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Ralf König // © vvg

Ralf Königs neues Buch "Herbst in der Hose"

vvg - 07.06.2017 - 10:00 Uhr
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Konrad und Paul in den Wechseljahren, kann das lustig sein? Können Knollennasen faltig werden?
Während der Arbeit war ich mir sicher, dass das wenig lustig wird. Ich dachte, alternde schwule Nasen, die nur auf dem Sofa sitzen und jammern, will doch keiner lesen. Aber es ist dann doch ein sehr komisches Buch geworden, der Verlag reagierte jedenfalls ungewöhnlich amüsiert. Über alternde Männer gibt’s wohl bisher nicht viel Spaßiges.

Was ist bei diesem Buch anders, als bei bisherigen Geschichten von dir?
Naja, ich habe schon öfter Kurzgeschichten über das Älterwerden gezeichnet, aber das nun zum Hauptthema zu machen, war schon ein Schritt. Das ging sehr an meinen eigenen Frust und an die Ängste. Ich wollte immer, dass meine Nasen mit mir altern. Ich zeichne nun seit 35 Jahren schwule Comics, und habe immer aufgegriffen, was mich im Leben grad beschäftigte oder was in der Szene und Gesellschaft los war. Und nun beschäftigt mich nun mal, dass ich allmählich zum alten Sack mutiere.

Wie stehst du selbst zum Alter?
Da halte ich’s mit Cher: ‚Alt werden ist Scheiße, und wer was anderes behauptet, lügt!‘ Nichts mit ‚Das Alter ist doch nur 'ne Zahl.‘ oder ’Man ist nur so alt, wie man sich fühlt.’, das sind banale Trostsprüche. Ich wollte mit dem Buch ans Eingemachte, ich wollte ehrlich bleiben. Und Altwerden ist nun mal nicht sexy. Ich hasse es wirklich, aber mir ist auch klar, dass das ein Luxusproblem ist. Der Großteil der Menschen auf der Welt würde gern in Ruhe älter, die haben aber andere Sorgen. Trotzdem, ich steig' in den Fahrstuhl, sehe mich plötzlich im Spiegel, am besten mit krassem Halogenlicht von oben, dass jedes Fältchen zur Furche wird und denke: So siehst du aus? Kann doch nicht sein! Vorgestern warst du doch noch ein Sahneschnittchen! Was ich übrigens selten so empfunden habe, aber wenn ich alte Fotos sehe …        

Man nennt dich Beobachter mit psychologischem Feinsinn. Wo hast du da die Recherche betrieben?
Erst mal guck ich wie immer in mich rein und auf mich drauf, dann beobachte ich meine Umgebung, meine Freunde, wie sie alle langsam anfangen, leise zu ächzen beim Hinsetzen und Aufstehen. Und über die Begriffe ‚Andropause‘ und ‚Klimakterium virile‘ hab ich im Internet geforscht. Dabei verging mir dann alles. ‚Verringerung des Hodenvolumens‘! Das will man gar nicht so genau wissen, oder? Aber ich hatte immer so’n Hang, in meinen Comics die Tragödie zur Komödie zu machen, da musste ich mich dem stellen.     

Die Sehkraft lässt nach, Haare werden grau und wachsen an Stellen, wo sie nicht hingehören, die Libido lässt nach. Warum haben gerade wir Schwule solche Probleme mit dem Älterwerden?
Ich wäre ja froh, wenn mir Haare an Stellen wüchsen, wo sie nicht hingehören! Ich steh doch auf Haare, nicht mal das ist mir gegeben! Aber im Ernst: Wer im Leben oft und gern guten Sex hatte und das als Genuss ansah, findet den allmählichen Verlust der Notbuchgeilheit nicht erfreulich, ob schwul oder nicht. Mag sein, dass es Heteros gibt, die sich dem fügen, die ihre Kinder großziehen und sonst zufrieden neben der Gattin vorm Fernseher fett werden. Da sind Schwule womöglich anders drauf. Ich hab erst mit 45 gemerkt, dass sich langsam was verändert. Dass das mit dem Flirten aufhört, dass ich lieber auf dem Sofa bleibe, anstatt exzessiv Karneval zu feiern, weil ich die nötige Beklopptheit nicht mehr hinkriege und nach drei Kölsch und einem Joint zwei Tage Erholungsphase brauche. Und dass die Morgenlatte allmählich zu einem selten gesehenen Phänomen wird. Ist doch so: Morgens beim Aufwachen einen hart haben wird Grund zum Sektfrühstück.

Wo und wann wirst du dieses Buch öffentlich präsentieren?
Meine ersten Comiclesungen damit hab ich im Prinz Eisenherz Buchladen in Berlin, Ende Juni. Und dann nach und nach überall, wo man mich bucht und sehen will, vielleicht ja auch mal in Köln. Hier ist es mit Veranstaltern etwas zäh. Aber ich freue mich schon auf ein langsam ergrauendes Publikum, und danach können wir beim Bücher signieren kollektiv jammern.

Vor 30 Jahren begann deine Karriere zu DEM ComicZeichner Deutschlands. Was sind in deine Erinnerungen, deine künstlerischen Höhepunkte (und deine privaten)?
Oh, das würde nun den Rahmen sprengen, so viele private Höhepunkte! (lacht) Aber stimmt, mit DER BEWEGTE MANN fing das 1987 an. Dann kamen später der Film und eine schlechte Fernsehserie und bald gibt es zum Jubiläum ein Musical in Hamburg, im Thalia Theater. Keine Ahnung, warum ausgerechnet dieser Comic so knallte, ich meine danach viel bessere Bücher gemacht zu haben. Aber es war wohl die richtige Story zur richtigen Zeit; das traf einen Nerv. Aber auch nervig ist, dass in jedem Artikel hinter meinem Namen immer noch in Klammern DER BEWEGTE MANN steht! Als hätte ich danach nichts mehr gemacht. 

Gibt es ein Happy End in "Herbst in der Hose", bzw. was kommt nach diesem Buch?
Wie das endet, sollte man selber lesen, aber nun bin ich erst mal fertig mit dem Altern. Wie in 'Das Bildnis des Dorian Gray‘, Paul altert, ich nicht. Als nächstes plane ich ein Buch über Urmenschen. Ich zeichne ja so gern behaarte Männchen.

Was wünschst du dir für das Genre Comic in der Zukunft?
Ach, das wird nie was in Deutschland, es ist ein Jammer. Ich war mal in Angouleme in Frankreich beim Comicfestival, weil ich einen Preis bekam für WIE DIE KARNICKEL. Da war jede Menge Presse, Unmengen an Comictiteln und Publikum, der Kulturminister übergab die Preise, es war wie beim Filmfest in Cannes! Die Zeichner waren Stars, manche hatten Groupies! Ich will auch Groupies! Obwohl, nee, inzwischen wäre das auch zu anstrengend. Seufz.

 

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Ralf König im Mai 2017 geführt.

Ralf könig

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