Im Interview Mirja Boes
Sie war eine der „Fabulöse(n) Thekenschlampen“ und Mitglied des Improvisationstheaters Frizzles und spielte in den Filmen „Urmel aus dem Eis“ und „African Race“ mit. Sie „ärgerte“ ihre WG-Männer in den „Dreisten Drei“, schrieb Bücher und steht nicht nur mit ihren Soloprogrammen „Morgen mach ich Schluss! Wahrscheinlich! Und „Erwachsen werd ich nächste Woche“ auf der Bühne, sondern gibt auch musikalisch bei den „Honkey Donkeys“ als Sängerin den richtigen Ton an.
Zunächst einmal alles Gute für 2015. Wie hast du den Jahreswechsel verbracht?
Ich war in meinem Essener Restaurant „Villa Vue“, zusammen mit meinem Freund, meinen Kindern, meinen Eltern und ca. 120 Gästen. Dort trat der Zauberer Schmitz-Backes auf, bei dem ich sogar bei einem Zaubertrick mitmachen durfte. Ich bin im Schnitt alle 14 Tage im „Villa Vue“; mache meine Späßchen und kellnere mit. Inzwischen kann ich sogar schon zwei Teller auf einer Hand servieren, aber die anderen schaffen fünf...
Welche guten Vorsätze für 2015 hast du gefasst?
Meinen Weihnachtsspeck abzutrainieren. Ich wollte joggen, was bei dieser Kälte aber gar nicht schön ist. Ich mach aber Sling-Training, wo man von der Decke an zwei Seilen baumelt. Und das mit Trainer; ich hatte nämlich im letzten Jahr zwei Bandscheibenvorfälle, mit OP. Ich muss einfach etwas tun, man stemmt ja zwischendurch immer zwölf Kilo Kind.
War die kleine Boes eigentlich ein artiges Kind?
Meine Mutter würde jetzt sagen, dass ich ein liebes Kind war. Als die Hebamme mich meiner Mutter übergab, sagte sie „Hier haben Sie Ihre wilde Hummel!“ Ich war in erster Linie immer ein sehr fröhliches Kind; mit sehr viel Lebensfreude und sehr lebhaft. Später in der Schule war ich eher ruhig; ich wollte immer Prinzessin oder Star werden. Ich habe dann in Weihnachtsmärchen und einer Theater-AG mitgespielt, seit meinem vierten Geburtstag Ballett getanzt und für das Schulorchester Fagott gelernt. Ich war also immer sehr beschäftigt.
2001 standest du als Möhre in Palma de Mallorca im „Oberbayern“. Ist Ballermann eher ein positiver oder negativer Punkt in einer Künstler-Vita?
Viele haben da moralische Probleme damit, ich fand das eher positiv. Wer ist denn verwerflicher: der, der betrunken im Publikum steht, oder der, der auf der Bühne steht und Geld für seinen Job bekommt? Das war die Zeit von Costa Cordalis, Jürgen Drews und Mickie Krause, der sich um mich wie um seine kleine Schwester gekümmert hatte. Für mich war das ein riesiger Spaß und eine unfassbare gute Schule, sich auch selber mal nicht so ernst zu nehmen. Ich habe das auf Wunsch zweier Freundinnen, die mich dort nie erlebt haben, vor zwei Jahren sogar noch einmal wiederholt.
Dein damaliger Hit hieß „Das sind keine 20 Zentimeter“. Warum glaubst du, übertreiben Männer immer dann, wenn es um die Länge ihres besten Stückes geht?
Vielleicht ist das in der Kindheit begründet, ich merke an meinen beiden Kleinen, dass so ein „Pillermann“ schon eine große Bedeutung hat. Ich glaube, dass viele Männer schon mal nachgemessen haben, es aber nicht zugeben würden. Meine beiden besten Freunde sind schwul, ich muss die mal fragen, ob die schon mal ein Maßband angelegt haben.
Von 2002 bis 2006 wohntest du mit Ralf Schmitz und Markus Majowski in der Comedy-WG „Die Dreisten Drei“; wo du praktisch mit „40 Zentimetern“ deinen Spaß hattest. Hättest du heutzutage noch Bock auf einen Dreier?
Im Sinne einer WG sage ich ja. Das lebe ich ja mit meinen beiden Söhnen und meinem Freund. Der Trick ist: Ich bleibe die einzige Frau im Hause, habe keine Konkurrenz. Bis die Schwiegertöchter kommen; aber vielleicht kommen ja auch Schwiegersöhne? Bei den „Dreisten Drei“ hörte ich oft, ich sei der einzige Mann in der WG gewesen. Beim Dreier in sexueller Hinsicht bin ich genauso schüchtern und spießig geblieben, wie ich immer war. Bei mir passt der klassische Spruch: „Hunde, die bellen, beißen nicht.“
Apropos 20 cm. Hast du eigentlich Penis-Neid?
