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Catherrine Leclery // © vvg

Im Interview Catherrine Leclery

vvg - 02.02.2020 - 12:00 Uhr

ist eine echte Vollblut-Entertainerin, ob in Kino-Filmen, auf der Bühne, im TV, in Fashion-Shows oder auf Events. Sie wurde bei der ersten Staffel von "Queen of Drags" Vierte. Seit 30 Jahren steht der brasilianische Künstler Andrè als Catherrine auf der Bühne. Er lebt seit 1995 in Deutschland. Im Kölner Restaurant „Oscar im Apropos“ arbeitet Catherrine als Deutschlands einzige Drag Queen als Empfangsdame.

Catherrine, du bist bei „Queen of Drags“ Vierte geworden, was hat dir dein Mitmachen gebracht?

Ich nehme sehr viele Erfahrungen mit, die ich mit den jungen Leuten machen konnte, die halb so alt waren, wie ich. Ich konnte lernen, wie sie denken, wie sie ticken; das war auf beiden Seiten eine Erfahrung. Wenn mich jemand fragen würde, ob ich den Spaß noch einmal mitmachen würde, wäre meine Antwort ein klares „Ja!“ Ich bin auch mit meiner Platzierung zufrieden; ich wurde „Königin der Herzen“, das kann mir keiner mehr nehmen.

War der Generationsunterschied zu den anderen Drags für dich Vor- oder Nachteil?

Er war für mich eher von Vorteil, weil ich durch meine Erfahrung viel mehr Facetten aufzeigen konnte. Nachteil sind die Vorurteile, wenn es um das Alter geht. Ich konnte hoffentlich mit diesen Vorurteilen aufräumen.

Hat sich Travestie in den letzten zwanzig Jahren verändert?

Natürlich, wie vieles andere auf dieser Welt auch. Heute heißt ein Travestiekünstler Drag-Queen. Man muss mit der Zeit, mit der Mode gehen und neue Trends mitmachen. Das ganze Leben ist Veränderung, nur so kann man sich weiterentwickeln. Damals haben wir nicht all die Möglichkeiten gehabt, die der jungen Generation heute zur Verfügung stehen. Vor allem durch die neuen Medien bekommt man viel mehr Anregungen. Früher haben wir bekannte Stars und Diven parodiert. Heute gibt man sich moderner, bunter, flippiger. Man bewegt sich erotischer, akrobatischer.

Die Gewinnerin Yonce wurde kritisiert, immer nur dasselbe auf der Bühne zu machen.

Yonce ist talentiert, aber ich möchte sie mal alleine ohne Tänzer auf der Bühne erleben. Sie sollte auch mal eine Ballade performen. Erst wenn man das Publikum alleine und mit einer Ballade fesseln kann, hat man es geschafft. Yonce ist noch jung, ich bin sicher, sie wird das hinbekommen.

Glaubst du, das Format konnte mit Vorurteilen gegenüber Drag-Queens aufräumen?

Das Format war gut für Künstler, die sich selbst, ihre Show, ihre Kunst und ihre Bühnenpräsenz präsentieren wollen. Nicht für die, die glauben, allein ein Kleid mache sie zu einem Star. Die Show hat aufgezeigt, dass ein Drag-Künstler ein Allrounder sein muss - Designer, Schneider, Maskenbildner, Perückenmacher, Tänzer, Schauspieler, Sänger, Choreograf und Regisseur. In den USA wird das schon lange gezeigt. In Deutschland gab es nur 1997 bei RTL eine Show, es müssen noch viel mehr Türen geöffnet werden.

Wonach sind die zehn Künstlerinnen ausgesucht worden?

Ich z.B. wurde per Instagram zu einem Casting eingeladen. Pro 7 hatte viele Drags eingeladen, alle gecastet und die zehn besten ausgesucht. Sollte es weitere Folgen geben, werden auch andere hervorragende Drags zu sehen sein.

Es gab viel Gegenwind aus der Szene.

Als man von dem Format erfuhr, wurde zu einer Petition aufgerufen, was ich sehr blödsinnig fand. Alle fordern Zusammenhalt und wenn so eine Show als Türöffner angeleiert wird, muss sofort dagegen gewettert werden. Da stellt man sich die Fragen: „Welche Leute haben die Petition gemacht?“ Und: „Was haben diese Leute selbst künstlerisch erreicht?“ Wahrscheinlich nichts. Das ist nur Neid derer, die keine Kompetenz haben.

2019 bein Red Carpet in Berlin (mit Jurymitglied Conchita)

Auch Heidi Klum hat viel Kritik einstecken müssen.

Heidi Klum hatte schon bei "GNTM" Drag Queens dabei. Ich kannte sie von einem Fotoshooting aus der 3. Staffel. Außerdem stand ich mit der Girlband Monrose und beim Finale 2017 mit der Regenbogenfahne auf ihr auf der Bühne. Jetzt bei „Queens of Drag“ habe ich Heidi noch intensiver kennengelernt. Sie ist eine Frau, die weltweit erfolgreich ist und nur sie hatte den Mut, mit ihrem Namen eine Tür zu öffnen, damit die Drag Queens eine Plattform bekommen. Hätte sie das nicht angeregt, hätten wir keine Prime-Time im TV erhalten. Anstatt dafür mit negativer Kritik über sie herzufallen, sollte man ihr doch lieber dankbar sein, oder?

Ja, ja, die Toleranz. Aber hätten die Dragqueens untereinander nicht auch toleranter sein können?

