die Ikone vor allem der jungen Isländer. Und selbst der isländische Gay Pride heißt Reykjavik Pride und ist ein Familienfest.

Hattest du selbst gleichgeschlechtliche Erlebnisse?
Ja, eine Menge. Ich liebe Menschen und da geht es mir mehr um die Seele, als um das Geschlecht. Aber ich habe trotz allem das Gefühl - das ist so ein Urinstinkt in mir - dass ich nach einem Beschützer suche. Ich bin ein unfassbar sexueller, experimentierfreudiger Mensch, der schon alles erlebt hat: zwei Frauen ein Mann, zwei Männer eine Frau. Ich kann ganz deutlich behaupten, ich habe mein Leben gelebt und genieße es immer noch. Ich stehe dazu, dass das Leben sinnlich ist, nicht nur das Essen, sondern gerade bei körperlicher Nähe. Am Ende ist mir aber die Zweierbeziehung am Wichtigsten.

Möchtest du für einen Tag mal ein schwuler Mann sein?
Sehr gern, aber nur, wenn ich eine Dragqueen sein darf .

Du warst die erste Isländerin, die bei „Big Brother“ in Deutschland mitgemacht hat. Ist so eine 24-Stunden-Überwachung von Kameras nicht nervig? Oder ist für du eh so, dass man immer ein Auge auf dich hat?
Ich war sogar weltweit die erste, worüber sich ganz Island sehr gefreut hat. Ehrlich, wenn man da einzieht, blendet man die Kameras total aus und vergisst das. Wenn man so intelligent ist, darüber nachzudenken, wird man erst gar nicht ins BB-Haus eingeladen. Ich habe übrigens heute noch zu Manuel, dem für mich schönsten Mann der Welt und der smarten Gewinnerin Lucy Kontakt.

Was ist anstrengender, bei BB um die Gunst des Publikums zu feilschen, oder auf dem roten Teppich Kaya Yanar zu begeistern?
Ich hatte den Auftritt zur Premiere seiner Filmkomödie „Agent Ranjid rettet die Welt“ gewonnen, aber keiner hatte damit gerechnet, dass ich das Thema sehr wörtlich nahm und blutrot gekleidet - mit einer Pistole auf dem Kopf - anrauschte. Das führte allgemein zu Schnappatmung, weil da keiner mit umgehen konnte. Der lustigste Kommentar von Kaya war: „Du wirst es bei Ranjid schwer haben, denn er hat eine Lieblingskuh!“

Dir war wichtig: „Keiner ist so gekleidet wie ich, sonst wäre mir das peinlich gewesen.“ Wie wichtig ist es dir, aufzufallen?
Das ist mein Lebenselixier, Ich liebe es, brauche es und ich habe eine ganze Menge dafür getan. Aber dabei hat mir BB sehr geholfen: denn da habe ich gelernt, dass man gar nicht so viel braucht, um aufzufallen. Too much ist manchmal auch unangenehm. Im Haus ist uns ja alles abgenommen worden, vom Handy bis zum Make-up und da habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich nackt, so wie ich bin, absolut genug bin. Seitdem habe ich mich stark zurückgenommen und falle trotzdem noch auf. Ich würde bei BB sofort wieder mitmachen, würde aber auch in den Dschungel gehen. Ich liebe diese Trash-Formate.

Hat sich denn der Playboy schon gemeldet?
Da warte ich drauf, das wäre genial und die machen ja phantastische Fotos. Dann wäre ich ja auch die erste von unserer Insel …

Was war die beste und was die schlechteste Entscheidung deines Lebens?
Die beste war sicher, nach Köln zu ziehen. Die schlechteste war die Überbenutzung von Solarien in den 90ern. Von der Bräune sind lediglich Falten geblieben.

Was macht dir Kopfzerbrechen?
Ich bin ein Freigeist, daher als Künstlerin unabgesichert. Darüber mache ich mir schon Sorgen, was die Zukunft bringt. Bisher hat alles geklappt, ich hoffe auf das Grundvertrauen zu meinen Elfen, dass die mich schon in die richtige Richtung lenken.

Haben sie dir die Comedy empfohlen?
Wahrscheinlich. Das entstand auch erst nach BB: Wenn man über das Leben nachdenkt, merkt man, wie witzig unser Alltag sein kann. Ich erlebe so viel Spannendes, Lustiges, Aufregendes – darüber möchte ich reden und Leute damit unterhalten. Natürlich ist mein Heimatland da ein wichtiges Thema, denn ganz ehrlich: Es gibt keine witzigere Insel. Da gibt es so viel Absurdes, dass muss einfach auf die Bühne. (vom 9.-12. Juli im Kölner Ateliertheater)

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