Direkt zum Inhalt
© vvg

Im Interview Jörg Knör

vvg - 02.07.2018 - 07:00 Uhr

„Es gibt ja nicht die eine schwule Szene, so wie es auch nicht nur eine Hetero-Szene gibt.“

In den 90er und 2000er Jahren war Jörg Knör als Komiker und Parodist eines der bekanntesten Fernseh-Gesichter Deutschlands. In den letzten Jahren hat er sich erfolgreich auf den Theater- und Kleinkunstbühnen präsentiert, wie gerade mit seinem jüngsten Programm „Filou“.

Mit 15 warst du jüngster Teilnehmer bei Rudi Carrells „Am laufenden Band“, war Rudi dein Entdecker?
Da möchte ich Rudi zitieren, der auf eine ähnliche, an ihn gerichtete Frage, wer ihn entdeckt hat, mit „Ich bin nicht entdeckt worden, ich bin geboren!“ antwortete. Man beschließt nicht, plötzlich lustig zu sein, sondern das ist vorprogrammiert. Ich war in der Schule der Klassenkasper. Man glaubt, man fühlt sich in der Rolle sicher, in der man ankommt. Wenn ich mir aber die Aufzeichnung von damals ansehe, sehe ich nichts von dem, was ich damals gespürt habe: dass mich da der göttliche Unterhaltungs-Zeigefinger getroffen hat. Ich sehe mehr einen verschüchterten, zitternden Nerd mit dicker Hornbrille, Prinz-Eisenherz-Frisur und leiser Stimme. Zu Hause habe ich geheult und gedacht, so was Schönes würde ich nie wieder erleben. Da war mir klar, dass muss ich zu meinem Beruf machen.

Dein aktuelles Programm hat nach der ersten „Le spectacle“-Produktion wieder einen französischen Titel?
Ich liebe Frankreich und ganz besonders den Montmartre, eigentlich bin ich jedes Jahr einmal dort. Frankreich hat für mich eine Sinnlichkeit und Kultiviertheit, die uns Deutschen manchmal abgeht. Montmartre ist die große Welt der Kunst auf kleinstem Raum und dieses „Open-Air-Wohnzimmer der Künste“ spiegelt sich in meinem Programm „Filou“ wieder. (www.knoer.de) Da wird auch gesungen, gezeichnet und es kommen viele Prominente zu Wort. Das selbst entworfene Bühnenbild zur Show ist mein eigenes Montmartre.

Mit 17 warst du Fernsehansager des WDR.
Das war damals regelrecht Horror, es gab ja noch keine Teleprompter, wo man die Texte ablesen konnte. Und die Texte waren Endlossätze, also das war ausgesprochene Folter; wie z.B. im Loriot-Sketch mit Fernsehansagerin Evelyn Hamann. Der Job war ohne Kreativität und nur mein Trojanisches Pferd, um am Pförtner vorbeizukommen. So konnte ich mir in den Wartezeiten Shows wie Klimbim ansehen, sowie Kollegen und das Fernsehen kennen lernen. Wirklich entscheidend war eine Castingshow, die damals „Talentschuppen“ hieß; bei der habe ich so gut abgeschnitten, dass man mir die Moderation der nächsten Sendung anbot.

Was war zwischen „Talentschuppen“(1981) und „Supertalent“ - 32 Jahre später?
Der Talentschuppen war damals das sogenannte Schaufenster für die Medienbranche. Den Begriff Comedy gab es noch nicht, aber ich konnte in diesem Format meine Talente sichtbar machen und ich hatte das große Pfand der Jugend. Danach hat sich alles verselbstständigt zu dem, was ich heute mache und bin. Eigentlich wollte ich aus Sicherheitsgründen, nach einem Fachabitur in Gestaltung, Kommunikations-Design studieren. Bis zum Aufnahmetermin hielt ich mich mit Werbeaufträgen über Wasser. In der Prüfung saß der Professor mit dem ich bei den Werbeaufträgen immer in Konkurrenz stand. Er konnte wohl nicht ertragen, dass er in meiner Mappe seine Anzeigen neben meinen sah - und verweigerte mir die Aufnahme. Heute bin ich ihm dankbar, weil ich nur durch ihn eigentlich auf der Bühne stehe.

