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Manfred // © vvg

Umfrage Wer oder Was hat dein Leben bereichert?

vvg - 13.10.2024 - 14:00 Uhr

Mein Leben hat definitiv mein Schwul-sein bereichert. Wenn du dich letztendlich als schwulen Mann akzeptierst, bedeutet das, dass du einmal konkret dein Leben reflektieren musst. Diese Reflektion hat mich gefühlt unglaublich nach vorne gebracht, weil ich einen ganz anderen Blick auf Dinge und eine andere neue Wertschätzung bekam. Vorher hatte ich ein 08/15-Leben: eine Freundin suchen, Fußball spielen, Schule und Studium erfolgreich absolvieren - das übliche klassische Bild des heteronormativen Menschen. Dies habe ich auf Grund der Akzeptanz meines eigenen schwulen Lebens aufbrechen können, was für mich eine unglaubliche Wirkung entfaltete. Als ich 19jährig meine erste Geschichte mit einem Mann hatte und ihn fragte, ob er glaubte schwul zu sein, und er mir mit „Na selbstverständlich“ antwortete, brach für mich eine Welt zusammen. Ich merkte, was mit mir passierte. Davor hatte ich mir keine Gedanken darübergemacht. Völlig fern von Dingen, die dann für mich wichtig wurden. Ich musste zu mir stehen und mich outen. Ich kam aus Kleinwirtshausen (Nähe Göttingen) und da gab es das Thema Homosexualität nicht. Als ich es meinem Vater beichtete, sprach der 1 ½ Jahre lang nicht mehr mit mir. Und meine Mutter reagierte mit dem Satz: „Das willst du mir doch wohl nicht antun!“ Natürlich haben sie es im Laufe der Zeit verstanden und mich akzeptiert. Ich würde jeden jungen Menschen raten „Seht zu, dass ihr Freunde an eurer Seite habt, die euch Sicherheit und Stabilität geben, den nächsten Schritt zu tun. Den Schritt zu wagen, den wichtigsten Menschen mitzuteilen, dass ihr schwul seid. Dann werdet ihr feststellen, dass viele sehr positiv reagieren.“ Erst dann fühlt man sich richtig frei. Es sei denn, ihr seid Profi-Fußballer!
Manfred Ackermann, Solingen

Manuel // © vvg

Mein Leben bereichert hat mein Freund Erich, mit dem ich jetzt seit zwei Jahren zusammen bin. Davor war ich fünf Jahre Single und hätte nie daran geglaubt, dass ich noch einmal so einen lieben Menschen finde würde. Wir haben uns im Berghain kennen gelernt; und das auch noch auf der Toilette. Ich stand im Raum, als die Tür aufging und er reinkam. Wir kamen ins Gespräch, dann schaute er mich an, nahm meinen Kopf, drückte ihn gegen die Wand und küsste mich. Ich hatte damit überhaupt nicht gerechnet, wurde einfach überrumpelt und war ein wenig mehr als überrascht. Ich muss aber sagen, dass ich das sehr spannend und schön fand, ich es auch geschehen ließ und wirklich genoss. Er ist das komplette Gegenteil von mir: Ich würde mich eher als eine hyperaktive und aufgedrehte Person definieren - er ist sehr ruhiger, studiert Germanistik und Öffentliches Recht und geht eigentlich zum Lachen in den Keller. Und ich glaube, das war es auch, was mich umso mehr faszinierte, dass er so ganz anders ist. Aber bekanntlich ziehen sich Gegensätze ja auch an. Dass er an diesem Abend die Eier in der Hose hatte, mich einfach zu küssen, obwohl wir uns überhaupt nicht kannten, fand ich auch mutig. Es war auch eigentlich gar nicht seine Art im Berghain so keck jemanden anzumachen. Er hatte wohl das Gefühl, sagte er später, ich hätte ihm diese Vibes gegeben. Aber dazu war ich, glaube ich, zu besoffen.

Erich ist meine vierte Beziehung, Meine längste dauerte etwa zehn Jahre, sie war aber eine Zweckbeziehung und hielt nur so lange, weil wir uns aus lauter Faulheit einfach nicht trennten. Erich, er ist jünger als ich, wird erst einmal zu Ende studieren. Danach werden wir zusammenziehen. Momentan wohnen wir nur zehn Minuten voneinander entfernt. So verbringen wir abwechselnd eine Woche bei mir, die andere Woche bei ihm - und ganz selten ist einer mal alleine. Außerdem haben wir uns einen Hund gemeinsam angeschafft. Und zum Küssen brauchen wir auch nicht mehr ins Berghain zu gehen.

