Sexuelle Gewalt unter Schwulen Zwischen Konsens und Grenzüberschreitung
In dieser Woche ist in der ARD Mediathek eine neue Dokumentation mit dem Titel „MeToo – Unter Schwulen?“ veröffentlicht worden, die das Thema der sexuellen Gewalt sowie der Grenzüberschreitungen unter schwulen Männern aufgreift. SR-Reporter Steven Meyer sprach dazu sowohl mit freimütigen Schwulen wie auch mit Opfern aus der Community.
Grabschen auf der Wiesn
Zu Beginn befragt Meyer dabei Männer bei einem der großen Gay-Events auf dem Oktoberfest, der „rosa Wiesn“, und schnell wird klar, dass ungefragte Berührungen, Anfassen, Grabschen und mehr hier ganz normal dazu gehören – das Problem der Grenzüberschreitung wird hier eher weggelächelt. Ein Besucher bringt es auf den Punkt und kommentiert, deswegen sei man schließlich hier. Ein anderer Mann betont, dass sei eben das „Berufsrisiko“ als Schwuler. Nach einem kurzen Besuch der Toiletten muss der Filmemacher dann attestierten, dass Sex hier tatsächlich normal ist – doch keiner muss mitmachen, wenn er nicht will.
Sex in der Community
Es wird überdies deutlich: Sex hat in der schwulen Community eine andere Rolle, ist einfacher zu haben und auch der Umgang damit ist offener als in der gesamten Gesellschaft. „Dickpics“ starten viele Online-Konversationen und wer zumindest in Großstädten wie Berlin eine schnelle Triebabfuhr braucht, besucht einschlägige Clubs und Bars. Ein guter Freund des Reporters berichtet dann auch sehr offen darüber, wie er gerne immer wieder Cruising-Orte besucht – mit einem klaren Ziel, das alle kennen. Es seien „Orte mit einer klaren Struktur“ – früher eine Notwendigkeit, da schwuler Sex dank des Paragrafen 175 lange Zeit verboten war. Diese Geschichte präge die schwule Community bis heute. Der SR-Reporter betont dabei mehrfach, dass an solchen Orten ein egoistisches Verhalten vorherrsche, viele denken nur an ihre eigene Befriedigung, nicht an das Erleben des Partners. Sex habe gerade in Berlin etwas, als würde man schnell zum McDrive fahren.
Mehr Kommunikation untereinander
Meyer hält so weiter fest: Über Grenzüberschreitungen unter Schwulen werde bislang kaum gesprochen. Einige wissen nicht, wie sie darauf reagieren sollen, andere seien schlicht überfordert von der Situation oder könnten nicht klar kommunizieren, was sie wollen – und was nicht. Der SR-Autor interviewt dabei auch zwei Männer, die damit nicht klarkommen, einer von ihnen besucht keine schwulen Bars oder Clubs mehr, nachdem ein Mann während dem Sex mit ihm heimlich das Kondom abzog, obwohl dies anders vereinbart war – das beschäftige ihn bis heute. Ein anderer schwuler Mann erlebte regelrecht eine Vergewaltigung, sein Gegenüber stoppte auch nicht, obwohl Blut floss.
Wie Männer bewusster miteinander umgehen können, versucht Meyer dann in einem Konsens-Workshop zu ergründen. Der Tenor ist klar: Jeder hat ein Recht auf seine Grenzen. Ob die schwule Community tatsächlich eine MeToo-Bewegung braucht, muss jeder für sich selbst entscheiden, Meyer fordert resümierend mehr Hilfe für Betroffene und appelliert für eine bessere Kommunikation untereinander, man müsse wieder mehr ins Gespräch gehen. „Wir müssen lernen, Grenzen zu setzen und sie gegenseitig zu respektieren“, so Meyer abschließend.