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Karneval // © filipefrazao

Leserumfrage Karneval – die 5. Jahreszeit

vvg - 24.03.2019 - 07:00 Uhr
Alfrant // © vvg

Der Karneval ist natürlich ein wichtiger Bestandteil Kölns und weltweit bekannt. Köln ist ja sozusagen die Karnevals-Hochburg in Deutschland. Früher habe ich sehr viel gefeiert, mittlerweile ziehe ich mich komplett über die tollen Tage zurück, meist verreise ich für ein paar Tage. Das hat folgenden Grund: Der Karneval und das dazugehörige Feiern – mittlerweile betrachte ich das mit anderen Augen – ist nicht mehr das, was es vor ein paar Jahren noch war. Selbst der Straßenkarneval hat sich verändert. Heute gibt es zu viele Vorschriften, Verbote, Absperrungen, Einlass- und Taschenkontrollen, Eintrittsgelder - sicher notwendig, aber der Partystimmung tun sie nicht gut. Hinzu kommt, dass sich viele Feierwütige in den Tagen sehr daneben benehmen. Ich gönne den Karnevalisten ihren Spaß. Ich finde aber - und ich weiß nicht, ob ich das heuchlerisch, doppelmoralisch oder wie auch immer benennen soll – dass viele Menschen das ganze Jahr über frustriert sind. Sie können weder „Hallo“, „Guten Tag“ noch sonst etwas sagen, plötzlich - an den tollen Tagen - sind sie auf einmal gut drauf. Was auch nicht immer schön ist, wenn die Touristen, die das ganze Jahr über verklemmt und zurückhaltend in ihren Dörfern oder Städten leben, zum Karneval nach Köln reisen, und meinen, die Sau rauslassen zu können, weil sie hier keiner kennt. Damit machen sie den Karneval endgültig kaputt. Das muss ich mir alles nicht antun. Um gut drauf zu sein und zu feiern, brauche ich diese Tage nicht, genauso wenig wie den Alkohol. Aber ich gönne denen, die das brauchen ihren Spaß die sechs tollen Tage über. Gäbe es noch eine vergleichbare Karnevalskultur, wie vor 20 Jahren wäre ich aber sicher wieder mit dabei. Ich geh ja auch, wenn ich vor Ort bin, mit Freunden verkleidet auf Karnevalspartys, die nicht so remmi-demmi, dafür aber amüsant sind. Fast schon Tradition ist die Telekom Baskets Party in Bonn am Karnavalssamstag, wo nach dem Spiel noch mit den Basketballspielern und Cheerleadern gefeiert wird.
Alfrant, Organisator der HomOriental-Party

Eric B. // © vvg

Ich bin nicht so der Karnevalsfan, aber wenn es sich ergibt und ich bin in einer netten Truppe, feiere ich schon gerne mit. Wenn ich mal spontan Ausgehlust habe, ergeben sich aber im Karneval schnell Kontakte, da ist man nie lang allein. Zum Karneval ist man immer per „Du“ ab Aschermittwoch wieder per „Sie“. Viel Geld gebe ich zu Karnaval nicht aus, eigentlich nur Eintrittsgelder und Getränke. Allerdings gehe ich gern auf Veranstaltungen, wo man sich aufwendiger kostümiert und schminkt. Bei der Kostümierung kommt ein von der Stange gekauftes Kostüm gar nicht in Frage, das stellee mir ich alles selber zusammen. Dazu lasse ich mich von einem ausgebildeten Maskenbildner „verschönern" und schon aufwendiger schminken. Ich habe da aber auch meine eigenen individuellen Vorstellungen, was dann immer ganz detailliert umgesetzt werden muß. Früher bin ich immer gern auf Kostümbälle gegangen, da es die kaum noch gibt, gehe ich heute auch mal gern auf die Nostalgiesitzung von den Treuen Husaren. Da hat mich begeistert, dass die Kostüme sehr individuell waren und den Künstlern auf der Bühne Aufmerksamkeit gezollt wurde. Mir ist es wichtig und es macht mir ebenso viel Spaß, ausgefallene Verkleidungen zu sehen und auch gesehen zu werden. Ich bin ja Rheinland-Pfälzer. Früher bin ich zum Feiern oft nach Mainz gefahren, ich kenne aber auch den Düsseldorfer Karneval, sowie den Münchner Fasching. Selbst in Amsterdam gibt es einen Umzug, den ich mir ein paar mal angesehen habe. Der fährt den ganzen Tag immer nur um einen Block. Jeder Karneval/Fasching hat seine Eigenheiten und Besonderheiten, aber am allerbesten läßt es sich in Köln feiern. Köln ist für mich die Karnevalshochburg; sicherlich, weil hier der schwule Anteil größer ist Sex spielt für mich aber während den Tollen Tage keine besondere Rolle, das ist für mich das ganze Jahr über wichtig.
Eric B. aus Bad Ems

