Drogenkonsum in der Community Immer mehr, immer gefährlicher, immer jünger
Im letzten Jahr gab es über 2.100 Drogentote in Deutschland, viele davon starben durch Überdosierungen oder gepanschte Substanzen. Gerade auch in der LGBTIQ+-Community ist der Umgang mit illegalen Substanzen bis heute ein großes Problem – und das nicht nur beim Thema Chemsex. SCHWULISSIMO fragte nach bei Suchtexperte Dr. Michael Plaß vom Schwul-Queeren Zentrum Sub in München.
Wie stark ist die Community von tödlichen Fällen aber auch lebensgefährlichen Überdosierungen betroffen?
Männer, die Sex mit Männern haben, sind in vielerlei Hinsicht überproportional von riskantem Drogenkonsum betroffen, sowohl was legalisierte Drogen wie Alkohol, Tabak und Cannabis als auch illegalisierte Drogen angeht. Die sexuelle Identität einer Person, die aufgrund einer Überdosis behandelt wird oder daran stirbt, wird in Deutschland aber nicht statistisch erfasst. Daher ist davon auszugehen, dass es unter schwulen, bisexuellen und queeren Männern häufig lebensgefährliche Überdosierung und Todesfälle gibt. Eine genaue Zahl gibt es nicht, ein konkreter Vergleich mit heterosexuellen Männern ist daher nicht möglich.
Die Zahl der jungen Opfer hat binnen eines Jahres um 14 Prozent zugenommen. Wie ausgeprägt ist die Einnahme von Drogen in der jungen queeren Community?
Auch junge Männer, die Sex mit Männern haben, nehmen häufiger und quantitativ mehr Drogen als die heterosexuelle Vergleichsgruppe. Es gibt aber auch keine Angabe zu jungen Opfern von Überdosen in Bezug auf ihre sexuelle Identität in Deutschland. Wir müssen aber die Szenen trennen. Die statistischen Angaben zu den Drogentoten beziehen sich primär nicht auf sexualisierten Substanzgebrauch. Bezüglich Chemsex finden wir sehr unterschiedliche Zahlen in den Studien. So geben 27% der Teilnehmenden der Studie „Chemsex und psychische Gesundheit bei Männern, die Sex mit Männern haben“ (2023 von Bohn und Sander) an, dass sie in den letzten 12 Monaten Erfahrungen mit Chemsex hatten. Eine Studie der Uni Augsburg von 2021 kommt mit 29% zu einem vergleichbaren Ergebnis. Hier wird aber leider nicht nach Alter differenziert. Eine Studie aus UK von 2017 (Sewell, Lampe et al.) fand einen Anteil von 20,9% an Teilnehmern unter 25 Jahren. Aber: Andere Studien kommen wiederum zu anderen Zahlen. Was die Chemsex-Beratung im Sub angeht: 2024 waren zwei Drittel der Hilfesuchenden zwischen 30 und 49 Jahre alt.
Der Bundesdrogenbeauftragte Streeck benannte Kokain, Crack sowie auch synthetische Opioide als besonders großes Problem. Sind das auch die Substanzen, mit denen die Community am meisten zu kämpfen hat?
Die Droge Nummer 1 in der Community ist nach wie vor Alkohol. Er ist immer präsent, gehört zum Communityleben wie selbstverständlich dazu und wird nur selten kritisch diskutiert. Auch hier will ich den Chemsex-Bereich thematisch abgrenzen, denn ich fürchte, dass der Bundesdrogenbeauftragte dieses Phänomen noch nicht ganz auf dem Schirm hat. In Spanien ist es dagegen inzwischen Regierungsthema. Bei Chemsex sind Methamphetamin/Crystal Meth, das von vielen nur „T“ oder „Tina“ genannt wird, und Mephedron die Substanzen, von denen viele User*innen abhängig werden. Besonders zu kämpfen hat die Community darüber hinaus mit GHB/GBL, das viele „G“ nennen. Diese Substanz ist im Nachtleben und im Chemsex fest etabliert und ist gefährlich, weil sie sehr schwer zu dosieren ist. Jedes Wochenende werden zahlreiche Männer, die Sex mit Männern haben, mit einer Überdosis ins Krankenhaus eingeliefert, einige sterben sogar daran. Im Chemsex-Kontext ist zudem MDPHP „Monkeydust“ aktuell eine Substanz, die uns große Sorgen macht. Sie hat ein sehr hohes Abhängigkeitspotenzial und die Konsumierenden ein großes Risiko, dadurch eine Psychose zu entwickeln.
