Initiative Straßenwächter Das Leben auf der Straße
„Die Dankbarkeit der Menschen treibt mich an“
Die Helfer der Privatinitiative „Straßenwächter“, ziehen jeden Abend durch die Kölner Innenstadt, um Essen an Obdachlose zu verteilen. Die Bollerwagen sind mit dem gefüllt, was Märkte und Restaurants am Abend übrig haben. Dennis Bucek ist Gründer der Initiative Straßenwächter und hat sich mit uns über das Leben auf der Straße unterhalten.
Seit wann gibt es die Initiative Straßenwächter und wie kamst du zu dieser Idee?
Die Initiative gibt es seit 2006. Ich arbeitete in einer Diskothek. Davor saß immer ein Obdachloser und irgendwann habe ich mich mit ihm unterhalten und ihn gefragt, woher er sein Essen bekommt und wie er sein Leben meistert. Dann kam das eine zum anderen. Aus einmal pro Woche wurde dann zweimal pro Woche, wurde dann viermal pro Woche und so weiter. Zehn Jahre später hab ich mir dann gesagt, dass ich es nicht mehr alleine mache, sondern mit ganz vielen Helfern zusammen. Dann habe ich mich eben um die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen gekümmert.
Was sagst du denn dazu, dass viele Märkte die Lebensmittel einfach wegwerfen?
Man muss unterscheiden. Vieles kann man wiederverwerten, vieles aber auch nicht. Wir sehen den Konsum an sich, dass es immer mehr wird und dass die Gesellschaft zu einer Luxus-Gesellschaft geworden ist. Da werden die Sachen lieber früher weggeschmissen, als zu spät.
Bei wie vielen Märkten sammelst du Lebensmittel ein?
Derzeit sind wir immer auf einem Wochenmarkt unterwegs. Da sind ca. 30 bis 40 Unternehmen drauf, die wir abgreifen. Und wir haben einen Großhändler, wo wir die Lebensmittel abholen.
Was sind das für Unternehmen?
Das sind vor allem Bäcker und Caterer. Letzte Woche wurden wir von einer Polizeieinheit angesprochen, ob wir nicht deren Brote haben wollen. Natürlich nehmen wir das gerne an.

Aus welchen Gründen landen die meisten Menschen auf der Straße? Gibt es Geschichten, die dich sehr bewegen?
Also Geschichten gibt es jeden Tag mindestens 100. Es gibt keine Geschichte, wo man sagen kann, das ist sozusagen Standard. Viele Leute rutschen wegen der Arbeit ab, wegen Familienproblemen. Viele greifen dann zu Alkohol oder Drogen und dann führt eins zum anderen. Das kann ein 14-jähriger sein, der Gefallen am Kiffen oder anderen Drogen findet, dadurch schulisch abrutscht und gerade so seinen Hauptschulabschluss schafft. Dann folgt eventuell Hartz 4, man bekommt Stress mit dem Vermieter. Das kann ein Kreislauf sein, wenn man die Kurve nicht rechtzeitig bekommt.
Also nehmen die Menschen dich als Vertrauensperson wahr?
Ja, definitiv. Wir wissen von einigen auch strafrechtliche Sachen. Manchmal möchte ich das gar nicht wissen.
Wie ist der prozentuale Anteil der Schwulen und Lesben unter den Obdachlosen?
Genau lässt sich das nicht sagen, weil wir ja auch nicht jeden fragen, ob er schwul oder lesbisch ist. Aber zwischen fünf und zehn Prozent wird das schon sein. Wir haben vor allem junge Schwule da. Also Schwule zwischen 20 und 30 Jahren.
Gibt es auffallende Unterschiede zwischen Homos und Heteros auf der Straße?
Unabhängig von der Sexualität sind Obdachlose wesentlich hilfsbereiter. Die Helfen sich auch untereinander mehr. Da ist viel mehr Kameradschaft. Szenebetreffend eigentlich nicht. Die Schwulen, Lesben oder Transgender unter den Obdachlosen, die schämen sich nicht und machen sich da jetzt nicht großartig zurecht.
Was treibt dich jeden Tag an, das alles zu tun und zu helfen?
Auf der einen Seite natürlich die Dankbarkeit der Menschen, aber auch zu sehen, wie sich das ganze Projekt für uns weiterentwickelt. Das wir jeden Tag Helfer dabei haben, egal ob die Gleichen, wie beim letzten Mal oder neue, die dazu gekommen sind. Wir begegnen Menschen mit Behinderung, mit Migrationshintergrund und Menschen aus der LGBT-Community. Diese Mischung ist einfach super. Es lässt sich alleine einfach nicht mehr stemmen, dazu ist es zu viel geworden.

Wie viele Helfer hast du denn aktuell?
Aktive Helfer haben wir zu Zeit 45.
Kann jeder bei euch mithelfen, der Lust hat?
Ja, genau. Also 18 Jahre alt müssen die Helfer schon sein. Man sollte auch deutsch sprechen können und zuverlässig sein. Ansonsten gibt es da keine Einschränkungen.
Was muss sich deiner Meinung nach verändern oder besser werden?
Die Menschen sollten offener gegenüber Obdachlosen werden und einfach nicht mit Scheuklappen durch die Gegend rennen. Die Passanten laufen an den Obdachlosen vorbei, als ob sie weniger wert wären als sie selbst. Das ist so eine Missachtung von wirklich ganz vielen Menschen. Den Leuten im Sommer mal eine Flasche Wasser in die Hand zu geben, ist nicht schwer. Oder sich einfach mal 10 Minuten Zeit nehmen und ihnen zuhören. Ein bisschen Small Talk reicht oft einfach schon aus. Die Leute verkommen und vereinsamen sonst auf den Straßen.
Möchtest du unseren Lesern noch etwas sagen?
Wir brauchen generell im Kölner Raum Unterstützung. Wir würden das in den nächsten Jahren natürlich auch gerne noch in anderen Städten machen wollen. Wir brauchen Unterstützung bei den Materialien, um das Lager auszubauen, weil wir dort ein Schimmel- und Nässeproblem haben. Wir brauchen zahlreiche Helfer, die sich eventuell mal für eine Stunde, pro Woche engagieren würden.
Mehr Informationen gibt es unter www.facebook.com/Strassenwaechter
Spenden können gerne via PayPal unter strassenwaechter@web.de eingehen.