Weil ich gerade beruflich unterwegs bin, nutze ich diese Gelegenheit zu sagen: „Schatz ich liebe dich. Du bist mein Traummann. Und in ein paar Tagen bin ich wieder in Neukölln.“ 
Manuel aus Berlin

Marcel // © vvg

Ich habe mich 1989 geoutet, als ich circa zwanzig war. Was für mich damals ganz wichtig war: Meine Mama hat zu mir gehalten. Wir waren drei Jungs zu Hause und mein Vater war ein sehr respektabler aber auch sehr konservativer Mann. Meine Mama war sehr liebevoll mit uns. Ich glaube im Nachhinein hat sie schon gewusst, dass irgendetwas mit mir anders war. Mütter haben dafür ein Gespür. Als ich mich geoutet habe, hat sie mich in ihre Arme genommen. Zuerst haben wir beide geweint, dann sagte sie: „Egal, was du bist - egal, wer du bist. Du bist und bleibst mein Sohn. Ich stehe zu dir!“ Diese Worte haben sich in meinem Kopf festgesetzt und sind auch nach über drei Jahrzehnten dort fest verankert. Sie hat uns Jungs gut und liebevoll erzogen und es ist unglaublich, wie toll und vor allem wie eng wir alle zueinanderstehen. Inzwischen ist meine Mama 88 Jahre alt und ich lebe seit 32 Jahren mit meinem Mann zusammen. Wir haben einen Bauernhof und sind das, was man unter Landjungs versteht.

Im tiefsten Bayern sind die Konservativen stark. Ich bin als Kreisrat, queerer Mensch und Aktivist in ganz Bayern unterwegs und merke, dass die Toleranz mir positiv entgegen schwappt. Viele Landmenschen kennen uns nur durch die Darstellung in den Medien: Schwule sind schrill, extremst und laut; wir laufen onanierend durch die Gegend und wollen jedem Heteromann nur an die Wäsche. Wenn sie mich kennenlernen, bauen sie Vorurteile ab. Ein schwuler Mann ist gleichwertig - wir sind nicht besser und nicht schlechter. Mir ist es wichtig, national und international Flagge zu zeigen und zu vermitteln. Mein Leitspruch: Leben und leben lassen!
Marcel Schneider aus Nürnberg

Robbin & Christoph // © vvg

Nein, wir kommen zwar aus Heinsberg, aber Covid-19 war es nicht, was unser Leben bereichert hat. Es hat lediglich dafür gesorgt, dass unsere Ortschaft Heinsberg dadurch deutschlandweit bekannt wurde.

Unser Leben hat sich dadurch bereichert, dass wir zwei uns gefunden haben. Robbin lebte vorher in den Niederlanden – Christoph in Heinsberg - und wir haben uns durch das Internet kennen gelernt. Ich, Christoph war damals noch mit einer Frau verheiratet, mit der ich auch zwei Kinder habe. Dass mir etwas fehlte, habe ich schon früh gespürt; es passte aber so gar nicht in meine Vorstellung vom Leben mit Kindern. Wie sollte das funktionieren; ein schwuler Mann mit Kindern? Mir fehlten da einfach Vorbilder. Erst als ich Robbin kennenlernte, öffnete der mir die Tür, durch die ich erst einmal gehen musste, um mich selbst und zu mir selbst zu finden. Ich kann da nur einen Song aus dem Musical „Kudamm ‘56“ von Peter Plate zitieren, in dem es heißt: „Ich wünscht‘ da wär‘ ‘ne Tür für mich“, in dem es auch genau um dieses Thema geht. Und Robbin hat mir diese Tür geöffnet. Inzwischen ist Robbin aus den Niederlanden weggezogen und wir leben zusammen in Heinsberg. Wir unternehmen mit meinen Kindern sehr viel und ich habe zum Glück ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu meiner Exfrau. Warum auch nicht; wir haben uns ja menschlich immer gut verstanden und bleiben alleine schon durch die Kinder immer verbunden. Auch das ist nicht selbstverständlich, denn viele verlassene Frauen reagieren da ganz verletzt anders.

