Appell an die Bundesregierung Beim Grundgesetz müsse die historische Chance zur Ergänzung genutzt werden
Nach der gestrigen Bundestagsdebatte über die angedachte Ergänzung des Grundgesetzes mit dem Passus der „Sexuellen Identität“ in Artikel 3 als besonders schützenswerte Gruppe meldete sich jetzt der Verband Queere Vielfalt (LSVD+) mit einem eindringlichen Appell an die Bundesregierung zu Wort.
Ewiger Kampf ums Grundgesetz
Seit über 30 Jahren wird das Projekt immer wieder auf die Agenda gesetzt und scheiterte stets an der nötigen Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die Entwicklungen der letzten Jahre würden dabei jedoch eindringlich zeigen, wie dringend geboten eine Ergänzung jetzt sei, so Alexander Vogt aus dem Bundesvorstand des LSVD+: „Die Zahl der Straftaten im Bereich ´sexuelle Orientierung´ und ´geschlechtsbezogene Diversität´ hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Angriffe gegen queere Menschen, queere Orte – unsere Community – sind mittlerweile alltäglich.“
Grundsätzlich stellten jenseits der AfD alle anderen Parteien im Parlament gestern auch eindeutig klar, dass Homosexuelle und queere Menschen in Zeiten steigender Hasskriminalität in Deutschland stärker geschützt werden müssen. Allerdings: Für die Union steht erneut ebenso fest, dass alle Menschen bereits gleichwertig durch das Grundgesetz geschützt sind, es bedürfe daher keiner weiteren Ergänzung.
Mehr als Symbolpolitik
„Eine explizite Nennung von LSBTIQ* im Grundgesetz hat einen wichtigen symbolischen Wert, der in diesen politischen Zeiten nicht zu unterschätzen ist. Das haben auch die verbalen Entgleisungen der AfD in der Debatte verdeutlicht. Und auch materiell-rechtlich macht die Einführung einer expliziten Kategorie einen Unterschied: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz sexueller Identität ist zwar mittlerweile gefestigt, aber kann sich dennoch wieder ändern“, so Vogt weiter.
Das Paradebeispiel ist der Paragraf 175, der bis 1994 Sex unter Männern in unterschiedlich starker Ausprägung durch die Jahrzehnte hindurch kriminalisierte. Auch das sogenannte „Homosexuellenurteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 1957 schützte Schwule davor nicht. Die Bedenken von queeren Vereinen sind daher klar: Politische Mehrheiten können sich ändern und damit auch Gesetze für oder gegen die Community. Ein festgeschriebener expliziter Schutz von LGBTIQ+-Menschen im Grundgesetz ist indes eine Hürde, die dann so einfach nicht mehr genommen werden kann – unabhängig von der Frage, wer in Deutschland aktuell regiert.
Appell an die Abgeordneten
So richtet der LSVD+ sich abschließend deswegen abermals mit einem eindringlichen Appell an die Abgeordneten im Bundestag, insbesondere an die Vertreter von CDU/CSU: „Wir fordern jetzt alle Abgeordneten auf, konstruktiv miteinander ins Gespräch zu kommen. Auch wir stehen jederzeit für Gespräche zur Verfügung. Diese Gelegenheit muss genutzt werden: Historische Schutzlücke schließen, Grundgesetz sturmfest für die Zukunft machen!“, so Vogt abschließend.