Young & Successful Annikazion
Mit feuchten Augen spricht sie mit gedämpfter Stimme in die Kamera. Es ist mitten in der Nacht. Beeindruckt, gar überwältigt vom Feedback ihrer Aktion, die sie am Vormittag gestartet hatte: #WirGegenHomophobie. Mit einem Haufen Youtubern erreichte diese Message Anfang 2017 viele Menschen, sogar die Tageschau griff dies auf und auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes verbreitete den Hashtag.
Gerührt von der eigenen Bewegung und der Aufmerksamkeit wird der Tag wohl als einer der schönsten im Leben der jungen YouTuberin in Erinnerung bleiben. Aber alles auf Anfang. Von wem ist hier überhaupt die Rede?
Annika Gerhard ist am 29.12.1997 in der Münchener Vorstadt Dachau geboren und aufgewachsen. Dort hat sie ihre mittlere Reife gemacht und wie so viele die nicht wissen was sie machen wollen, das Fachabi mit Fachrichtung Kunst hinterhergeschoben. Aber da das Bildungssystem jungen Menschen eher weniger eine Richtung aufweist, sondern mehr damit beschäftigt ist, die Kreativität zu ersticken (Aussage des Redakteurs, nicht von Annika), wusste sie danach noch immer nicht was Sache ist.
Während der Schulzeit fing sie allerdings schon an, auf YouTube Videos zu produzieren. Ihre Eltern beruhigte sie damit, dass sie ein Praktikum nach dem nächsten machte, bis sie dann wissen würde, wo die Reise genau hingeht. Doch zu einer Ausbildung oder einem Studium sollte es nicht kommen: „Mit YouTube lief es irgendwann so gut, dass ich das „Hauptberuflich“ selbstständig machen konnte“, erinnert sich die 22-jährige.
Und das macht sie inzwischen auch gerne allein: „Vor ein, zwei Jahren war das noch DAS DING, dass ich so nach und nach alle großen YouTuber kennen gelernt habe. Mittlerweile merke ich, dass vieles einfach oberflächlich passiert und ich mich mit etwas Abstand hier in München sehr wohl fühle. Ich bin auch ein wenig übersättigt von all den Stories die es beispielsweise mittlerweile auf Instagram gibt. Ich denke mir mehr und mehr „wen interessiert das hier eigentlich alles?“. Aber das kommt glaub ich einfach daher, dass ich älter werde und das Influencer Ding mehr und mehr hinterfrage.“
Bekannt ist sie durch die Parodien von Produktionen, wie zum Beispiel „Love Island“, „Germanys Next Topmodel“ und „Jungs-, sowie Mädels-WG“, bei denen sie mit Sarkasmus Folge für Folge kommentiert oder teilweise nachstellt.
Bei YouTube Videos ist ihr Humor ein echter Crowd-Pleaser, gemessen an den 379.000 Abonnenten allein auf ihrem Hauptkanal. Im Alltag sieht das aber hin und wieder anders aus: „Oft wird das, was ich sage falsch aufgenommen, obwohl ich 90% des gesagten, nicht ernst meine. In ernsteren Situationen weiß ich mich dann aber auch zu „benehmen“ und bringe diese Kommentare nicht.“
Benehmen in den Kommentaren ist auch so eine Sache. Deshalb ist die Frage ob Frauen und die LGBTI*-Community es schwerer auf YouTube haben, sich mit smarten Inhalten durchzusetzen. Da Frauen oft als reines Sexobjekt dargestellt werden und LGBTI* mit Homophobie zu kämpfen haben: „Das kommt immer darauf an wie man sich präsentiert. Ich mag es beispielsweise nicht wenn man sich ausschließlich mit LGBT beschäftigt und seine Online Präsents auf die Sexualität reduziert. So ist die Angriffsfläche auch viel größer und offensichtlicher. Man sollte seine Persönlichkeit nicht um seine Sexualität bauen. Ich glaube jeder Mensch kann mehr als einfach nur lesbisch, schwul, Trans etc. zu sein.“
Ihr Outing bezeichnet sie als „gesunden Durchschnitt“: „Nichts spektakuläres. Ein, zwei Reaktionen waren nicht so schön, dass nehme ich den Personen aber nicht übel. Manchmal braucht es eben Zeit, um mit der plötzlichen Information umzugehen.“
Umgehen muss sie auch immer wieder mit kulturellen Unterschieden auf ihrem Reisekanal: „Reise ich in ein Land, dann lese ich mir auf der Seite vom Auswertigen Amt schon durch, ob man sich in der Öffentlichkeit zeigen kann. Da erschrickt man dann aber auch schon mal, da man seine sichere Deutschland-Blase verlässt.“, stellt Annika fest.
Als Ziel für das Jahr 2020 hat sich die Selbstständige in den Kopf gesetzt weniger Trash TV zu kommentieren und mehr kreativere Umsetzungen zu verfolgen. Aufnahmen und Produktionen die inspirieren. Passend zum YouTuber, dem sie gerne Mal über die Schulter schauen würde: „Sam Kolders Videos sind unfassbar gut gemacht. Sie vermitteln Gefühle, Emotionen und Erlebnisse, dass man sich wünscht selbst dabei gewesen zu sein.“
SCHWULISSIMO freut sich auf die kommenden Produktionen von Annikazion und wünscht weiterhin viel Erfolg.