Das Ende einer Ära Bis Jahresende schließt das Mode-Unternehmen für immer - unter anderem wegen steigender Homophobie
Die Kultmarke Andrew Christian ist innerhalb der schwulen Community seit rund 25 Jahren sehr beliebt, insbesondere für ihre engen Badehosen und Unterwäsche. Ganz offen warb das Unternehmen viele Jahre lang sehr freizügig und sexpositiv mit schwulen Männern in ihren Werbespots, darunter waren auch immer wieder namhafte Stars der schwulen Pornoindustrie. Zum Ende des Jahres hört die Modefirma nun auf – zu den Gründen erklärte sich jetzt erstmals der Firmenchef.
Ende eines Lebenswerks
Bis Jahresende werden nicht nur alle Läden geschlossen, auch das Online-Angebot inklusive des gesamten Sortiments an Slips, Jocks, Badehosen und Sportbekleidung wird einstellt. Die Marke trägt dabei den Namen des Gründers und Designers Andrew Christian, der gegenüber dem US-Portal Queerty jetzt erklärte: „Andrew Christian war mein Lebenswerk, mein kreatives Ventil und ein sicherer Raum für so viele in der LGBTIQ+-Community – mich eingeschlossen. Das war keine leichte Entscheidung, aber es war die richtige.“
International wurde die Marke zum Kult in der Gay-Community, nachdem sich Gründer Christian zu Beginn der 2000er Jahre auf sexy Herrenunterwäsche konzentrierte und Werbung ausschließlich nur noch mit schwulen Models, Tänzern, Drag Queens und schwulen Pornostars machte. „Die meisten der Models, die ich gecastet habe, waren Amateure, weil ich nur schwule Models fotografieren wollte, und sie waren oft sehr nervös, wenn sie am Set waren. Es war wunderschön zu beobachten, wie diese Jungs erst ängstlich und unsicher waren und sich dann wandelten hin zu einem selbstbewusstem Auftreten und dem offenen Bekenntnis zu ihrer Sexualität.“
Konkurrenz und Homophobie
Im Oktober gibt es nun die letzte Herbst-Winter-Kollektion. Der Grund für das Ende ist einerseits dem Verbraucherverhalten geschuldet – gerade die junge queere Generation kaufe laut Christian immer mehr bei Fast-Fashion-Plattformen, auf denen in China produzierte Unterwäsche für drei Dollar angeboten werden. Damit könne Qualitätsware nicht mithalten.
Christian bot das Unternehmen allen großen Bekleidungsunternehmen zum Kauf an, keiner wollte es – das hatte laut dem Unternehmer nebst der Konkurrenz aus China auf der anderen Seite noch einen zweiten Grund: „Das politische Klima hat dazu geführt, dass es für große Unternehmen unpopulär geworden ist, in schwule Marken zu investieren. Es gibt eine Abneigung gegen die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die sich auf LGBTIQ+ konzentrieren. Vor ein paar Jahren gab es sowas noch nicht.“
Mit Blick auf die queere Community betont Christian daher eindringlich: „Wenn die LGBTIQ+-Community andere schwule Marken, schwule Bars und ähnliche Unternehmen nicht unterstützt, wird es keine schwulen Unternehmen mehr geben. Wir befinden uns an einem kritischen Punkt, an dem unsere eigene Gemeinschaft bewusste Entscheidungen darüber treffen muss, wo wir unser Geld ausgeben, oder wir werden genau die Orte und Marken verlieren, die uns seit Jahrzehnten unterstützt haben.“
Besondere Momente
Auf die Frage, ob Christian sein Lebenswerk nicht doch vermissen werde, erklärte der Designer abschließend: „Was ich am meisten vermissen werde, sind die ruhigen Momente zwischen den Aufnahmen, wenn ein schüchternes Model plötzlich über sein Leben spricht, oder wenn wir alle nach einem langen Drehtag noch voller kreativer Energie zusammensitzen und über Träume und Ängste sprechen und darüber, was es bedeutet, Teil von etwas zu sein, das größer ist als wir selbst. Das waren nicht einfach nur Fotoshootings – es waren Momente der Verbundenheit, des Aufbaus von Selbstvertrauen, der Schaffung eines sicheren Raums, in dem die Menschen sich so authentisch wie möglich zeigen konnten.“