Unterstützung für queere Menschen Eine Trainings- und Empowerment-Plattform macht Mut
Der gebürtige Ukrainer Pavlo Stroblja kam in jungen Jahren nach Deutschland und arbeitete einige Jahre im Bereich Kultur und Marketing, bevor er 2021 die digitale Trainings- und Empowerment-Plattform QUEERMENTOR gründete. Ziel ist es dabei, queeren Menschen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und ihnen in allen Bereichen Hilfestellungen an die Hand zu geben – von der Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins bis hin zu Trainings rund um Beruf und Karriere. Die Spannweite der Angebote ist groß, aktuell stehen rund 170 queere Mentoren aus diversen Bereichen bereit, um ihre Erfahrungen und auch ganz praktische Tipps kostenlos weiterzugeben.
Pavlo selbst merkt man mit jedem Atemzug an, wie wichtig ihm das Projekt ist – mit der größten internationalen Cider-Marke Somersby hat QUEERMENTOR nun einen starken Partner gefunden, der die Vision einer offenen und inklusiven Welt teilt. In diesem Jahr steuert die Cider-Marke 50.000 Euro bei, fährt eine breite digitale LGBTI*-Kampagne und wird auf allen Apple Cider Produkten sowie auch im Einzelhandel selbst auf QUEERMENTOR aufmerksam machen. SCHWULISSIMO hat Pavlo Stroblja und Vanessa Völker von Somersby zum Gespräch getroffen.
Gerade jetzt während der Pride-Season schmücken sich viele Firmen mit Regenbogenfedern, vergessen dann aber im Herbst die LGBTI*-Community wieder. Euch ist dagegen ein langfristiges Engagement wichtig, oder?
Vanessa: Ja! Wir haben uns zunächst einmal auf dieses Jahr fokussiert, aber es ist sehr klar, dass wir längerfristig zusammenarbeiten wollen. Wir wollen gemeinsam etwas auf- und ausbauen und wir wollten Pink Washing auf jeden Fall vermeiden. Aus dem Grund haben wir uns mit diesem Thema von Anfang an sehr intensiv auseinandergesetzt und bereits vor dem Start der Kampagnenentwicklung Kontakt zur LGBTIQ+ Community gesucht und uns diesbezüglich ausgetauscht. Für uns war klar, dass queere Stimmen und Perspektiven den Kern unserer Kampagne ausmachen sollen und dass wir dementsprechend diesen Schritt nur mit einer starken LGBTIQ+ Partner:innenorganisation an unserer Seite gehen wollen - mit QUEERMENTOR haben wir hier das perfekte Match gefunden. Neben der gemeinsamen Kampagne und Special Edition möchten wir auch als Unternehmen im Rahmen der Zusammenarbeit mehr darüber lernen, wie sich die Mitarbeitenden und das Unternehmen für queere Menschen stark machen können. Dies soll unter anderem durch Workshops zum Thema „Queer Awareness“ geschehen, die auch intern dafür sorgen sollen, die Mitarbeitenden für das Thema zu sensibilisieren.
Pavlo: Das Thema Sichtbarkeit ist sehr wichtig. Viele Unternehmen tragen dazu bei, dass queere Lebensrealitäten immer mehr ein Stück weit zur Normalität werden. Es gibt Firmen, die sich mit solchen Pride-Aktionen positionieren wollen, um zu zeigen, sie sind LGBTI*-freundlich. Und es gibt Unternehmen wie Somersby, die auch inhaltlich und nachhaltig etwas bewegen wollen. Wir möchten auch die Unternehmen ansprechen, die sich bisher noch nicht für die Community engagieren, und ihnen sagen: Tut was Gutes für die Welt und tut was Gutes für die Menschen, die Probleme damit haben, sie selbst zu sein.
Was ist für euch das Ziel der Kampagne?
Vanessa: Wir wollen darauf aufmerksam machen, wie anders das Leben ausschauen kann und mit welchen Thematiken man konfrontiert wird, wenn man queer ist. Nebst der digitalen Kampagne möchten wir auch mit einer breit angelegten Plakat-Aktion Denkanstöße für eine offenere Gesellschaft geben.