Streeck warnte mit Blick auf einer Opioidkrise vor einer „pandemischen Dynamik“. Wie würdest Du den Umgang mit Drogen in der schwulen Community einschätzen?
Bezüglich des Konsums von Chems unter Männern, die Sex mit Männern haben, ist der Trend eine stabile Zunahme. Die Klient*innen berichten in der Chemsex-Beratung im Sub, dass ihr Konsum insbesondere während den Lockdowns der Covid-Pandemie angefangen oder stark zugenommen hat. Die Auswirkungen bekommen wir inzwischen in der Beratung mit.
Bleiben wir einmal bei der Chemsex-Szene. Wie hat sich diese in den letzten Jahren entwickelt?
Für Deutschland gibt die brandneue SEARCHER-Studie der Universität Augsburg Zahlen her, wonach knapp 31% der Teilnehmenden an dieser Befragung Chemsex haben. Das wäre gegenüber den Studien von 2021 und 2023 wiederum eine Zunahme. Diese Zahlen sind aber nicht repräsentativ für alle Männer, die Sex mit Männern haben.
Welche Substanzen sind aktuell besonders gefragt beim Chemsex ?
Die am meisten konsumierten Substanzen sind Methamphetamin/Crystal Meth, Mephedron, GHB/GBL und Ketamin. Außerdem sind MDMA (Ecstasy), Kokain, Poppers, Viagra und Anabolika/Steroide sehr beliebt. Die Substanzen unterscheiden sich bezüglich des Risikos sehr. Poppers schätzen wir als verhältnismäßig ungefährlich ein, während der Konsum von Methamphetamin, Mephedron und GHB/GBL ein sehr großes Abhängigkeitspotenzial und viele – teils lebensgefährliche – Gesundheitsrisiken mit sich bringt.
Ist Chemsex etwas, das eher von Schwulen ab 30/40+ praktiziert wird oder ist das ein Klischee und Chemsex ist in allen Altersklassen in der Community gleichwertig vertreten?
Früher wurde Chemsex eher Männern 30/40+ zugeschrieben. Heute ist es altersübergreifend – junge schwule Männer (auch U25) steigen schneller ein, da sie in Dating-Apps früh in Kontakt mit Chemsex-Angeboten kommen. Dennoch sind Konsumroutinen bei Älteren oft stärker verfestigt.
Manche Schwule blicken eher mitleidig und abwertend auf Chemsex-Männer. Auf der anderen Seite wird Chemsex inzwischen erfolgreich selbst in Comics dargestellt. Wie „cool“ ist Chemsex aktuell innerhalb der Community?
Seit der Zulassung der HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) hat kein anderes Thema eine so große Kontroverse in der Community ausgelöst. In der Diskussion scheinen sich zwei Lager gegenüber zu stehen: Einerseits diejenigen, die Chems total ablehnen und diejenigen, die Chems als ein Mittel sehen, um die eigene Sexualität anders ausleben zu können. Bei genauerem Hinsehen ist es aber so, dass auch in der Anti-Chems-Fraktion Personen schon Substanzen konsumiert haben, die bei Chemsex relevant sind, wie etwa Kokain oder Ketamin – nur eben nicht im Chemsex-Setting. Andererseits wandelten sich manche Chemsex-Befürworter mit der Zeit zu Kritikern des Konsums. Tatsache ist: Wir reflektieren in der Community zu wenig gemeinsam darüber.
Chemsex-Nutzer erzählen oft, wie anders und besser der Sex auf Droge ist und das so eine Session oft tagelang andauert. Für alle jene, die sich unter Chemsex nicht genau etwas vorstellen können: Wie würdest Du den Reiz von Chemsex beschreiben?
