Direkt zum Inhalt
Oberste US-Richter schwören sich auf Homosexuelle ein
Rubrik

Wann fällt die Homo-Ehe in den USA? Fallen nach dem landesweiten Abtreibungsrecht bald auch die Rechte für die gleichgeschlechtliche Ehe und für Sex unter Homosexuellen?

ms - 27.06.2022 - 14:00 Uhr

Anfangs klang es noch wie eine böse Fiktion, dann wurde es sehr schnell bittere Realität – die Mehrheit der Richter am Obersten Gerichtshof in den Vereinigten Staaten von Amerika kippte mit 6:3-Stimmen das landesweite verfassungsmäßige Grundrecht auf Abtreibung. Nach 50 Jahren ist es damit wieder den Bundesstaaten selbst überlassen, wie sie in dieser Frage rechtlich agieren wollen – die Hälfte der amerikanischen Bundesstaaten wird dabei wohl teilweise oder ganz Abtreibungen für Frauen erneut verbieten. Möglich gemacht hatte das die Tatsache, dass Ex-Präsident Donald Trump während seiner Amtszeit drei neue Richterposten auf Lebzeiten besetzen konnte und damit die Mehrheitsverhältnisse des Gerichts zugunsten der konservativen Hardliner und Republikaner wahrscheinlich auf lange Zeit maßgeblich verändern konnte.  

Noch während Tag für Tag seitdem tausende Menschen in Amerika gegen die jüngste Entscheidung des Supreme Courts in zahlreichen Demonstrationen auf die Straße gehen, zeichnet sich inzwischen bereits die nächste Eskalationsstufe ab: Die mehrheitlich konservativen Richter könnten bereits in diesem Jahr auch das Recht der gleichgeschlechtlichen Ehe und des gleichgeschlechtlichen Sex in den USA rückgängig machen – die ersten Signale dazu kamen nun von Seiten der Richter selbst. Zunächst sei dabei gesagt, dass bisher Richter des Obersten Gerichtshofes äußert selten einen Präzedenzfall ihrer Vorgänger wieder außer Kraft setzten. Der als homophober Hardliner bekannte Richter Samuel Alito hatte damit offensichtlich kein Problem, er mutierte zum Rädelsführer der sechs konservativen Richter beim Supreme Court und hatte erklärt, dass die Entscheidung für die Selbstbestimmung in puncto Abtreibung „ungeheuerlich falsch“ gewesen sei.

Dieser wenig respektvolle Umgang mit den höchsten Richtern vergangener Tage ist das eine, vielmehr schockt allerdings dabei aber, dass die konservativen Richter bereits angedeutet haben, auch weitere Präzedenzfälle leichtfertig aufheben lassen zu können – jenseits des Urteils Roe v. Wade, auf dem ursprünglich das Recht auf Abtreibung beruhte. Noch dramatischer für die Gay-Community ist dabei eine Fußnote des ebenso konservativen Richters Clarence Thomas, die er zur Begründung der Entscheidung gegen das Abtreibungsrecht beitrug: Thomas erklärte, dass mit der Aufhebung der Rechtsgrundlage für die Abtreibung auch jede andere Entscheidung, die die gleiche Argumentation verwendet, nun verdächtig ist und überprüft werden könnte. Dabei nannte er explizit zwei Fälle: Obergefell v. Hodges sowie Lawrence v. Texas. Der erste Beschluss legalisierte die Gleichstellung der Ehe auf nationaler Ebene, der zweite hob die sogenannten “Sodomie-Gesetze“ auf, die gleichgeschlechtlichen Sex unter Strafe stellten.

"Wir sollten alle Präzedenzfälle dieses Gerichts zum materiellen Rechtsschutz überdenken. Wir haben die Pflicht, den in diesen Präzedenzfällen festgestellten Fehler zu korrigieren“, so Thomas schriftlich. LGBTI*-Aktivisten sehen darin eine mehr als deutliche Aufforderung für Konservative und rechte Populisten, genau jene angesprochenen Fälle für eine erneute “Überprüfung“ vors Oberste Gericht zu bringen. Die Kernaussage ist eindeutig: Die Rechte von Homosexuellen sind angezählt. Und sechs Richter am Obersten Gerichtshof der USA sind anscheinend bereit, alle Rechte für vulnerable Minderheiten zu kippen – und das ganz eindeutig auch gegen den Willen der deutlichen Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung.

Auch Interessant

Outing im US-College-Football

Ein langer Weg zum eigenen Ich

Coming-Out im US-College-Football. Der gehypte Ex-Jungstar Jake Eldridge spricht erstmals über seinen Weg zum Coming-Out und sein neues Leben.
Erster schwuler Kandidat

Novum in Rumänien

Einzigartige Premiere: Erstmals tritt am kommenden Sonntag ein offen schwuler Mann bei den Parlamentswahlen in Rumänien an.
Hoffnungsschimmer in den USA

130 Städte kämpfen für LGBTI*

Hoffnungsschimmer in den USA: 500 Städte wurden unter die Lupe genommen – 130 von ihnen bekamen Top-Noten beim Einsatz für LGBTI*.
Definition einer Frau

Höhepunkt im britischen Rechtsstreit

Das Oberste Gericht in London verhandelt derzeit über die Frage, was genau eine Frau ist - zählen biologische Aspekte oder die Selbstdefinition?
Angriff auf JU-Politiker

Homophobe Attacke in Lüneburg

Eine Gruppe Migranten soll den JU-Politiker Simon Schmidt in Lüneburg brutal attackiert haben: „Wir stechen dich ab!“, riefen sie dabei laut Schmidt.
Denkmalpläne schreiten voran

"Für Capri und Roxi" in Hamburg

Auch das zweite Denkmal für die Community in Hamburg schreitet foran: "Für Capri und Roxi" soll an die Diskriminierung von Schwulen erinnern.
Homophober Hass in Nigeria

Ungestrafte Lynchjustiz gegen Schwule

Lebendig verbrannt oder begraben, zu Tode gefoltert: Die Mob-Gewalt gegen Homosexuelle in Nigeria nimmt massiv zu, die Polizei sieht weg.
Posse um Pride-Uhren

Malaysias Kampf gegen Homosexuelle

Die Posse um die beschlagnahmten Pride-Uhren von Swatch geht in Malaysia in die nächste Runde - die Uhren müssen zurückgegeben werden. Und nun?
Hilfe für US-LGBTI*-Studenten

Raus aus der Hoffnungslosigkeit

Das Dru Project vergibt Stipendien an LGBTI*-Studenten in den USA, damit diese in schwulenfreundliche Regionen umziehen und dort studieren können.