Protest verhindert LGBTI*-Aktivist Peter Tatchell in Indien unter Hausarrest
LGBTI*-Aktivist Peter Tatchell ist der bekannteste Menschenrechtler Großbritanniens. Er und sein Mitarbeiter Pliny Soocoormanee waren in die indische Metropole Mumbai gereist, wo gerade die Generalversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) tagt. Die beiden wollten dagegen protestieren, dass sich autoritäre Staaten als Ausrichtungsort der Olympischen Spiele 2036 bewerben können. Vor dem Protest wurden sie jedoch in ihrem Hotel unter Hausarrest gestellt. Denn die indische Regierung hatte jegliche Protestaktionen in der Nähe des Versammlungsorts verboten.
Polizei am Hotelzimmer
Tatchell berichtet, dass am Freitag sechs Polizeikräfte in sein Hotelzimmer kamen. Er und sein Mitarbeiter seien zwei Stunden lang verhört worden. Nach dem Verhör habe man den beiden Männern verboten, das Zimmer zu verlassen. Um das durchzusetzen, wurden Polizeimitglieder in der Lobby des Hotels stationiert. Am Morgen danach erklärten weitere Polizeikräfte die „Präventivhaft“ und durchsuchten ohne Befugnis einige von Tatchells persönlichen Gegenständen und fotografierten Seiten aus seinem Tagebuch.
Ein Brief der Polizeistation in Kurla erklärte Tatchell: „Wir sind darauf aufmerksam geworden, dass Sie möglicherweise gegen die Regeln und Vorschriften für Touristenvisa … verstoßen.“ Das Touristenvisum gestatte Tatchell für die Dauer seines Aufenthalts lediglich touristische Unternehmungen. „Jegliche Aktivitäten, die von diesem Zweck abweichen, sind strengstens untersagt und stellen einen Verstoß gegen die Bedingungen Ihres Visums dar“, so der Brief.
Inzwischen wurde der Hausarrest aufgehoben. Trotzdem werden Tatchell und sein Mitarbeiter jedes Mal von Polizeikräften verfolgt, wenn sie das Hotel verlassen. „Im Moment wirkt Indien wie ein Polizeistaat“, so Peter Tatchell – ganz so wie er es bereits bei den Weltmeisterschaften 2018 in Moskau und 2022 in Katar erlebte. Laut dem Britischen Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Commonwealth und Entwicklung ist es „sehr unüblich“, dass Personen in Indien im Hotel festgehalten werden. Morgen fliegt Tatchell zurück nach London.
Was Tatchell beanstandet
Zur Wahl für den Ausrichtungsort für die Sommerspiele 2036 stehen neben Indien unter anderem Ägypten, China, Indonesien und Katar – also fast ausschließlich autoritär geführte Länder. Tatchell fordert jedoch, dass das größte Sportereignis der Welt nicht in einem Staat stattfindet, der die Menschenrechte verletzt. Besonders schwer wiegt für ihn, dass diese Olympiade 100 Jahre nach der Nazi-Olympiade in Berlin passiert – man müsse sicherstellen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.
Zu Protestzwecken hatte Tatchell daher die Petition #NoSportsWashing gestartet. Darin erklärte er: „Das IOC muss garantieren, dass Athletinnen und Athleten sowie Fans die Olympiade genießen können, ohne sich Gedanken darüber machen zu müssen, wegen einer Regenbogen-Schleife oder Kritik an Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland festgenommen zu werden.“ Das Komitee müsse Anträge solcher Länder daher rigoros ablehnen.
Lage in Indien
Vor fünf Jahren hob Indiens Oberster Gerichtshof das Verbot von Homosexualität auf. An der Diskriminierung queerer Personen änderte sich jedoch nichts. Tatsächlich gilt die aktuelle Regierung unter Premierminister Narendra Modi als äußerst LGBTI*-feindlich. Zum Beispiel verhinderte sie zu Beginn des Jahres, dass ein offen schwuler Mann zum Obersten Richter ernannt wurde.