Ja, habe ich. Also die Idee, einen Tag lang mal zu erfahren, wie das ist: im Stehen oder seinen Namen in den Schnee pinkeln, morgens mal am Sack kratzen und – wie viele das machen – prüfen, ob er noch da ist. Mein Freund meinte mal: „Ich werde an dem Tag, wo du Mann bist, gar nicht zu Hause sein.“ Der Mensch tendiert immer dahin, dass das, was er nicht hat, Neugierde hervorruft. Das ist der Neid der Besitzlosen. Ich glaube, dass jeder Mann auch gerne mal Brüste hätte. Und trotzdem nicht, wie gerne behauptet wird, den ganzen Tag damit rumspielt. Er wird zwar öfters in den Spiegel schauen, aber letztendlich wie eine Frau denken: „Was glotzt der Typ denn so?“
In deinem RTL-Solo „Angie“ hattest du guten Kontakt zu schwulen Männern. Wie ist das bei dir?
Meine besten Freunde sind schwul und wir nennen sie sehr liebevoll „die Schwulis“. Das sind unsere „Undercover-Paten-Onkel“ für die beiden Jungs. Die vier lieben sich heiß und innig. In der Szene bin ich durch meine Söhne wenig, weil ich entweder drehe, auf einer Bühne stehe oder mit meiner Band abends auftrete. Als ich noch keine Kinder hatte, war ich oft im Bermuda-Dreieck und hatte da immer sehr viel Spaß.
Als Valerie Denzer gibst du Beauty-Tipps; würdest du dich von ihr beraten lassen oder sind es die Gene, dass du so gut aussiehst?
Vieles davon ist Schminke. Ich bin durchaus ein Beauty-Opfer und kaufe auch sinnlos Cremes. Ich bin aber relativ uneitel. Wer meint, er müsse zum Schönheits-Chirurgen, der sollte das tun. Ich käme nicht auf die Idee. Ich glaube, bei manch einer wäre eine Psychotherapie sinnvoller. Wenn sich Frauen da so ein Schlauchboot ins Gesicht tackern lassen, dann finde ich das eher traurig.
Die Rettungsschwimmerin Emily ist ein moppeliger Vielfraß. Wie ernährst du dich?
Ich bin extremer Befürworter von „Fett-Fondue“ mit Cocktailsoße und Aioli. Ich gehe auch mit großer Freude nachts noch zum großen gelben M. Also ich ernähre mich eigentlich ungesund. Letztens gab es im TV mehrere Folgen von „Sex & the City“, der Sendung, bei der die Frauen so unfassbar schlechte Klamotten anhaben. Da bin ich fünf Mal zum Kühlschrank und habe mir die Rimini-Stäbchen geholt, die hauptsächlich aus Eiweiß bestehen. Oder so einen Duplo quer reinzupfeifen, das ist doch ein ganz großer Genuss. Aber ich habe mir ja fürs neue Jahr etwas vorgenommen.
Du rufst in der Serie oft „Mann. Ma-hann! Mahahahann!!“ Funktioniert das bei dir zu Hause?
Nee. Das klappt nicht immer, der kommt dann schon aus Protest nicht – zu Recht, ich würde da auch nicht drauf reagieren...
Als Lehrerin Lisa Hansen sprichst du besonders gerne mit den Jungs über Sex. Du hast selbst zwei Söhne, wie wird du reagieren, wenn die dich später aufklären und sich als schwul outen?
Als ich meinen ersten Sohn vor vier Jahren bekam, gab es „Hallo-Kitty-Strampler, weil keiner vorher wusste, was es werden würde. Meine Ärztin sagte dann, dass man durch so einen Strampler nicht schwul wird; das würde schon im Mutterleib entschieden. Ich kann ja nicht in die Zukunft schauen, aber ich bin überzeugt, dass ich eine total aufgeschlossene Mutter bin. Wenn bei einem der beiden die Möglichkeit besteht, Homosexualität zu empfinden, werde ich dem alle Tore aufmachen. Ich fände es schlimm, wenn mein Sohn später im Leben feststellt würde, dass er nicht das Leben gelebt hatte, das er hätte leben wollte. Vor kurzem wollte der 4-jährige zum Karneval ein rosa Kleidchen anziehen, zurzeit tendiert er wieder mehr zu Spiderman. Aber wenn er Prinzessin Lilly Fee werden will, darf er das gerne machen. Man gibt seinen Kindern Werte mit und dazu gehört in erster Linie, dass sie sich frei entscheiden müssen, können, sollen und dürfen. Und durch unsere „Schwulis“ haben sie zu dem Thema einen vollkommen normalen Bezug.