Ich engagiere mich und will aufzeigen, dass man nicht nur in größeren Städten als schwules Paar zusammenleben kann, sondern auch auf dem Lande.
Robbin & Christoph aus Heinsberg

Sascha // © vvg

Ich bin seit 15 Jahren als Dragqueen Emily Island in der Szene aufgewachsen und habe dadurch sehr viele Menschen kennen lernen dürfen. Ohne meine Kunstfigur hätte ich sicher nicht so viele Standings gehabt und auch nicht so viel Selbstbewusstsein aufbauen könne, Anfangs war Drag schon das Ventil für mich, wo ich außergewöhnlich sein durfte und mehr aus mir rauskommen konnte. Mittlerweile haben sich die beiden Persönlichkeiten angeglichen. Ich bin in jeder Lebenslage authentischer und kann überall auch immer zu meiner Meinung stehen, zu der ich offen stehe. Das habe ich aber auch erst durch meine Kunstfigur "Emily" erlernen und erfahren dürfen, dass man seine Meinung auch sagen darf. Stuttgart ist nicht gerade ein queerer Hotspot, da wurde man als Dragqueen zunächst belächelt und nicht als Künstler, sondern als Clown angesehen. Erst mit den Jahren hat sich das entwickelt und mittlerweile auch etabliert, sodass es als eine Kunstform anerkannt wird.

Wir spielen sogar – befreundete Drags und ich - an der Stuttgarter Staatsoper im Stück „Rusalka“ von Anton Dvorak. Es ist die Geschichte von der kleinen Meerjungfrau. Da hört man die Stimmen der Opernstars und die Drags auf der Bühne bewegen ihre Lippen synchron zum gesungenem Text. (Eine Fähigkeit die eine gute Dragqueen beherrschen sollte.)

Auch meine Familie hat bemerkt, dass ich mich durch Emily Island positiv privat verändert habe. Früher war ich ein sehr lebendiges Kind mit ADHS, welches man damals auch belächelte. Durch meine Auftritte als Dragqueen fand ich das Ventil und den Weg meinen inneren Ruhepol zu finden. Und mein Partner, der inzwischen mein Management übernommen hat, steht bei allem was vor einem Auftritt ansteht, immer hinter mir. 
Sascha aus Stuttgart

Thomas & Hariolf // © vvg

In erster Linie hat unsere Liebe unser Leben bereichert. Wir haben uns 2012 kennengelernt und 2019 altkatholisch geheiratet. Danach ist uns so wohl gewesen, dass wir aufs Glatteis gegangen sind und wir noch eine Familie gründen wollten. Uns war bewusst, dass sich unser Leben durch Kinder vollkommen verändern würde. Anfangs hatten wir aber viel mehr Respekt vor der Aufgabe, als es am Ende in der Realität geworden ist. Viele sagen, ein zweites Kind wird ein potenzierter Stressfaktor, das erleben wir jetzt nach acht Monaten, die der Kleine ist, nicht so - eher, weil unsere Große mit drei Jahren in die Sturm und Drangphase kommt. Das heißt, sie wurde dann anstrengender, dafür blieb der Kleine eher entspannt, was sich allerdings gerade langsam verändert.

Ich, Thomas, habe mit einem lesbischen Pärchen zusammen schon eine Tochter und habe diese ein paar Jahre nicht sehen dürfen. Dann kam der Vorschlag von Hariolf, warum wir es nicht noch mal selber probieren sollten und nach Gesprächen mit Freundinnen wurde uns klar, dass die Zuständigkeit von vornherein geregelt sein muss. Das haben wir dann über eine Leihmutterschaft in Kanada und Kalifornien organisiert und umgesetzt. Nachdem wir nun für "Konkurrenz" gesorgt haben, darf ich auch wieder Kontakt zu meiner Tochter haben.

Das Schöne an Kindern ist, dass man die Welt wieder neu entdeckt und einem viel bewusster wird, wie die Zeit vergeht und man selbst auch älter wird. Aber die Kinder werden uns jung halten. Unser Freundeskreis hat sich verändert, weil man mit Kindern einfach ein anderes Leben führt. Es gibt aber eine tolle Gruppe von schwulen Vätern, mit denen wir uns regelmäßig treffen.
Thomas & Hariolf aus Köln

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