Bundesratsinitiative Artikel 3 Bundesrat nimmt den Antrag an und gibt den Fall an den Bundestag weiter
Der Deutsche Bundesrat hat heute Vormittag den Antrag zur Ergänzung des Artikel 3 des Grundgesetzes um die „sexuelle Identität“ positiv beschieden. Der Bundesinitiative haben nebst Berlin die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zugestimmt. Nun muss der Bundestag im nächsten Schritt den Antrag behandeln.
Zeichen von besonderer Bedeutung
Alexander Vogt aus dem Bundesvorstand des Verbands Queere Vielfalt (LSVD+) spricht von einem „historischen Schritt“ und betonte überdies: „Gerade jetzt, wo Queerfeindlichkeit nachweislich steigt, ist dieses Zeichen des Bundesrates für LSBTIQ* von besonderer Bedeutung. Jetzt liegt es am Bundestag, die politische Verantwortung zu übernehmen. Die Demokratie zu schützen, muss auch den expliziten Schutz von LSBTIQ* einschließen.“
In Artikel 3 Abschnitt 3 wurde der besondere Schutz aller systematisch verfolgten Gruppen des Nationalsozialismus festgehalten – mit Ausnahme von LGBTIQ+-Menschen. Seit über dreißig Jahren setzen sich Aktivisten dafür ein, dieses Zustand zu ändern. „Diese rechtliche Lücke schuf Boden für eine jahrzehntelange Kriminalisierung und Verfolgung queeren Lebens in der Bundesrepublik. Dieser historische Fehler muss nach 76 Jahren endlich korrigiert werden, um queeres Leben jetzt und in der Zukunft zu schützen. Die Grundgesetzergänzung ist seit Jahrzehnten ein zentrales queerpolitisches Anliegen, für das die Community gemeinsam mit starken Verbündeten wie das Deutsche Institut für Menschenrechte oder pro familia aus der Zivilgesellschaft und die Kirchen eintritt. Es ist an der Zeit, dass die Bundesrepublik unmissverständlich klarstellt: Die gesamte queere Community steht unter dem Schutz des Grundgesetzes“, so Vogt weiter.
Blick geht Richtung Union
Der LSVD+ wünsche sich dabei „besonders von CDU/CSU auf Bundesebene“ einen offenen Austausch, nachdem sich heute bereits mehrere CDU-geführte Landesregierungen für eine Grundgesetzänderung ausgesprochen haben. Nachdem anfänglich noch die „sexuelle Orientierung“ als besonders schützenswerter Aspekt ergänzt werden sollte, fordert die Bundesinitiative nun die Einbringung der „sexuellen Identität“. Die Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit dgti* kritisierte im Vorfeld, dass auch dieser Begriff trans*, nicht-binäre und queere Menschen nicht ausreichend schützen würde.
Der queerpolitische Sprecher der Linksfraktion, Maik Brückner, erklärte dazu: „Jetzt ist die Union im Bundestag gefragt: CDU-Mann Kai Wegner hat den Antrag in den Bundesrat eingebracht, nun erwarte ich, dass seine Parteikolleg*innen ihm folgen. Nicht zuletzt hat Kanzler Friedrich Merz in einer Regierungsbefragung am 7. Juli 2025 betont, dass er queeren Menschen ‚ein gutes und auch ein sicheres Leben in unserer Gesellschaft‘ ermöglichen will – hier kann der Beweis erbracht werden, notfalls unter Aufhebung des Fraktionszwangs.“
Wackelige Zweidrittelmehrheit
Kernziel der Befürworter ist die rechtliche Absicherung der Menschenrechte für queere Personen, damit diese künftig „dem Wechselspiel der verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Kräfte“ nicht mehr ausgesetzt sind. Eine grundgesetzliche Absicherung würde es künftigen Regierungen sehr schwer machen, Gesetze für den Schutz von LGBTIQ+-Menschen zu ändern. Es bedarf dazu einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat.
Ob eine solche Zweidrittelmehrheit jetzt im Bundestag zusammenkommt, ist offen – nebst SPD, Grüne und Linke müsste nahezu die gesamte Union dem Vorhaben zustimmen – innerhalb von CDU und CSU gibt es allerdings Kritik an der angedachten Grundgesetzänderung. Die AfD lehnt das Vorhaben gänzlich ab. Ähnlich die Lage im Bundesrat: Ob hier schlussendlich bei der finalen Abstimmung ebenso eine Zweidrittelmehrheit zustande käme, ist offen.