Max Appenroth "Trans ist kein neues Phänomen"
Max Appenroth gewann im Dezember 2021 als erster trans Mann einen deutschlandweiten schwulen Contest, nachdem der übergeordnete Weltverband Mr. Gay World erst im Oktober seine Regeln anpasste, damit auch schwule trans Personen teilnehmen können.
SCHWULISSIMO sprach mit dem trans Aktivisten über seine Teilnahme, seinen Sieg und dessen Bedeutung für die trans Szene in Deutschland.
Happy New Year und herzlichen Glückwunsch zum Titelgewinn. Wie reagierte dein Umfeld?
Der Jubel war natürlich bei mir und allen Menschen, die dabei waren, riesig! Meine Familie hat es live per Instagram verfolgt. Mein Mann rief meine Eltern an und fragte, ob er mit den Eltern von Mr. Gay Germany sprechen würde. Meine Mama weinte immer noch, als ich sie eine Stunde später nach all dem Trubel und den Fotowünschen selbst anrief. Mein Telefon explodierte förmlich die Tage nach dem Contest.
Gab es auch negative Resonanzen?
Nicht aus meinem direkten Umfeld. Online regten sich ein paar Internet-Trolle darüber auf, dass eine trans Person gewonnen hat. Aber das waren wenig Stimmen in einem Meer von Glückwünschen, Freude und Support.
Wie war das Verhältnis zu den Mitbewerbern?
Die Bewerber haben sich mitgefreut und sind mir bei der Verkündung um den Hals gefallen. Ich war einer von vielen mit
meiner Geschichte, andere hatten eine andere. Wir waren ein tolles Team, wo sich alle im Sinne der Community eingebracht haben und sich keiner für etwas Besseres hielt.
Ich hätte es anderen ebenfalls gegönnt zu gewinnen, aber am Ende waren meine Favoriten Robin, der Drittplatzierte und Nick hätte ich auch weit vorn gesehen. Beide haben gut in der finalen Gruppe agiert und sie hatten auch – wie alle Finalkandidaten – tolle Kampagnen.
Dass du ein schöner Mann bist, sieht man. Berichte über das, was man nicht sieht und nicht von dir weiß.
Ich bin mehr als nur ein Mann: ich bringe dadurch eine vielfältige Perspektive mit, die man in der Gay-Community bisher noch nicht ausreichend sieht. Unsere Community ist wahnsinnig vielfältiger, als sie sich darstellt: Und trans Personen sind ein Teil davon und waren es schon immer. Mit dem Gewinn des Titels und der Aufmerksamkeit, die nicht nur auf meine Person fällt, ist es ein großer Zugewinn.
Ab wann war dir bewusst, dass du ein (schöner) Mann bist?
Der Groschen fiel 2009, als mir zunächst klar wurde, dass ich keine Frau bin. Da ich aber im binären System groß wurde, dachte ich, ich müsse ein Mann sein. Es fiel mir schwer zu sagen: „Ich bin ein Mann!“, oder: „Ich bin ein trans Mann!“. Da war viel mehr in mir als nur dieses Mann-Sein. Ich fühle mich in dem maskulinen Spektrum total wohl und mag mein männliches Äußeres, aber das ist eben nicht alles. Meine Persönlichkeit ist gewachsen, aber meine Vergangenheit ist nicht weg. Sie bleibt immer ein Teil von mir und meiner Identität. Ich habe gelernt, beides zu verbinden und dass ich nicht nur im Mann-Frau-Schema denken muss, sondern, dass ich mich als nicht-binär betrachten kann. Als Kind habe ich mir gewünscht NORMAL zu sein, heute bin ich froh, mit meiner Transition nicht NORMAL zu sein und das mit anderen Menschen teilen zu können.
Was war dein Anlass mitzumachen?
Ich las die Ausschreibung und stellte fest, dass sie genauso jemanden wie mich suchten: jemanden, der sich für die queeren Rechte einsetzt und diese nach Außen repräsentiert. Mein Leben bewegt sich um den Aktivismus für die queere Community mit Schwerpunkt auf trans Personen. Das, was ich beruflich und privat mache, der Inhalt von meinem Leben, passte dazu. Ich bezeichne mich als trans Aktivist und bin Diversity-Berater, promoviere derzeit im Bereich Public Health. Ich war einer von über 520 Bewerbern, am Ende standen sieben Kandidaten im Finale.
Was glaubst du, war ausschlaggebend für den Sieg?
Ich habe mich nicht in einer Sonderrolle gesehen und habe sicherlich nicht gewonnen, weil ich trans bin, sondern weil ich die Juroren durch meine Leistung, meine Kampagne und meine Auftritte überzeugen konnte. Von der Jury war ich echt begeistert. Da waren viele Community-Vertreter:innen, ehemalige Gewinner, der letzte Prince Charming Kim, Podcaster Lars Tönsfeuerborn und queere Wirtschaftsvertreter. Ich empfand das als geballte Fachkompetenz.
Was hast du für eine Kampagne?
Sie nennt sich „#ProudToBeAlive“ und fokussiert die hohe Suizidrate unter queeren Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Das ist ein schwieriges Thema, über das viel zu wenig gesprochen wird. Ich möchte einen Ort schaffen, eine Krisensupport-Hotline, wo Menschen Hilfe bekommen, ohne Homo-, Trans- oder einer anderen Phobie zu begegnen. Ein längerfristiges Projekt ist dazu, queere Sichtbarkeit in der Kinder- und Jugendliteratur zu erhöhen.
Schönheit kommt von innen. Was sind deine inneren Werte?
