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Streit in der Schweiz

Streit in der Schweiz Darf die umstrittene Gruppe „Queers for Palestine“ beim Zurich Pride mitlaufen?

ms - 12.06.2024 - 13:00 Uhr
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Die pro-palästinensische Gruppe „Queers for Palestine“ spaltet seit Monaten die LGBTI*-Community, die meisten Homosexuellen wie auch queeren Menschen können das Ansinnen der Gruppe nicht nachvollziehen. Beim ESC im Mai befeuerte die Gruppe den Streit um die Teilnahme Israels am internationalen Musikwettbewerb, nun drohen neue Auseinandersetzungen – dieses Mal ausgerechnet im ESC-Gewinnerland Schweiz. 

Demo mit Palästina-Fahnen?

Die Kernfrage ist dabei: Darf die höchst umstrittene Gruppe beim Zurich Pride am kommenden Samstag mit Palästina-Fahnen und zwei Demo-Blöcken mitmarschieren? Online ruft die Gruppe bewusst dazu auf, auch mit Palästina-Flaggen bei der Demonstration zu erscheinen und erklärt ihre Motivation so: „In Palästina gibt es genauso viele LGBTIQ-Menschen wie überall. Unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Sexualität werden sie durch die Bomben Israels ermordet.“

Forderung nach Ausschluss 

In der Schweizer Community selbst wird über die Teilnehme der Gruppe bereits heftig gestritten, nun hat sich auch die Schweizer Politik eingeschaltet. Der schwule FDP-Nationalrat Hanspeter Portmann fordert in einem Artikel des Magazins „20 Minuten“ den Ausschluss von Palästina-Fahnen, die derzeit hauptsächlich die Terrororganisation Hamas repräsentieren würden. 

Zudem betonte er, dass sowohl der Verein Zurich Pride wie auch alle Schweizer LGBTI*-Vereine hinter dem Verbot stehen würden: „Ansonsten boykottieren ich und sicher viele andere aus der Community die Veranstaltungen. Die Tage rund um die Pride sind ein Gedenken an die Vorkämpfer für die Rechte der Homosexuellen und sollen nicht für andere politische Zwecke missbraucht werden!“  

Ebenso großes Unverständnis kommt von Rolf Stürm. Der 74-jährige schwule und jüdische Alt-FDP-Großrat sagte gegenüber der NZZ: „Wissen diese Leute, wie lange ein offen Schwuler in Palästina überleben würde?“ Mit „Queers for Palestine“ fordere man von LGBTI*-Menschen ultimativ Solidarität mit Palästina ein, für Homosexuelle in Palästina selbst setze man sich hingegen gerade nicht ein – doch gerade schwule Männer würden unter der Schwulenfeindlichkeit im Land besonders leiden: „Aber für diese Menschen schreit niemand Slogans. Diese Gruppe droht die Pride kaputtzumachen.“

Keine Anfragen erwünscht

Widerspruch kommt bisher nur von SP-Kantonsrat Alan David Sangines, der zu mehr Toleranz als Grundeinstellung beim Pride aufruft, auch gegenüber „Queers for Palestine“. Der Politiker ist Präsident der Gruppen „Schweiz-Katar“ und „Schweiz-Saudi-Arabien“ im Schweizer Parlament. 

Während sich die Gruppe „Queers for Palestine“ zwar online zu Wort meldet, ist sie bis heute nicht bereit, Anfragen von Journalisten zu beantworten – sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz offenbar nicht. Auch die Mitglieder selbst sind anonym. 

Pride-Verein ist sich uneins 

Von der Organisation des CSD in Zürich, dem Verein Zurich Pride, kommen indes unterschiedliche Aussagen. Alexander Wenger, Co-Präsident der Pride, sagte, der Verein sei politisch neutral, man nehme keine Bewertung vor. Seine Kollegin, die Co-Präsidentin Jill Nussbaumer betonte indes heute gegenüber dem Magazin Watson: „Es gibt genug Demonstrationen, an denen man sich für Nahost-Themen positionieren kann. Wir werden nicht zulassen, dass diese Interessensgruppe unseren Anlass für ihre Anliegen einnimmt, anstatt den Raum queeren Anliegen zu überlassen. Wir konzentrieren uns auf die Rechte der LGBTIQ+-Gemeinschaft. Die Tatsache, dass eine einzige Gruppe so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, lässt sich mit unseren Interessen nicht vereinbaren. Als Verein stehen wir für LGBTIQ+ Anliegen und nicht für Gruppierungen des Nahostkonfliktes.“

Über 100 Gruppen haben sich bei der Demonstration in diesem Jahr angemeldet, „Queers for Palestine“ ist keine davon. Man stehe in Kontakt mit der Polizei und werde konsequent bei widerrechtlichen und gewaltsamen Handlungen eingreifen, betont Nussbaumer weiter. Ein generelles Verbot für eine Teilnahme auf öffentlichem Raum könne man jedoch nicht aussprechen. Der Pride in Zürich ist die größte LGBTI*-Demonstration in der Schweiz mit jährlich rund 50.000 Teilnehmern. 

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