Erstens: Chems enthemmen, intensivieren und verlängern den Sex. Konsumierende haben nicht mehr 15 Minuten Sex, sondern nicht selten 2-3 Tage. Zweitens: Wer Chems nimmt, traut sich Sexpraktiken auszuleben, an die er sich vorher nicht rangetraut hat, beispielsweise Fisting. Drittens: Unter dem Einfluss von Chems fühlt sich alles intensiver an: Berührungen, Gerüche, Geschmäcker und alle anderen Sinneswahrnehmungen. Das ist so ohne Chems nicht möglich, weil die Substanzen das Gehirn verändern.
Wie laufen solche Chemsex-Treffen ab? Wo trifft man sich? Sind das eher Treffen zu zweit oder in der Gruppe?
Viele Konsumierende verabreden sich über Dating-Apps und treffen sich zu Hause. Andere wiederum suchen Sex-positive Orte auf, wo Männer Sex mit Männern haben. Die meisten haben viele wechselnde Partner*innen, auch wenn es Konsumierende gibt, die immer mit den gleichen Leuten Chemsex haben. Die sind aber in der Unterzahl. Die Treffen dauern unterschiedlich lange: Von ein paar Stunden bis zu 4 bis 5 Tagen ist alles möglich. Insbesondere Stimulanzien wie Methamphetamin und Mephedron können dafür sorgen, dass jemand das Zeitgefühl verliert oder zwanghaft immer weiter konsumiert, obwohl er weiß, dass er längst eine Pause machen müsste.
Ich kann mir vorstellen, dass anfangs einige Chemsex-Nutzer Bedenken hatten. Was ist passiert, damit sie doch teilgenommen haben und in der Szene hängengeblieben sind?
Die Gründe, warum jemand Chems probiert, sind sehr individuell. Chemsex ist für viele ein Weg, attraktiver für andere zu werden und wieder mehr Sex zu haben. Ein anderer lernt einen Mann kennen, den er einfach schick und spannend findet und erhofft sich, diesen näher kennenlernen zu können, wenn er mit ihm konsumiert. Er denkt sich vielleicht auch: „Na, wenn der das konsumiert, kann es ja nicht viele negative Konsequenzen haben. Der sieht gesund und sexy aus!“. Der Nächste ist gelangweilt von seinem Sexleben und wünscht sich neue, spannendere Wege, sich auszuleben. Viele schwule, bisexuelle und queere Männer erleben Chems als hilfreich. Jedenfalls am Anfang.
Chemsex-Nutzer sind oftmals ja hochfunktional, auf der Arbeit oder im Freundeskreis würde man es ihnen nicht anmerken. Wie ist der Alltag eines solchen Menschen?
Methamphetamin, Mephedron und Kokain sind Substanzen, die ganz allgemein gesehen leistungssteigernd wirken: Die alleinerziehende Mutter, die abends noch waschen, aufräumen und die Steuererklärung machen muss, nachdem die Kinder nach einem anstrengenden Tag endlich im Bett sind. Der*die Chirurg*in, der*die nach 12 Stunden im OP noch ein Unfallopfer auf den Tisch bekommt und weiteroperieren muss. In unserer hochfunktionalen Gesellschaft bedeutet das bezüglich Chemsex: Ich habe die Woche über jeden Tag 9 bis 12 Stunden gearbeitet und dank der Chems kann ich nun auch noch das ganze Wochenende lang Sex haben, anstatt mich auszuruhen. Das ist zumindest am Anfang so, denn mit der Zeit holt sich der Körper seine Regeneration, ob Mann es will oder nicht. Und all das will gut geplant sein: Erwerbsarbeit, Vorbereitung auf den Konsum, Regeneration vom Konsum. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die große Mehrheit der Chemsex-Konsumierenden auch in Vollzeit erwerbstätig ist. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich ganz grundlegend von Heroin- oder Fentanyl-Konsumierenden, die häufiger erwerbslos sind.
Zwischen „Ich mache das einmal alle paar Monate“ und „Ich kann und will nicht mehr ohne“ liegen Berichten von Betroffenen zufolge oft nur wenige Monate. Was passiert da in dieser Zeit mit den Konsumenten?