Harry // © vvg

Die 5. Jahreszeit ist für mich eine andere Welt, in der man sich mal so geben kann, wie man ist. Mit der Luzerner Fasnacht bin ich praktisch aufgewachsen. Unser „Karneval“ startet 2019 am 28.02. mit dem „schmotzige Donnschtig“, „Güdismantig“, ist bei uns Rosenmontag und auch bei uns ist am Aschermittwoch „Äschemettwoch“ alles vorbei. Am "schmutzigen Donnerstag" kommt „Bruder Fritschi“ – ein imaginäres Oberhaupt der ältesten Luzerner Zunft - mit einem Boot vom Vierwaldstättersee und legt am Luzerner Schweizerhofquai an. Der „Urknall“, eine laute Detonation, ist das Startzeichen für die „Guggenmusigen“, die ja mit ihren urigen traditionellen Kostümen und Masken weithin bekannt sind. Es folgt ein Umzug, der „Fötzeregen“ und eine Orangenschlacht. Alles in allem ist es in Luzern neben der Basler und der Bärner Fasnacht die größte Fasnachtveranstaltung der Schweiz. Es ist ein riesiges Familienfest, man trinkt, tanzt, lacht miteinander und hat eine Menge Spaß zusammen; aber alles läuft harmonisch und höchst anständig ab. Da ich in Murten, in der französischen Schweiz lebe, nehme ich mir für die Tage immer frei und ein Hotel. Da kommen für Kostüm, Maske, Übernachtung und Verpflegung schon zwei bis dreitausend Franken zusammen. In diesem Jahr gehe ich als Geisha, also als eine japanische Dame. Ich trage eine wunderschöne Maske (siehe Foto) und habe dazu ein paar traumhafte Kostüme. Ich war zwar noch nie als Frau unterwegs, aber es war schon immer ein Wunschtraum von mir, einmal als Geisha aufzutreten. Ob ich dann angemacht werde, kann ich vorher nicht sagen; ich denke, ich werde mehr ein Fotoobjekt sein, denn Luzern ist ja ein Hotspot für japanische Touristen. Außerdem weiß ja niemand, welche Person unter der Maske steckt. Erst am Aschermittwoch fängt mein normales Leben wieder an. Aber ein richtiger Karnevalsjeck weiß: „Nach dem Karneval ist vor dem Karneval!“
Harry aus Murten/Morat (CH)

Thomas & Kai // © vvg

Wir sind seit vielen langen Jahren beste Freunde und kommen aus dem erzkatholischen Paderborn. Ihr werdet staunen, auch da gibt es einen Rosenmontagsumzug. Der setzt sich am Karnevalssamstag in Bewegung und zieht ca. zweieinhalb Stunden um die Häuser; allerdings ist der mit dem kölschen Original nicht zu vergleichen, letztes Jahr waren aber immerhin 52 Gruppen und Wagen dabei. Zum Anschluss trifft man sich in „Susis Unverschämt"“, der einzigen Gay-Kneipe in Paderborn. Susi ist seit über einem viertel Jahrhundert eine Institution und da gehen sowohl Schwule wie Heterosexuelle am Karneval immer gerne hin. Wir feiern aber selten bei uns zu Hause, das machen wir lieber in Köln, denn wir sind Wiederholungstäter. Sehr gern sind wir auf der Röschen-Sitzung dabei. Wir können es zwar nicht mit den prächtigen Kostümierungen aufnehmen, die man hier sieht; aber ich finde, auch unsere Minimalkostüme reichen doch aus. Es geht uns um den Spaß, das unterhaltsame Programm und einfach, dass man dabei ist. Wir lieben die Röschen-Sitzung und dass das Programm jedes Jahr immer wieder neu und gut ist. Dafür kommen wir fast jährlich. Wir mögen einfach die kölsche Art und das rheinische Gemüt. Für Köln haben wir uns ein nahegelegenes Hotel ausgesucht, und morgens früh geht es wieder zurück nach Ostwestfalen. Sex spielt für uns im Karneval keine Rolle. Kai hat einen festen Ehemann, der leider nicht mitkommen konnte. Auch für Thomas steht Sex nicht im Vordergrund, da ist eher Flirten angesagt und neue Leute kennen zu lernen. Das entsteht sowieso bei der lockeren Art der Kölner. Das muss also nicht im Bett enden, es wäre aber auch nicht schlimm, wenn es passieren würde.
Kai & Thomas aus Paderborn

