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Louwrens Langevoort // © vvg

Im Interview Louwrens Langevoort

vvg - 16.09.2017 - 11:00 Uhr

„Es gibt ja auch keine Konzerte nur für Schwule oder nur für Frauen, weil sie ein anderes Musikverständnis haben als Heteromänner.“

Louwrens Langevoort ist der Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH. SCHWULISSIMO hat sich mit ihm getroffen.                    

Herr Langevoort, was haben Hamburg und Köln gemeinsam?
Hamburg und Köln haben meiner Ansicht nach nichts gemeinsam; ich habe, bevor ich nach Köln kam, dort gearbeitet. Hamburg ist eine sehr schöne Stadt, was man von Köln nicht unbedingt sagen kann, aber die Begeisterungsfähigkeit der Kölner ist einfach einmalig in Deutschland.

Beide sind stolz auf ihre Elfi (Scho Antwerpes, Anm. d. Red.), nur dass die Hamburger den Namen mit „ph“ schreiben und ihre Elb-Philharmonie meinen. Sie waren bei der Eröffnung, waren sie neidisch?
Nein. Ich gönne den Hamburgern ihr wunderbares Haus, das im Vergleich zu unserem zum Beispiel auch über einen kleinen Saal verfügt. Am Ende zählt aber das Resultat, warum man in ein Konzert geht und da finde ich die Musik wichtiger als das Außenherum. Dennoch bin ich den Architekten der Kölner Philharmonie dankbar, wie durchdacht sie gebaut haben.

Die Elphi wurde übrigens zum CSD in Regenbogenfarben angestrahlt. Glauben sie, dass schwule Männer ein größeres Ohr für klassische Musik haben?
Nein, unabhängig vom Geschlecht und der sexuellen Orientierung ist es nicht ausschlaggebend, ob man sich für klassische Musik interessiert oder nicht. Es ist die Art der Sozialisierung, die in der Kindheit stattfindet. Es gibt ja auch keine Konzerte nur für Schwule oder nur für Frauen, weil sie ein anderes Musikverständnis haben als Heteromänner.

Beobachten sie, dass sich die Zeiten für Homosexuelle wieder verschlechtern?
Ich selbst habe nie ein Problem gehabt, offen schwul zu sein, absolut nicht. Es ist die Haltung, die jeder zu sich selbst einnimmt. Man muss sich für nichts schämen und jeder Mensch muss Respekt für die anderen haben. Ich habe meinen Freund mit 21 Jahren kennengelernt, inzwischen sind wir seit 38 Jahren zusammen. Es findet aber derzeit eine Ver"Recht"ung der Gesellschaft statt, hier in Deutschland ist es die AfD, in meiner Heimat ist es ein Geert Wilders. Man muss das bekämpfen, aber eben nicht mit "kämpfen" sondern einfach mit dem selbstverständlichen Sein, wer und wie man ist.

Warum hat die Kölner Philharmonie kein eigenes Orchester?
Die Kölner Philharmonie hat zwei Hausorchester, das Gürzenich-Orchester Köln und das WDR Sinfonieorchester. Das Haus selbst wird von der KölnMusik GmbH, deren Geschäftsführer ich bin, betriebsbereit gehalten. Unsere Kernaufgabe ist aber die Veranstaltung von rund 150 eigenen Konzerten. So kann ich als Intendant viel kreativer sein und bin nicht nur Verwalter.

Kennen sie die Künstler vorher, die in der Philharmonie auftreten?
Ich würde behaupten, dass ich 90 Prozent der hier auftretenden Künstler vorher kenne. Die verbleibenden 10 Prozent gehen meist auf die Empfehlung von Kollegen z. B. aus Paris oder Amsterdam zurück, und da kann ich auf die gute Qualität vertrauen.

Wie kommt ein Jurist zur Kunst und Kultur?
Erst gab es das Interesse für Kunst und Kultur, aber das Wissen, dass ich nicht auf der Bühne stehen werde. So musste ich mir über einen Umweg - eben das Jura-Studium - andere Dinge aneignen, damit ich im Kunst- und Kulturbereich arbeiten kann.

Wieviel Manager und wie viel Künstler stecken in ihnen?
100 Prozent Manager und 0 Prozent Künstler. Sicher habe ich eine Meinung zu Kunst und Ideen, aber ich würde mich nie als Künstler bezeichnen. Das überlasse ich denen, die dazu berufen sind.

Wie kommt ein Niederländer als Intendant an die Kölner Philharmonie?
Mein beruflicher Werdegang hat sich so vollzogen, dass mich irgendeiner auf eine interessante Stelle hinwies. Daraufhin bewarb ich mich und so kam die Entwicklung über die Stationen Theatre Royal Brüssel, Salzburger Festspiele, Opernhaus Leipzig, Kölner und Hamburger Oper zu meinem jetzigen Arbeitsplatz, an dem ich mich sehr wohl fühle.

Welche Festivals und Projekte gehen auf ihre Initiativen zurück?
Die sicherlich bekanntesten sind die öffentlichen Proben PhilharmonieLunch, die Baby- und Familienkonzerte PhilharmonieVeedel und unsere Internet-Livestreams auf philharmonie.tv. Und natürlich das Festival ACHT BRÜCKEN, das sich als Festival der Musik des 21. Jahrhunderts sehr gut in Köln etabliert hat.

Wie hat sich die Wahrnehmung der Musik im 21. Jahrhundert gegenüber dem vorherigen verändert?
Es ist schwierig, das nach 17 Jahren festzumachen. Es gibt viele Arten von Komponisten; Anfang des 20. Jahrhunderts haben z. B. Stravinsky und Schönberg Musik komponiert, die gegen die Traditionen in der Musik und die Hörgewohnheiten des Publikums standen. Damals gab es viel Ablehnung, heute gibt es viele Liebhaber dieser Musik. Und auch heute gibt es durch die weitere Vermengung der musikalischen Genres neue Musik, die man sich erst "erhören" muss. Andererseits wird die musikalische Tradition wieder verstärkt fortgesetzt.

Was möchten sie bezüglich der Philharmonie bis 2020 noch anstoßen - baulich und künstlerisch?
Baulich wird ein Vordach am Eingang hinzukommen, ansonsten ist nichts Großes geplant, was ja sonst auch zu einer Behinderung des Spielplans führen würde. Künstlerisch ist es an der Zeit, nach 7 Jahren Festival "Acht Brücken" etwas Neues zu konzipieren.

Bis 2020 sind sie Leiter des Hauses, da fehlen noch 4-5 Jahre bis zur Rente. Was möchten sie in der Zeit noch machen?
Ich habe noch nichts geplant. Wenn man es wünscht, bleibe ich gerne weiter Intendant der Kölner Philharmonie.

Was waren ihre 3 Highlights 2017 und welche werden es 2018 sein?
Das ist sehr schwer zu sagen. Man plant so viele Konzerte, die Geschmäcker sind zu verschieden. Ich liebe alle Konzerte, weil es durch ihre Vielfalt einfach nie langweilig werden kann. Ich freue mich, dass wir nach vielen Jahren Ricardo Muti mit einem Verdi-Requiem wieder hier haben, ich freue mich über das Weihnachtsoratorium und genauso auf den verrückten Chilli Gonzales, der im Morgenmantel am Piano sitzt und herrliche blöde Witze macht. Es ist das Schöne an der Kölner Philharmonie, das wir so viele verschiedene Dinge möglich machen können. 

Herr Langevoort vielen Dank, dass sie Zeit für dieses Gespräch gefunden haben.

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Louwrens Langevoort  im September 2017 geführt.

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