Chancen und Herausforderungen Nabelschnurblutstammzellen – so weit ist die Forschung heute
Die Nutzung von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut beziehungsweise aus dem Gewebe der Nabelschnur gewinnt zunehmend an Bedeutung in Medizin und Forschung. Im folgenden Artikel erhalten Sie einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung, über Anwendungsgebiete und neueste wissenschaftliche Entwicklungen.
Was steckt hinter Nabelschnurblut und Nabelschnurgewebe?
Nabelschnurblut ist das kindliche Blut, das nach der Geburt in Nabelschnur und Plazenta verbleibt. Dieses Blut enthält sogenannte hämatopoetische Stammzellen, die lebenslang neue Blutzellen und Immunzellen produzieren können. Das Nabelschnurgewebe hingegen ist das gallertartige Bindegewebe der Nabelschnur, in dem sich Blutgefäße befinden. Dieses Gewebe liefert sogenannte mesenchymale Stammzellen (MSCs), die sich unter bestimmten Bedingungen zu Knochen-, Knorpel-, Muskel- oder Nervenzellen entwickeln können.
Warum ist das relevant? Die Stammzellen im Nabelschnurblut und Nabelschnurgewebe sind „jung“ und leistungsfähiger als Stammzellen älterer Spender. Stammzellen aus dem Nabelschnurblut können etwa nach einer Chemotherapie eingesetzt werden, um Knochenmark zu reparieren, das durch die Behandlung geschädigt wurde. Daher ist eine Entnahme von Nabelschnurblut direkt nach der Geburt Ihres Kindes der perfekte Zeitpunkt.
Bisherige Anwendungen und aktueller Stand der Wissenschaft
Bereits seit 1988 wird Nabelschnurblut bei bestimmten Erkrankungen eingesetzt – die erste Anwendung war eine Transplantation bei der Fanconi‑Anämie – einer durch DNA-Störungen verursachte Erbkrankheit, die etwa Tumore hervorrufen kann. Seitdem wurden weltweit über 60.000 Anwendungen dokumentiert, bei rund 80 verschiedenen Erkrankungen.
Die in Deutschland behördlich zugelassenen Hauptanwendungen sind die Transplantation blutbildender Stammzellen für den Wiederaufbau von Knochenmark und Immunsystem. nach. Das ist beispielsweise bei Hochdosis‐Chemotherapien, bei Leukämien, Blutbildungsstörungen oder Immundefekten nötig.
Laut der Nabelschnurblutbank Vita 34 wurden bislang 255 Nabelschnurblutpräparate für therapeutische Zwecke eingesetzt (Stand: Oktober 2025).
Mesenchymale Stammzellen (MSCs) aus Nabelschnurgewebe
Die MSCs aus dem Nabelschnurgewebe werden in der sogenannten präklinischen Forschung untersucht. Unter anderem wird ihr Einsatz zur Regeneration von Knorpel-, Knochen- oder Rückenmarksverletzungen erforscht. Auch die Heilung von Hautwunden oder Lungenfibrose kann damit möglicherweise bald unterstützt werden.
Weltweite Studien geben Hoffnung
Laut Vita 34 laufen weltweit Studien zu folgenden Bereichen:
- Hirnschädigungen (zum Beispiel frühkindliche Hirnschäden, Zerebralparese)
- Herzfehler bei Neugeborenen und Kleinkindern (Regeneration von Herzgewebe)
- Chronische Lungenerkrankungen, etwa bei Frühchen mit Lungenfunktionsproblemen
- Autoimmunerkrankungen wie Typ-1‐Diabetes, Rheumatoide Arthritis oder Morbus Crohn
Chancen und Herausforderungen in der Nabelschnurblut-Forschung
Chancen:
- Die frühe Gewinnung der Zellquellen, in Form von einer Entnahme des Nabelschnurbluts und Nabelschnurgewebes unmittelbar nach der Geburt, ist völlig schmerzfrei und risikoarm für Mutter und Kind.
- Junges Alter der Zellen und geringere Umwelteinflüsse versprechen bessere therapeutische Möglichkeiten – je unverbrauchter die Zellen, desto vielversprechender der Einsatz.
- Großes Potenzial im Hinblick auf Anwendungen bei bislang schwer behandelbaren Erkrankungen: Schlaganfall, Herz- und Lungenerkrankungen, Rückenmarksverletzungen et cetera.
Herausforderungen:
- Zellzahl: Damit eine autologe Anwendung (mit körpereigenen Stammzellen) zum Einsatz kommen kann, muss ausreichend Zellmaterial vorhanden sein – bei Erwachsenen kann das ein Problem sein.
- Zulassung und Evidenz: Viele regenerative Ansätze befinden sich noch im Studienstadium und sind als therapeutische Behandlungsmethoden bisher nicht zugelassen. Die Einsatzgebiete der regenerativen Medizin befinden sich derzeit im Stadium der klinischen Forschung.
- Qualitätssicherung und Lagerung: Stammzellenbanken wie Vita 34 müssen bei Verarbeitung, Lagerung und Dokumentation strenge gesetzliche Vorgaben einhalten und stehen unter Aufsicht des Paul‐Ehrlich‐Instituts.
Die Forschung zu Stammzellen aus Nabelschnurblut und Nabelschnurgewebe zeigt eindrucksvoll, dass diese Zellquellen über das klassische Einsatzfeld der Blutbildung hinaus in vielen Bereichen der regenerativen Medizin an Bedeutung gewinnen könnten. Stammzellenbanken bieten bereits heute eine Infrastruktur zur Einlagerung an und stellen Informationen zur Verfügung, die Transparenz in Bezug auf Einsatzmöglichkeiten und Forschung schaffen.
Dennoch gilt: Viele der vielversprechenden Anwendungen befinden sich derzeit noch im Forschungs- oder Studienstadium. Wenn Sie sich für eine Einlagerung entscheiden, machen Sie sich bewusst, dass nicht jede eingelagerte Probe garantiert eingesetzt wird und dass immer auch die Zellmenge beziehungsweise Qualität eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig bietet die frühe Einlagerung dieser Zellen Ihrem Kind die Chance auf zukünftige medizinische Optionen, die heute vielleicht noch nicht etabliert sind.