War „Skyfall“ beim Supertalent Zufall oder Ab-Fall?
Mit fast 60 Jahren leiste ich mir, Dinge zu tun, die nicht der Logik folgen und auch kein Ziel haben, außer dass es einfach von der Norm abweicht. Ich spiele die Blockflöte recht gut und hatte mich gefragt, wo ich das präsentieren kann. Ich habe diese Szene, dass ich bei Supertalent auftrete, zunächst für ein Programm von mir erfunden. Viele Zuschauer haben mich danach gefragt, ob das eine reale Szene war, worauf ich sagte, „Nö, das habe ich mir ausgedacht.“ „Mach das doch mal wirklich!“, war daraufhin die Aufforderung und so habe ich es gemacht, um zu sehen, ob die Szene genauso läuft, wie ich es mir ausgedacht habe. Und es war so. Alle waren irritiert, weil ich ja damit gar nicht gewinnen wollte.

In den Jahren 1983/84 hast du nach eigener Aussage in Drachenblut gebadet ?
Jeden Freitag habe ich in einer Gaststätte für Seminarteilnehmer einer Sanitärfirma gegen Mitternacht nach einem üppigen Ess- und Saufgelage ca. 60 besoffene Handwerker bespaßt. Es ist fast nicht möglich, aber ich habe da gelernt mich durchzusetzen und jede Situation zu meistern. Heute - mit meinem Wissen und meiner Professionalität - würde ich mir eine solche Situation nicht mehr zumuten. Damals hatte ich keine andere Wahl, ich brauchte die Kohle. Ich bin damals für Sachen angefragt worden, die ich gar nicht konnte, wobei mich aber immer das Geld gereizt hat. Ich habe mich dann durchgezittert und durchgeschwitzt und habe immer meine „Lüge“ zur Wahrheit verwandelt. So ist es heute manchmal auch noch.

Heute leihen Superstars in Animationsfilmen Tierfiguren ihre Stimme, das hast du schon von 1983 bis 1990 gemacht. Du warst 7 Jahre lang Wum & Wendelin.
Das wurde lange Jahre geheimgehalten und auch von Loriot nie öffentlich gesagt. Er selbst hatte dazu keine Lust mehr, weil es ihn aufhielt, seine Kreativität zu nutzen. Er lud mich für vierTage in sein Studio am Starnberger See ein und ich war mit der Synchronisation in vier Stunden fertig. Für diese Zeitersparnis habe ich mir von ihm ein wenig seiner Zeit gewünscht. So sind wir in interessanten Gesprächen gemeinsam um den halben Starnberger See spaziert. Daran werde ich mich ewig erinnern, dass Loriot ein paar Stunden nur mir allein gehörte.

Für „7 Tage - 7 Köpfe“ gab es das Bambi, wir möchten 7 Promis, die du besonders gerne parodiert hast?
Helmut Schmidt, weil ich ihn mit meiner „älteren“ Stimme so auf den Punkt habe, dass die Leute völlig fasziniert sind. Helmut Kohl und Boris Becker haben ja schon viele gemacht. Inge Meysel wollen die Leute immer noch hören, obwohl ich mich an ihr „satt“ gespielt habe. Ich singe gerne Udo Jürgens, da meine Singstimme seiner sehr ähnlich ist, singe aber auch Tom Jones und Sammy Davis jr. Ich mag Desirée Nick, als ich die mal im Sonnenstudio übte, klopfte der Besitzer an die Tür und sagte: „Ich mag sie ja schon im Fernsehen nicht, aber wenigsten hier könnten sie ihre Klappe halten.“. Sicherlich auch Udo Lindenberg und Karl Lagerfeld natürlich, aber da haben wir ja schon mehr als sieben.

