HIV-Krise in Russland Homohass-Propaganda des Kremls zeigt seine Wirkung
Rund eine Million Menschen in Russland sind HIV-positiv – gerade für junge und homosexuelle Russen mit HIV wird die Lage dank der homophoben Politik von Präsident Wladimir Putin immer dramatischer und lebensgefährlicher. Aus Angst vor der öffentlichen Brandmarkung, sie könnten homosexuell sein, entscheiden sich immer mehr junge Russen mit HIV dazu, ihre Therapie lieber ganz abzubrechen – mit fatalen Folgen.
Tödliches Schweigen unter jungen Russen
Zwar ist die Zahl der HIV-Neuinfizierten unter jungen Russen zwischen 15 und 20 Jahren in den letzten knapp zwanzig Jahren von 25 Prozent aller Fälle auf knapp unter einem Prozent gefallen, doch erlebt gerade die junge Generation Diskriminierung und Anfeindungen in oftmals weit größerem Umfang. Die Teenagerzeit sei bereits so eine schwere Lebensphase, allein aufgrund der hormonellen Umstellung, eine HIV-Infektion und der Umgang damit erhöhe noch die psychische Belastung, wie Jelena Kirjuschina vom UNAIDS-Regionalbüro für Osteuropa und Zentralasien gegenüber der Deutschen Welle (DW) erklärt.
Oftmals sei die Lage für junge Russen so belastend, dass auch das Thema Suizid im Raum steht, wie Psychologin Swetlana Isambajewa im Gespräch mit DW weiter berichtet: "Teenager, die HIV-positiv sind, sagen oft, sie wären gerne einfach wie alle anderen. Einige von ihnen sind traurig, deprimiert und sogar lebensmüde. Ich kenne Fälle, wo Jugendliche keine Medikamente einnehmen wollten und darin einen Weg sahen, aus dem Leben zu scheiden." Junge Russen würden gerne über ihre HIV-Erkrankung sprechen, dürfen oder sollen das aber oftmals nichts.
Versorgungslage allgemein schwierig
Zudem hat sich seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges im letzten Jahr auch die Versorgungslage mit HIV-Medikamenten in Russland verschlechtert. Der russischen Regierung scheint diese Situation nicht ungelegen zu kommen, wie die HIV-Aktivistin Jana Kolpakowa vermutet: "Man ist ausgebrannt, man kämpft, aber die Beamten wollen einen nicht hören, sie tun nichts zum Wohle von Patienten. Und dann dieser Rückschlag - der Krieg, die repressiven Gesetze, der Entzug von Rechten von LGBT-Menschen."
Auch die Aufklärung über HIV selbst ist schwieriger geworden, denn sehr leicht besteht die Gefahr, dass auch dies bereits als “Werbung“ für Homosexualität umgedeutet werden kann. Nachdem Putin Ende letzten Jahres das Anti-Homosexuellen-Propaganda-Gesetz noch einmal verschärft hat, ist jedwedes Reden, Informieren oder Darstellen von Homosexualität oder LGBTI*-Themen für alle Russen verboten. Homosexuelle und offenbar auch HIV-positive Menschen sollen schrittweise unsichtbar gemacht werden.