Zunächst mal verändert sich das Gehirn. Sehr vereinfacht gesagt lernt das Gehirn, dass es selbst kein Dopamin und Serotonin herstellen muss, weil es durch die Chems von außen zugeführt wird. Und das Gehirn merkt sich natürlich den enormen Glücksrausch, den die Substanzen auslösen und will diesen wieder erleben. Bei wiederholtem Konsum gewöhnt es sich daran. Wenn die Person dann einige Zeit keine Chems nimmt, kommen Entzugssymptome, die oft nicht als solche erkannt werden: Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Niedergeschlagenheit, Desinteresse. Hinzu kommen immer häufiger unkontrollierbare Gedanken an den Konsum. Diese negativen Gefühle führen dann wiederum zum nächsten Konsum. Konkrete Auslöser können unter anderem sein: Einsamkeit und Langeweile, Schicksalsschläge und nicht zuletzt psychische Probleme wie Depression, Traumata oder ADHS.
Wenn ein Mann über Chemsex und das intensive Erleben schwärmt, wie lässt sich so jemand überhaupt davon überzeugen, damit wieder aufzuhören? Welche Erfahrungen haben Sie hier bei der Betreuung von betroffenen Männern gemacht?
Der Sex mit Chems ist in jeder Hinsicht intensiver, das liegt an den Chems, die wie ein Booster wirken. Ohne Chems ist keine vergleichbare Ausschüttung von Glückshormonen möglich. Mit der Zeit wird das aber immer weniger und die Chems wirken nicht mehr so stark. Manche berichten sogar, sie würden keinen Effekt mehr fühlen. Die Bereitschaft, den Konsum zu verringern beziehungsweise ganz aufzuhören, muss von der Person selbst kommen. Der Versuch, jemanden zum Aufhören zu überreden, hat meistens keine große Erfolgsaussicht, wenn die Person selbst das nicht will. Die Bereitschaft zur Veränderung kommt meistens dann, wenn die negativen Folgen des Konsums die Vorteile überwiegen. Für den einen mag das der Moment sein, an dem er feststellt, dass er seit Monaten keinen nüchternen Sex mehr hatte. Für den anderen ist dieser Zeitpunkt auch dann noch nicht gekommen, wenn er von seinem Partner verlassen wird, weil dieser mit seinem Konsum nicht zurechtkommt. Auch das ist sehr individuell.
Bei jungen Menschen ist ja oft eine gewisse Neugierde vorhanden, wie das so ist, auf Droge Sex zu haben. Ist es aus deiner Sicht akzeptabel, solche Erfahrungen einmal zu machen oder besteht bereits dort die große Gefahr, süchtig zu werden?
Es gilt generell bei allen Drogen: Je jünger die Person beim ersten Konsum ist und je positiver die Konsumerfahrung erlebt wird, desto größer ist die Gefahr, abhängig zu werden. Dann gibt es freilich noch viele weitere Faktoren. Zum Beispiel ist das Risiko, nach einem Konsum von Methamphetamin abhängig zu werden, natürlich deutlich höher als von Alkohol. Je potenter die Droge, desto größer sind die Risiken: Bei Methamphetamin oder Mephedron kann unter bestimmten Voraussetzungen schon ein einziger Konsum zu psychischer Abhängigkeit führen.
Welche Rolle spielen HIV beziehungsweise generell Geschlechtskrankheiten (STI) im Umfeld von Chemsex? Wird über Verhütung oder Schutz überhaupt nachgedacht?
Wer Chems zum Sex konsumiert, nimmt eigentlich keine Kondome mehr. Es ist durch eine Vielzahl von Studien belegt, dass das Schutzverhalten mit zunehmendem Konsum sinkt. Die meisten nehmen die PrEP oder sind bereits HIV-positiv. Wer Chems konsumiert, hat signifikant häufiger STIs wie Syphilis, Chlamydien und Gonorrhö/Tripper.
Chemsex verändert nicht nur das Sexleben der Betroffenen, sondern auch ihr generelles soziales Umfeld. Oftmals enden Freundschaften, Konsumenten werden immer mehr isoliert. Wie schnell entwickelt sich diese Abwärtsspirale? Und wie kann man dagegen angehen?
