Apropo Leben Gefühltes Tagebuch: Jeans mit Löchern
Was bedeuten eigentlich die Löcher im Käse, ähm, tschuldigung...in der Hose. Nicht irgendeiner Hose, sondern der Jeans. Diese ist seit über hundert Jahren Symbol der arbeitenden Bevölkerung, kommt aus den USA und wird durch entsprechende Nutzung stark beansprucht. Es ist schon einiges darüber philosophiert worden, warum sich vor allem junge Leute mit kaputten Jeans seit geraumer Zeit in der Öffentlichkeit zeigen. Da ist die Rede von Rebellion, Wohlstandsüberdruss und lächerlichem Trend. Die Löcher wurden in den Hippie-Zeiten der Sechziger erstmalig so richtig hip. Damals war der Kleiderschrank noch nicht so voll, es gab noch keine Billigmarken bei den Jeans. Die blauen Hosen wurden in Würde solange getragen, bis die Mama sie wegen der Defekte am Stoff entsorgte. Und die lässigen Hippies und Surfer haben sie einfach weiter getragen, bis sie in Fetzen hingen. Zunge zeigen dem Establishment.
Was also bringt Menschen dazu, vorgefertigte Löcher in den Hosen nicht nur zu akzeptieren, sondern auch noch dafür bisweilen einen hohen Preis zu zahlen? Kunstvoll werden die Löcher an prekären Stellen, wie Oberschenkel, Knie und sogar Po von Fachleuten geplant und angebracht. Es sind vor allem Trendsetter und Modebewusste, die solche zugigen Beinkleider bevorzugen. Ich selber habe mal den Versuch gemacht, solche Jeans anzuprobieren. Ich blieb allerdings im geräumigen Knieloch hängen. Um weiteren Schaden an der noch unbezahlten Ware zu vermeiden, habe ich das gute Stück wieder zurück gehängt. Ich habe da eine Theorie: Nicht Rebellion oder Provokation stehen im Mittelpunkt des Bewusstseins bei den Trägern der zerfetzten Jeans. Man sollte hier noch zwischen verschiedenen Stadien der textilen Misshandlung unterscheiden: „Ripped“ ist nur leicht beschädigt, „destroyed“ dagegen gänzlich unbrauchbar im Kontext bisheriger gesellschaftlicher Normen. Also doch Rebellion? Viele machen sich wohl auch gar keine Gedanken, es ist einfach cool und angesagt. Und das schon seit vielen Jahren. Mich beschleicht da ein Gedanke. Vielleicht soll mit den kaputten Dingern eine Illusion geschaffen werden. Komplizen sind dabei die Mode-Industrie und brave Konsumenten. Brav deshalb, weil sie den Trend mit am Leben erhalten. So, jetzt die Theorie: „Wasted“ ist das Stichwort. Vor ein paar Jahren gab es Models, die abgelichtet wurden in einem erbärmlich wirkenden Zustand von angeblicher Übernächtigung, Drogenkonsum und Lotterleben. Vielleicht wollen die Jugend und Jungvermutete damit zum Ausdruck bringen, dass sie schon unheimlich viel herum gekommen sind, unheimlich viel erlebt haben und unheimlich abgeklärt sind. Das wäre doch möglich. Sie imitieren mit ihrer Kleidung das Image von echten Globetrottern und Lebenskünstlern. Damit zeigen sie allerdings auch ungewollt eigene Defizite.
Oder vielleicht ist es sexy, ein bisschen abgerissen zu sein? In Ländern mit geringem Durchschnittseinkommen ist gepflegte Kleidung ein Ausdruck von Aufstieg und Erfolg. Mit defekter Kleidung widerspricht man diesem Credo. Antispießer-Attitüde? Ein bisschen Clochard gefällig? Nein, auf gar keinen Fall. Denn bei Schuhen und Intimwäsche sind derlei Eskapaden nicht erwünscht. Mir fallen da noch die Antiklederjacken aus den Achtzigern ein, gerne im Pilotenlook. Motto: Live fast und die young. Vieles spricht dafür - und Soziologen sollten sich dem Thema annehmen - dass hier eine Wertewandel statt findet. Kleidung ist immer Ausdruck von Befindlichkeit und Anspruch der Träger. Kleider machen Leute, so sagt man. Auf Festivals jedenfalls sind die löchrigen Jeans immer richtig. Wann wird es eigentlich Mode, mit künstlichen Flecken auf Anzug und Krawatte beim Dinner aufzuschlagen? Das wäre doch mal eine echte Innovation!
Vintage-Look
Anders als bei artifiziell gealterten Kleidungsstücken, bedient sich dieser Modetrend auf nachhaltige Weise der Secondhand-Verwertung von abgelegten Textilien aus früheren Zeiten. Während Retro-Mode bei neuen Produkten die alten Muster imitiert, haben Vintage-Klamotten echte „Patina“ und tragen Geschichte in sich. Zudem macht das Stöbern in den einschlägigen Shops viel Spaß. Hier kann man echte Schnäppchen machen, auch bei Markenartikeln.