Wie bekommst du Kinder und Karriere unter einen Hut?
Wir haben eine hervorragende Nanny. „Omama“ und „Opapa“ sind sehr beliebt und oft da. Wenn ich weiß, dass die beiden gut versorgt sind, kann ich super gut arbeiten. Ich liebe meine Kinder abgöttisch, aber ich genieße es auch mal, mit sehr lauter Musik im Auto zu sitzen und zu schreien „Yeah, ich bin frei!“, ohne mir Gedanken machen zu müssen, ob sie Hunger haben oder auf die Toilette müssen. Es ist eine große Verantwortung, die auf einem lastet und wenn man die einmal für eine Stunde in gute Hände abgeben kann, ist das auch schön. Ich glaube auch, dass ich manchmal meinen Kindern gehörig auf den Sack gehe und sie haben sich ja auch mal eine Freistunde von Mama verdient.
Du hast das Hörbuch „Lügen, die von Herzen kommen“ gelesen, hattest die Radio-Comedy-Sendung „Alles Lüge“. Was war eine sogenannte Notlüge?
Für meine Kinder erfinde ich ja tagtäglich kleine Notlügen. Max Raabe singt ein sehr süßes Lied, bei dem es heißt: „Kleine Lügen sind fast wahr, wenn sie gut sind“. Sind nicht auch das Christkind und der Osterhasen kleine Lügen – diplomatisch und legitim? Ich sage zu meinen großen Sohn auch, dass man nicht lügen muss; die Wahrheit ist so schön, dass man dafür nicht bestraft werden kann.
Kommst du als Comedian ohne Gagschreiber aus? Schließlich schaffst du ja 20.000 Worte am Tag.
Ich glaube, ich schaffe mehr als 20.000 Worte. Bei mir ist es aber so, dass ich auf der Bühne nur wirklich gut bin, wenn ich von Dingen erzähle, die ich selbst erlebt habe. Ich teile das trotzdem mit einem Autor, mit dem ich mich kurzschließe und der mir auch mal die Augen öffnet, wenn ein Gag dabei ist, den wirklich nur ich gut finde.
Jetzt geht es wieder in den Dschungel; wäre das keine Comedy-Bühne für dich? Du hättest als „böse Lästerschwester“ das Potential, endlich „Prinzessin“ zu werden.
Wenn die Anfrage für den Dschungel kommt, sollte man überlegen, ob es das jetzt mit der Karriere war und man lieber ein Wollgeschäft eröffnen sollte. Ich bin für die erste Staffel angefragt worden, wo man noch nicht wusste, was das wird und das hat sich auch unwahrscheinlich spannend angehört, bis man gefragt hat, wer denn noch dabei ist. Da hatte ich dann doch zum Glück andere Termine. Aber ich gestehe, ich bin eine begeisterte Dschungelguckerin, besonders war ich das damals mit Dirk Bach. Daniel Hartwig hat das gut übernommen, ich hätte mir allerdings gewünscht, man hätte nach Dirks Tod eine kleine Dschungel-Pause gemacht.
Du kanntest Dirk persönlich. Wie war deine Beziehung zu ihm?
Er war ein kollegialer Freund. Ich habe ihn geliebt. Wenn Dirk irgendwo einen Raum betrat, ging die Sonne auf. Ich habe ihn noch mit den „Thekenschlampen“ erlebt, stand mit ihm in „Urmel aus dem Eis“ und seinem „Cover-Me-Konzert“ auf der Bühne und habe mit ihm den Film „African Race“ gemacht. Ich fand seinen Tod unfassbar und viel zu früh. Er zeigt denen jetzt mal da oben, wie man frohlockt. Ich denke sehr oft an ihn...
Du warst zum Jahreswechsel Jurymitglied beim Comedy Grand Prix. Wenn du den Comedypreis vergeben könntest, wen würdest du auszeichnen?
Ich bin großer Anette-Frier-Fan. Auch Martina Hill ist sensationell. Und Carolin Kebekus hat ihn ebenfalls verdient. Kann ich mich auch selbst auszeichnen?
Na, dann viel Glück beim nächsten Mal.
Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Mirja Boes im Januar 2015 geführt.