Es hängt primär von der Häufigkeit des Konsums ab. Je öfter jemand konsumiert, desto schneller kann er das Interesse an nüchternem Sex verlieren. Und jemand, der jedes Wochenende konsumiert, hat natürlich weniger Zeit, sich mit Freund*innen zu treffen, die nicht konsumieren. Das kann zu sozialer Isolation führen. Viele trauen sich nicht, anderen von ihrem Konsum zu erzählen, weil sie Angst haben, stigmatisiert zu werden. Das führt zu sozialem Rückzug. Es ist sozusagen die Situation eines zweiten Coming-Outs. Dagegen hilft vor allem: Regelmäßige Konsumpausen von mindestens sechs Wochen und nüchterner Sex. Dann hat das Gehirn Zeit, sich zu regenerieren. Aber selbst dann ist der Konsum noch keineswegs risikofrei. Partner*innen und Freund*innen empfehle ich, gegebenenfalls eine Angehörigenberatung in Anspruch zu nehmen. Denn fast immer leidet nicht nur die konsumierende Person unter den negativen Auswirkungen der Chems, sondern ebenso auch das soziale Umfeld.
Wenn ich im Freundeskreis eine Person habe, von der ich weiß oder annehme, dass er verstärkt Drogen nimmt oder Chemsex praktiziert, wie kann ich das ansprechen, ohne zu verschrecken?
Am besten geduldig, offen und ohne Verurteilungen: Die Ich-Perspektive ist da sehr hilfreich: „Mir ist aufgefallen, dass wir uns seltener sehen als früher/dass du dich verändert hast. Wie siehst du das?“. Oder: „Ich mache mir Sorgen um dich. Wenn du Hilfe brauchst, bin ich für dich da.“
Was würdest Du Männern raten, die aus der Chemsex-Szene aussteigen wollen?
Sprich darüber! Mit anderen Usern, mit Freund*innen, die selbst nicht konsumieren, und mit einem Fachmann in der Beratungsstelle. Meide Trigger, suche dir therapeutische Begleitung und eine Selbsthilfegruppe.
Wie reagieren andere Chemsex-Männer, wenn einer von ihnen beschließt, aussteigen zu wollen?
Manche konsumieren weiter und nehmen in Kauf, dass der Kontakt abbricht. Oft wird auch Druck aufgebaut: „Einmal können wir doch noch zusammen konsumieren!“ Andere wiederum haben Verständnis, werden nachdenklich und reflektieren ihren eigenen Konsum.
In der Gesellschaft ist das Thema Chemsex noch immer mit einem starken Tabu belegt. Menschen haben Klischees im Kopf von „dauergeilen Schwulen“, die unkontrolliert unter Drogen Sex mit vielen Männern haben. Dementsprechend ist auch die Motivation, hier zu helfen, vielerorts noch gering. Brauchen wir gesamtgesellschaftlich ein neues Denken?
Zunächst existiert dieses homophobe Stereotyp auch in der schwulen Community! Hier wird sexuelles Verhalten auch oft moralisch gewertet, zum Beispiel Bottom-Shaming oder die „Truvada-Schlampe“. Aber die Antwort ist trotzdem: Ja, Chemsex wird häufig mit Scham, Klischees und Ablehnung belegt. Solange Sex unter Männern stigmatisiert wird, werden auch problematische Konsumformen tabuisiert. Aufklärung, akzeptierende Hilfeangebote und Enttabuisierung von Sexualität sind notwendig. Und das funktioniert zunächst mit den altbewährten Mitteln: Darüber sprechen, Kontroversen aushalten, Sex prinzipiell als etwas Gutes und Schönes begreifen und last but not least: Solidarität mit denjenigen, die Hilfe benötigen.
Was glaubst Du, wie wird sich Chemsex in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
Wir gehen davon aus, dass die Anzahl der Konsumierenden weiterhin stabil zunehmen, immer wieder neue problematische Substanzen auf den Schwarzmarkt kommen und neue, qualitativ hochwertige Hilfeeinrichtung das Versorgungsnetz verbessern werden.
Michael, vielen Dank für das Gespräch.