Perfume Genius No Shape
Perfume Genius – oder auch Mike Hadreas, wie sein bürgerlicher Name lautet – ist von einer schier unendlichen Kreativität beseelt. Obwohl noch so jung an (künstlerischen) Jahren, hat er bisher bereits drei Alben veröffentlicht, die in ihrer Genialität absolut einzigartig sind. Zugleich scheint Mike seine Zuhörer auf eine Reise mitzunehmen, ja man ist als Genießer der bisherigen Alben und Lieder beteiligt an einem großen Entwicklungsprozess, der Perfume Genius weiterträgt in seinem Schaffen, weit über seine Grenzen hinaus.
Machten die ersten beiden Alben einen insgesamt doch eher düsteren Eindruck und verliehen Mike den Charme des individuellen Geheimtipps, dessen eindringliche Lieder bis in dunkle Räume vordringen, jedoch aufgrund ihrer Komplexität nicht gerade für jedermann leicht zugänglich waren, so wandelte sich das Bild beim dritten Werk „Too bright“ bereits spürbar.
Mit dem in 2014 neu erschienen Material auf „Too bright“ schritt der Sänger und Liedkomponist deutlich weiter aus und zeigte neue Facetten seiner Kreativität. Das Kunstwerk erntete, wie bereits auch seine beiden Vorgänger, unzähliges Lob, gewann aber darüber hinaus auch viele neue Fans und positiv überraschte Kritiker überall auf dem Erdball. Mike Hadreas zeigte nicht nur mehr von seiner Sensibilität, die besonders durch seine klare Stimme spürbar wurde (und natürlich noch immer wird) – ihm gelang auch der besondere Hattrick, Drumherum ein festes Klanggerüst zu bauen, so dass sich eine unglaubliche Spannung in den erzählten Geschichten aufbaute und sich diese auch in der Vibration und im Austausch zwischen Wort und Ton wiederspiegelte. Im Grunde seines Herzens blieb sich Mike aber doch treu, denn seine Popsongs schwelgten weiterhin in ihrer Entrücktheit, feierten sich selbst in teils dramatischen Hymnen.
Doch die Entdeckung des Perfume Genius war damit für den Hörer noch nicht einmal annähernd erschlossen. Denn so wie es bei mach anderem Künstler eher kaum bis keinen Fortschritt gibt, zeigt „No Shape“, das dieser Tage neu erscheinende, inzwischen also vierte Album, erneut klangvolle (im wahrsten Sinne!) Weiterentwicklungen, ja wir hören fast eine neue Art von Leichtigkeit, die man so bisher von Mike noch nicht kannte, in einer Qualität, wie man sie von überhaupt keinen anderen Künstler kennt.
Satte dreizehn neue Tracks warten darauf, bis in ihre tiefste Seele entdeckt zu werden. Denn nichts weniger bietet Perfume Genius an und nichts weniger erwartet er von seinen Fans als die Seele der Musik und die Erforschung derselben. „No Shape“ wird eröffnet vom geheimnisvoll schwebenden Opener „Otherside“, der zwar schon einen Ausblick gewährt auf das stimmliche Wunder, aber zumindest noch in den ersten Tönen eine gewissen Ruhe und auch Abgeklärtheit vortäuscht. Wenn dann aber mitten im Song wie mit einem Paukenschlag ein kräftiger Bass einsetzt und ein funkelnder Regen darnieder geht, ist man bereits mitten drin im Universum des Hadreas.
Der zweite Song zeigt, welche Vielfalt noch folgen wird, denn „Slip Away“ ist eine pralle Mischung aus dramatischen Glamourrock, fein abgestimmt mit etwas Soul und eine so eingängigen Chorusline, dass man nicht anders kann, als auf „Repeat“ zu drücken.
Ein Zustand, der auch bei den folgenden Liedern nicht abreist und „No Shape“ so zu einem unendlichen Genuss macht. Es ist wie das Abtauchen in eine neue Geschichte, auf die man schon so lange gewartet hat. Eine Fortsetzung, die vollkommen anders als erwartet, und doch völlig überzeugend das weitererzählt, was man bis zu eben diesem Zeitpunkt erlebt und geliebt hat.