Gab es schon einmal Ärger wegen einer Parodie?
Allein die Tatsache, dass ich einmal den Papst gemacht habe, war Anlass, dass der damalige Innenminister Seiters als Ehrengast einer Veranstaltung den Saal verließ. Daraufhin hat man mich auch hinausgebeten. Je echter man ist, umso mehr hält man demjenigen den Spiegel vor, der eigentlich nicht so gesehen werden möchte. Jochen Busse fand meine Parodie auf ihn auch immer blöd. Aber die meisten wie Otto oder Udo Lindenberg fühlen sich geehrt; die sind eher beleidigt, wenn sie ins Programm kommen und ich sie nicht spiele.

Haben dich bestimmte Personen in deiner Laufbahn besonders beeinflusst?
Ich habe durch „Am laufenden Band" Alfred Biolek kennen gelernt, der die Sendung produzierte. Alfred hat im Kölner Senftöpfchen schon eine von Kritikern hochgelobte Talk-Show gemacht, als es so etwas im Fernsehen noch gar nicht gab. Als es diese dann im Fernsehen gab, wurde immer noch mehr über seine legendäre Talk-Show geschrieben. Alfred Biolek war ein Förderer, was das Show-Praktikum angeht. Er hat mir überall die Türen geöffnet, was Eindrücke angeht, egal ob Zauber- oder Travestie-Shows.

Haben dein Bruder und du nicht auch mal die Kessler-Zwillinge gegeben?
Ja in der Jörg Knör Show: Zuerst habe ich mit Jens die Kesslers in einem Sketch gespielt, in dem wir uns stritten, welches Bein zuerst gesetzt wird. Als die Kamera zurückfuhr sah man, dass wir auf dem Fußballplatz vor einem Tor standen. Dann kamen Alice & Ellen dazu und wir führten einen Spiegeltanz auf: Die Zwillinge tanzen durch einen Rahmen voneinander getrennt, das es wie ein Spiegelbild aussah. Die Kesslers hat es total geärgert, das wir synchron perfekter waren als sie. Das ist bestimmt noch irgendwo auf Youtube zu sehen.
Wir haben schon in der Schule Travestie versucht. Das können viele nicht verstehen, dass man daran Spaß und Freude hat. Viele verbinden Travestie immer mit einer Neigung und nicht mit Kunst. Es gab die legendäre, großartige Gruppe „Follies Parisienne“. Ich habe das nachgemacht, ohne darüber nachzudenken, ob das okay ist oder nicht. Gott sei Dank hatten meine Eltern großes Verständnis. In Wuppertal gab es Mitte der 70er „Lemmys Künstler-Treff“ und da ich einfach Spaß am Verkleiden hatte, stand ich da nachts als Zarah Leander oder Hildegard Knef auf dieser Bühne, angezogen mit einem gelben Samtkleid, großem Hut, fetten Wimpern und vielen Pailetten und sang „Er hieß Waldemar“. Und mein Bruder spielte den Waldemar, mit dicker Nase und dickem Bauch. Das war eigentlich echt lustig.


Kommen wir zum Gay-Life - Was hast du für eine Beziehung zur Gay-Szene?
Es gibt ja nicht die eine schwule Szene, so wie es auch nicht nur eine Hetero-Szene gibt. Unter den Schwulen gibt es unglaublich biedere, unglaublich spießige, unglaublich blöde aber ebenso unglaublich charmante und nette. Es gibt außer dem Unterschied, dass man sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt, gar nicht so viele Unterschiede, wie sich mancher Heterosexuelle ausmalt. In meinem Freundeskreis habe ich viele ältere schwule Pärchen, die seit Jahrzehnten zusammen sind. Ich bemerke da gar keinen große Unterschied mehr. Aber ich kann nachvollziehen, dass es zwischen zwei Männern in einigen Dingen ein tieferes Verständnis gibt, als zwischen Mann und Frau. Sonst hätte eine Hetero-Mann ja auch keine Männerfreundschaften. Es heißt ja Gegensätze ziehen sich an, ich finde aber, dass Gemeinsamkeiten ein viel größerer Garant für Beziehungen sind.