Grundsätzlich kann sich jeder junge und auch erwachsene queere Mensch bei QUEERMENTOR melden. Seit der Gründung waren das bisher rund 50 Personen. Wie sind die bisherigen Erfahrungen hier?
Pavlo: Das Durchschnittsalter unserer Mentees liegt bei etwa 24 Jahren. Wir erfahren hierbei immer wieder, dass es nach wie vor sehr viel Bedarf in diesem Bereich gibt. Durch unsere digitale Aufstellung können wir das ortsunabhängig anbieten, sprich, auch jungen queeren Menschen in strukturschwachen Regionen kann im 1:1-Gespräch mit einem Mentor geholfen werden. Unsere Kapazitäten sind noch lange nicht erschöpft und natürlich ist es uns wichtig, so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Gleichwohl, wenn wir wissen, dass wir auch nur einem Menschen geholfen haben, zu sich selbst zu finden, ist das schon ein großer Erfolg für uns.
Mit welchen Herausforderungen kommen junge Queers zu euch?
Pavlo: Viele fühlen sich ausgeschlossen und allein gelassen mit den Themen, die sie beschäftigen. Eines der wichtigen Aspekte ist dabei die Zugehörigkeit. Ein anderes Thema ist der Bereich Mobbing. Uns ist es ein sehr wichtiges Anliegen, dass unsere Mentees möglichst schnell aus der „Opferrolle“ herauskommen. Durch das Empowerment können wir zudem auch präventiv dem Mobbing entgegenwirken. Unsere klare Ansage ist: Du bist genau richtig, wie du bist! Lass´ dir von keinem etwas anderes erzählen! Und du bist nicht alleine mit deinen Gefühlen!
Queere Menschen können sich über die Homepage von QUEERMENTOR direkt bewerben – ich kann mir vorstellen, dass jüngere Queers trotzdem Bedenken haben, sich anzumelden. Wie kann man diesen jungen Menschen die Angst nehmen?
Pavlo: Zum einen will ich den jungen Menschen sagen, dass jede positive Veränderung damit beginnt, aus der eigenen Komfortzone herauszutreten. Zum anderen halte ich es für wichtig, auch klarzumachen, dass ich und auch unsere Mentor*innen sehr gut nachvollziehen können, welchen Weg junge Menschen gerade gehen, denn wir sind ihn früher selbst gegangen – mit uns kann man daher wirklich unbefangen sprechen. Hier findet man Menschen, die einen verstehen, empathisch sind und für einen einstehen.
Warum braucht es für queere Menschen ein spezielles Programm?
Pavlo: Menschen, die einzigartig unterschiedlich sind, müssen auch den Nährboden finden, um sich zu entwickeln und das Gefühl zu bekommen, sich nicht verstecken zu müssen. Das stärkt man am besten mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Unsere Gesellschaft lebt von der Diversität und der Vielfalt und wenn diese unterdrückt wird, dann geht uns etwas Wichtiges verloren.
Vanessa: Ich denke, dass auch das Thema Safe Space ein ganz wichtiger Punkt ist. Oftmals hat man als queerer Mensch bereits negative Erfahrungen gemacht, wenn man versucht hat, sich mitzuteilen. Bei QUEERMENTOR triffst du auf Menschen, von denen du auf jeden Fall angenommen und verstanden wirst. Man muss sich keine Sorgen über irgendwelche Beurteilungen oder verletzende Kommentare machen.
Wann haben wir hundert Prozent Akzeptanz erreicht?
Pavlo: Ich glaube, wenn wir uns selbst zu einhundert Prozent akzeptiert haben. Es gibt so viele Menschen in der queeren Community, die Akzeptanz von außen suchen und dabei akzeptieren sie sich selbst nicht. Das wahre Empowerment fängt bei einem selbst an. Wenn sich jemand selbst so akzeptiert, wie er ist, dann hat er auch die Kraft, sich allem entgegenzustellen, was von außerhalb kommt.