Marc M. // © vvg

Ich bin als Belgier 1983 nach Köln gekommen und war über 20 Jahre begeisterter Karnevalsgänger. Bis 2005 habe ich jedes Jahr intensiv mitgefeiert. Weiberfastnacht begann die Party vormittags und ging Dienstagnacht bis zur Nubbelverbrennung. Es war einfach geil, Karneval zu feiern, die Leute waren fröhlich und gut drauf, die ganze Stadt schien wie verwandelt. Man ging von Kneipe zu Kneipe, und traf viele Leute aus anderen Städten, die man nur zum Karneval und CSD traf. Es war ein großes, buntes Miteinander: man feierte, schunkelte und teilte sich die Kamellen. Ich trug meistens Uniformen, egal ob Matrose oder Camouflage; das war mein Fetisch. Lediglich einmal waren wir als Frau Antje mit blonder Perücke und Holzschuhen unterwegst; das war eher peinlich, ich trage lieber maskuline Kostümen. Als ich im Januar 1998 meinen Freund kennenlernte, haben wir mit Begeisterung die Rosa Sitzung im Gloria gefeiert und haben den ehemaligen legendären Panther Ball besucht. Auch der Sex war an den tollen Tagen wichtig und wurde eifrig praktiziert. Leider ist es so, dass nach einem turbulenten Wochenende am Aschermittwoch alles vorbei ist und die Menschen wieder schlagartig ihre ernsten Gesichter aufsetzen. 2006 habe ich Köln aus beruflichen Gründen verlassen und bin nach Frankreich gezogen, habe mir aber mit den Rosenmontagszug im Fernsehen angesehen. Als ich vor Jahren als Touri den Karneval besuchte, hatte der sich verändert. Der Alter Markt war eine riesige U-Bahn-Baustelle, alles drängte sich auf dem Heumarkt, es gab Absperrungen, die Leute waren frühmorgens schon besoffen und man traf kaum noch Bekannte. Man begegnete nur noch Sauftouristen, das hat für mich mit Karneval nichts zu tun. Ich habe den Eindruck, dass sich das mit den Jahren noch weiter verschlechtert hat. Allerdings und das ist Tatsache: In Köln kann man wirklich preiswert feiern.
Marc M., Nimes, Frankreich

Thomas D. // © vvg

Ich bin in Hannover aufgewachsen,aber meine Mutter ist Düsseldorferin und so wurde mir das rheinländische Gemüt schon in die Wiege gelegt. Wenn ich Rosenmontag aus der Schule kam - wir hatten in Hannover kein schulfrei - lief im Fernsehen immer der Rosenmontagszug. Besonders als schwuler Mann war ich kölnorientiert und so wollte ich das närrische Treiben auch mal live als Tourist miterleben. Die ersten Jahre habe ich in Hotels gewohnt, mit der Zeit lernte ich Kölner kennen und es ergaben sich Freundschaftsangebote zum Übernachten. Karneval war ein Ausflugsziel übers Karnevalswochenende: samstags zum Rosa Ball, montags zum Zug und dann zurück nach Hannover. Seit ein paar Jahren lebe ich in Köln und Karneval ist Teil des Alltags geworden, weil es mir vom 11.11. bis zum Aschermittwoch überall begegnet. Die letzten Jahre war ich nicht viel im Karneval unterwegs, weil ich nicht immer in Köln war. Ansonsten gehe ich meist zur Stattgarde, welche die meisten schwul-lesbischen Veranstaltungen des Karnevals durchführt. „Damenball“, „Jeck op Deck“ und „Matrosenball“ sind die Veranstaltungen, wo ich mich kostümiere. Das Verkleiden bereitet mit im Karneval das größte Vergnügen. Ich bin gelernter Friseur und habe auch „Maske“ gelernt, da liegt es mir wohl im Blut. Es fehlt mir allerdings ein Kostümball mit einem Motto und genügend Raum, wie es früher der „Rosa Ball“ war, um sich auch zu präsentieren. Es gibt da ein Foto von 2012, unter dem Motto „Pippi im Taka-Tukken-Land“, da habe ich mich als „Affe Herr Nielsson“ verkleidet und hatte mich bestimmt schon ein halbes Jahr vorher mit dem Thema beschäftigt. Gehe ich heute auf eine Party entstehen Kostüme und Maskierungen viel spontaner. Karneval bedeutet für mich entspannt Spaß zu haben, Freunde zu treffen, ausgelassen zu sein und neue Leute kennen zu lernen. Sex spielt für mich im Karneval kaum eine Rolle, man will zwar sexy sein, aber nach der Party geh ich gern allein nach Haus, vor allem weil das Abschminken noch ansteht.
Thomas D., ehem. Hannover

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