Also gleich und gleich gesellt sich gern. Hat nie ein Mann versucht dich anzumachen?
Nicht wirklich. Ich habe mal mit Rex Gildo an der Bar gesessen, er hat mich angemacht und mir am Ende einen Kuss auf die Lippen gedrückt. Danach hat er mich fast geohrfeigt und gesagt: „Du dummer Junge!“, obwohl er mich angemacht hat. Aber genauso hat mich Udo Jürgens auch auf den Mund geküsst, als er mich allein in einer Diskothek entdeckte. Wir mochten uns immer, er fühlte sich so einsam, dass er einfach sehr emotional reagiert hat. Er sagte dazu noch „Ich liebe dich“ und das war gar nicht homoerotisch gemeint. Ich finde, alles, was sich gut und richtig anfühlt, ist auch richtig.

Haben Schwule im Gegensatz zu heterosexuellen Männern einen anderen Humor?
Schwule neigen dazu, sich schnell diskriminiert zu fühlen, andererseits neigen sie aber auch dazu, sich als etwas ganz Besonderes zu empfinden. Was sie von Hetero-Männern unterscheidet, tragen sie gern wie eine Stola, die ihnen einen Nimbus von Außergewöhnlichkeit gibt. Da muss ich aus meiner Sicht enttäuschend sagen, da ist überhaupt nichts dran. Es hat sich in unserer Zeit alles so rundgespült, dass sich die 20jährigen Heteromänner nicht mehr von Schwulen unterscheiden lassen. Sie färben sich die Wimpern, stylen sich die Augenbrauen und machen viel mehr, als es schwule Männer früher gemacht haben.

Was hast du noch für Träume?
Beruflich möchte ich ein Album machen: Mit Liedern, die aus meiner Lebenserfahrung stammen, so als Geschichtenerzähler im Stil eines Udo Jürgens. Ich hätte gern eine regelmäßige Fernsehsendung, so wie die „Muppet“- oder „Schmidt-Show“ gewesen sind. Eine Art Nachtclub mit lauter verrückten Gästen, wo ich meine Talente auch als Gastgeber mit einbringen kann.

Auch Interessant

Ausgequetscht

Benni Bauerdick

ist Radio-Moderator, Fernsehreporter, Podcaster und Trauerbegleiter. Als Gesprächs-Partner in Podcasts und auf Bühnen setzt er sich für mehr...
Pärchen September 2024

Dustin und Pascal

Dustin (36) und Pascal (35) haben sich wie so viele Paare online kennengelernt, auf Instagram schrieb man sich und auf Tinder hatten sie ein Match!
Ausgequetscht

Sonja Fuss

gewann im Frauenfußball jeden Titel, den man sich vorstellen kann. Sie spielte von 1992 – 2011 in der Bundesliga und von 1996 – 2010 für Deutschland.
Pärchen August 2024

Martin und Daniel

Liebe ist nur einen Klick entfernt – oder 180 Meter: Dieses Paar musste sich einfach kennenlernen, denn Amors Pfeil hatte es nicht sehr weit ...
Ausgequetscht

Lucas

Lucas war dabei, als erstmals bei Germany Next Top-Model männliche Kandidaten antreten durften.
Pärchen Juli 2024

Marco und Jan

Dass man der Technik nicht blind trauen sollte, beweist dieses Paar – denn blind ist nur die Liebe...
Interview

SEPP OF VIENNA

Mitte März bis 15. April lud er ins Münchner „Sub“ ein, wo man seine Männer „treffen“ konnte. Im Juni erscheint anlässlich des 50-jährigen das Buch.
Pärchen Juni 2024

Philip und René

700 Kilometer Entfernung ist nicht weit, wenn man sich liebt: Wie man Hindernisse überwindet und Harmonie findet, zeigt dieses Traumpaar des Monats...
Im Interview

Nico Alesi

ist Sänger, Songwriter und Musical-Darsteller. Er liebt Theater, Tanz und Takt – wobei Takt für Musik und insbesondere für Schlager steht.