Ich bin von Grund auf eine sehr offene Person und gehe auf Menschen zu. Das habe ich von meinem Vater gelernt. Des Weiteren gehe ich mit einem Lächeln durch die Welt und begegne anderen Menschen mit Freundlichkeit, was ich dann eben auch zurückbekomme. Das ist ein schönes Wechselspiel, welches mir meine positive Energie gibt, mit der ich bisher alle Widrigkeiten im Leben bewältigen konnte.
Haben es gutaussehende Menschen im Leben einfacher?
Ja! Die Schönheitsideale machen es diesen Menschen sicher einfacher, aber das Äußere allein reicht nicht, wenn die Ausstrahlung fehlt. Die inneren Werte sind ausschlaggebend.
Wie willst du jetzt weitermachen?
Ich möchte da weitermachen, wo ich bisher meine Prioritäten gesetzt habe. Ich habe durch meinen Titelgewinn eine Art Megaphon in die Hand bekommen, womit ich eine viel größere Reichweite habe und mehr Aufmerksamkeit bekomme. Und wenn ich im August 2022 an der Europe Wahl in Großbritannien und voraussichtlich im Oktober in Südafrika bei der World Wahl offen als trans Person teilnehme, kann ich die Anliegen meiner Community in einem größeren Kontext mitteilen.
Einen schönen Mann hat man(n) nie für sich alleine? Für einige bist du jetzt ein Objekt ...
So habe ich es bis jetzt noch nicht wahrgenommen, aber es ist ok, wenn es am Ende beiden Seiten Spaß macht … (lacht)
Bist du Single oder in einer Beziehung?
Ich bin seit 7 ½ Jahren glücklich mit meinem Mann zusammen. Für meine Familie war das kein Problem, sie kannten mich als lesbisch, als trans und als ich jetzt einen Mann mitbrachte, war das auch keine Aufregung wert. Wer meinen Mann Idàn kennt, muss ihn einfach mögen und meine Mutter nennt ihn ihren „Liebling“.
Wer ist für dich ein wirklich schöner Mann?
Mein eigener Mann natürlich :-). Ich mag aber auch Menschen, die eine gewisse Ausstrahlung, ein bestimmtes Leuchten in den Augen haben. Ich habe tatsächlich keinen bestimmten Typ und könnte eher zwanzig Attribute nennen, die ich mag. Wen ich tatsächlich zurzeit sehr attraktiv finde, ist Colton Underwood – eine Football-Legende und ein Reality-Star aus den USA, der sich letzten April geoutet hat.
Was tust du, um schön und fit zu bleiben?
Ich gehe fünf- bis sechsmal wöchentlich zum Sport. Vor ein paar Jahren bin ich an einem Burnout vorbeigeschlittert und so steht Sport und Fitness dafür, Zeit mit mir zu verbringen und einen Ausgleich zum Alltag zu haben. Wenn mein Körper funktioniert, funktioniert auch alles Weitere. Eine weitere Leidenschaft ist Kochen und gutes veganes Essen. Kochen ist meine tägliche „Meditation“.
Würdest du irgendwann dein Aussehen beim Beauty-Doc erhalten?
Ich habe keine Angst vor dem Altern, stehe dem eher positiv gegenüber. Derzeit würde ich nichts verändern wollen, eine größere OP, die Mastektomie habe ich bereits hinter mir und ich nutze gegenwärtig Sport und Tattoos, um mein Aussehen nach meinen Wünschen zu gestalten. Ich finde es aber gar nicht verwerflich, wenn Leute diese Angebote nutzen.
Trans Menschen sind auf dem Vormarsch. Kennst du andere Contests, bei denen trans Menschen mitgemacht oder sogar gewonnen haben?
In Dänemark hat wohl 2018 eine trans Person den Gay Contest gewonnen, in Großbritannien gab es 2020 den Teilnehmer Chiyo Gomes, welcher die Diskussionen um die Teilnahme von trans Männern anstieß. Des Weiteren ist mir bekannt, dass auf dem Men’s Health Cover der trans Mann und Fitnesstrainer Benjamin Melzer war und natürlich die Siegerin bei Germanys Next Top Model Alex Mariah Peter.
Würdest du bei anderen Formaten mitmachen?
Mal sehen, was sich anbietet, aber für alles würde ich mich nicht hergeben. Wenn ich über bestimmte TV-Formate Leute erreichen kann, die ich sonst nicht erreiche, würde ich das nutzen, um mit mir als Person mehr über die trans Community aufzuklären.
Ist die gesellschaftliche Akzeptanz da, wo du sie dir wünschst?
Trans Sichtbarkeit nimmt Stück für Stück zu. Viele denken momentan es sei ein Trend, aber trans Personen gibt es schon seit Jahrtausenden, oft durch Kolonisation unterdrückt. Trans ist kein neues Phänomen, wir schaffen es nur gerade, die Tür einen Spalt breit zu öffnen, um hinein zu schauen. Wir sind aber noch lange nicht da, wo wir sagen können, die Sichtbarkeit ist ausreichend.
Es muss unbedingt noch mehr Sichtbarkeit und Repräsentanz stattfinden, damit wir nicht immer als leidende Minderheit dargestellt werden. Wir sind von nichts Negativem „betroffen“, wir leiden nicht unter unserem trans Sein. Wir sind eine Bereicherung für die Gesellschaft und wir können glücklich sein als trans Personen. Es sind die Hürden in der Gesellschaft, der schiefe Blick der selbsternannten Normalen, die bestehenden Diskriminierungen, welche unser Leben schwermachen. Da muss es noch Veränderung geben.
Was wünschst du dir für deine Zukunft?
So, wie es momentan läuft, darf es gern weitergehen. Ich bin gerade sehr glücklich.