Es lockte ein Model-Vertrag Ex-Abercrombie-CEO Michael Jeffries soll junge Männer sexuell ausgebeutet haben
Von 1992 bis 2014 stand Michael „Mike“ Jeffries (79) an der Spitze des Jugendmode-Modekonzerns Abercrombie & Fitch. Die investigative BBC-Doku-Reihe „Panorama“ enthüllte nun, dass Jeffries seine Machtposition dazu ausnutzte, um junge Männer zum Sex zu zwingen. Der britische Sender recherchierte zwei Jahre lang für die Folge „The Abercrombie Guys: The Dark Side Of Cool“.
Für Sex-Treffen rekrutiert
Acht Männer beschuldigen Jeffries und dessen Partner Matthew Smith, sie auf speziell dafür geplanten Veranstaltungen sexuell genötigt zu haben. Die Einladungen kamen von einem Mittelsmann namens James Jacobson. Offenbar machte dieser den jungen Männern Hoffnung auf einen Model-Vertrag. Vom wahren Ziel – dem Sex mit Jeffries und dessen Partner – hätten die Männer nichts geahnt. Vor Ort wurden die Möchtegern-Models, die für ihre Teilnahme bezahlt wurden, unter Druck gesetzt und schließlich ausgebeutet oder missbraucht.
Die Sex-Partys sollen von 2009 bis 2015 stattgefunden haben. Getroffen wurde sich in den Jeffies’ Wohnstätten in New York City sowie in Luxushotels in aller Welt, zum Beispiel in London, Paris, Venedig und Marrakesch. Gegenüber BBC behauptete der Vermittler, dass die Betroffenen „mit offenen Augen“ zu den Veranstaltungen gegangen seien – sie hätten genau gewusst, worauf sie sich einlassen.
Zu den Männern, die der BBC ihre Erfahrungen schilderten, gehört auch TikToker, Model und Life Coach Barrett Pall. „Ich glaube, diese Erfahrung hat mich gebrochen“, so Pall auf Instagram. „Ich glaube, es hat mir jeden Rest von Unschuld geraubt, den ich noch hatte. Es hat mich seelisch verwirrt. Aber mit der Sprache, der ich heute mächtig bin, kann ich hier sitzen und Ihnen sagen, dass ich ausgenutzt wurde.“ Die Nötigung und die bewusste Verschleierung, von der viele der Betroffenen berichteten, lässt auf eine eingespielte Maschinerie hinter den Sex-Treffen schließen.
Staatsanwaltschaft prüft Beweislage
Wer in den USA erwachsene Menschen durch Gewalt, Betrug oder Nötigung dazu bringt, gegen Bezahlung in einen anderen Staat oder ein anderes Land zu reisen, um dort Sex zu haben, macht sich des Sexhandels strafbar. Zwei ehemalige US-Staatsanwälte prüften die Beweise, die der Sender zusammentrug. Sie fordern eine Untersuchung, die eine mögliche Anklage-Grundlage ermitteln soll. Juristische Schritte folgten bislang nicht. Weder Jeffries noch sein Partner äußerten sich zu den Vorwürfen.
Abercrombie & Fitch zeigte sich im Angesicht der Vorwürfe gegen den ehemaligen CEO „entsetzt und angewidert“. Auf Instagram erklärte der Konzern: „Wir haben null Toleranz für jede Art von Missbrauch, Belästigung und Diskriminierung.“ Daher habe man nun eine interne Untersuchung eingeleitet.
Über Abercrombie & Fitch
Als Michael Jeffries Anfang der 90er Abercrombie übernahm, stand das Unternehmen kurz vor der Pleite. Im Jahr 2000 hatte sich A&F zur angesagtesten Jugendmarke der USA entwickelt. Leider basierte der Erfolg auf Ausgrenzung vor allem nicht-weißer Personen, und das kam auch zusehends ans Licht. Auch Jeffries selbst trug zum Image-Abstieg der Marke bei, als er 2006 betonte: „Wir wollen die attraktiven, typisch amerikanischen Teenager mit einer tollen Ausstrahlung und vielen Bekannten.“ Die Kleider seien „absolut“ den idealen Kundinnen und Kunden vorbehalten, bestätigte Jeffies damals. Zum Beispiel denen, die höchstens L tragen, denn das Unternehmen produzierte lange keine größeren Größen. Nach anhaltenden Protesten und herben Verlusten verließ Jeffries die Firma – erschien eines Tages einfach nicht mehr zur Arbeit. Den genauen Hergang beleuchtete letztes Jahr die Netflix-Doku „Abercrombie & Fitch: Aufstieg und Fall“ (SCHWULISSIMO berichtete).