Weil keiner mit Kathy Bähm das Zimmer teilen wollte? Die kannten sich teilweise und hatten wohl schon einige Auseinandersetzungen miteinander gehabt. Vielleicht lag es auch daran, dass Kathy ständig mitteilen musste, dass sie die Schönste sei. So etwas nervt irgendwann. Meine Oma hat mich gelehrt: „Geschmack und Arsch - Jeder hat seinen!“ Wenn Kathy meint, die Schönste zu sein, soll sie es sein. Wer bin ich, darüber zu entscheiden? Ich will gute Arbeit abliefern. Ob ich schön bin oder nicht, entscheidet mein Publikum. Ich würde das nie selbst behaupten.

Was sind Vorurteile gegenüber Drags?

Viele lästern über Drag Queens, dabei hat fast jeder Schwule selbst einmal im Badezimmer vor dem Spiegel gestanden und Whitney, Cher oder Barbra Streisand imitiert. Gerade die Schwulen können immer alles besser. Aber gibt man ihnen eine Bühne, Perücke, Schminke und Fummel und sagt „Mach mal!“, traut sich keiner. Große Klappe und nichts dahinter. Ich wohne mitten in Köln, aber es gibt wenig Schwule, die mich kennen. Weil sie mich nicht buchen, weil ich angeblich zu teuer bin. Kommt eine Anfrage, wird es als Benefiz deklariert, wo man umsonst auftreten soll. Dabei hat Qualität seinen Preis; Heterosexuelle fragen und zahlen.

Was sollte eine Drag nie tun?

Unvorbereitet auf eine Bühne gehen, ich habe immer geübt. Damals als ich anfing, gab es noch kein Internet, wo man sich den Text anlesen und die Musik anhören konnte. Ich habe meinen Kassettenrekorder vor- und zurückgespult und zig Mal dabei mit dem Bleistift das Band wieder in die Kassette reinziehen müssen.

Sind Drags grundsätzlich schwule Männer?

Ich habe noch nie einen heterosexuellen Mann als Dragqueen erlebt. Ich habe mit Tom Gerhardt gearbeitet, der auch schon als Frau auf der Bühne stand. Obwohl er ein guter Schauspieler und Comedian ist, kann er nie so feminin wie ein Drag Queen sein. Um das hinzubekommen, muss ein Mann schwul sein. Wenn sich zum Karneval Männer als Frau verkleiden, bleiben sie immer Kerl.

Wie unterscheidet sich Catherrine von Andrè?

Andrè ist sehr bescheiden, zurückhaltend und sehr normal. Catherrine ist eine Diva; egal wo sie auftaucht, braucht sie Aufmerksamkeit. Aber sie existiert nur, wenn Andrè das will. Sie entsteht in dem Moment, wo er die Wimpern anklebt und verschwindet, sobald die wieder abgenommen werden. Er hat zwar mehr zu sagen, weil sie wegen ihm existiert, aber sie ist diejenige, die das Geld nach Hause bringt.

Wie lange dauert dein Verwandlungsprozess?

Von Andrè zu Catherrine ca. 45 Minuten plus Perücke und Kleidung. Im umgekehrten Fall dauert die Verwandlung etwa eine Viertelstunde.

Hat einer von euch eine feste Beziehung?

Ich war schon 17 Jahre mit einem Mann aus dem Schwarzwald verheiratet, der jetzt in meiner Heimat Brasilien lebt. Seitdem ich in Köln lebe, brauche ich die Zeit für mich. Es ist aber nicht einfach: Wenn ein schwuler Mann mich als Mann kennenlernt, will er mich auch nur als Mann haben. Wenn ich sage, dass ich als Dragqueen arbeite, ist es meistens vorbei. Und wenn ich als Catherrine einen Mann kennen lerne, will er mich 24 Stunden als Catherrine haben. Und das bin ich nicht 24 Stunden am Tag.

Wie entstand Catherrine?

Ich war in Brasilien mit 18 Jahren auf der Gay-Party „Broadway Night“. Der Chef Agio La Porte, sagte mir, ich müsse unbedingt Show machen; ich sei die perfekte Josefine Baker. Die kannte ich nicht, aber schon eine Woche später stand ich auf der Bühne. Ich hatte es einfach im Blut. Es folgten mehrere Wettbewerbe, die ich gewann, u.a.  neun Mal in Folge den Drag Queen-Wettbewerb „Pop Gay“.

Wie kamst du nach Deutschland?

Ich war mit meiner Mutter auf Urlaub und lernte auf einer brasilianischen Party in Düsseldorf Tom Gerhardt kennen. Er ist großer Brasilien-Fan und wollte mich unbedingt für seine Theater-Tournee haben. Auch ihn kannte ich nicht, aber als er mit einem Vertrag (sogar auf portugiesisch) kam und ich sah, was ich verdiene, konnte ich nicht absagen. Da musste meine Mutter ohne mich zurückfliegen, denn ich begleitete Tom auf seinen Theatertouren „Voll die Disco“, „Voll pervers!“, „Au weia“ und „Nackt ohne Farbe“.

Und selbst im Urlaub stehst du deine Frau …

Ich bin mit der bekannten brasilianischen Sängerin Alcione befreundet, sie hat mich zum Karneval nach Rio eingeladen und ich darf am Umzug teilnehmen. Das heißt nicht nur Urlaub und Arbeit, sondern auch doppelte Koffer packen: Denn in Sao Paulo steht eine Show an.

Was sagt Mama, dass der Sohn eine Tochter ist?

Sie hatte keine Probleme damit. Sie weiß, dass ich davon gut leben kann und sie sich keine Sorgen um mich machen muss. Problematischer war das schwule Outing. Schwul, arm und schwarz in Brasilien zu sein, ist ein Problem. Da muss man schon eine sehr große Persönlichkeit besitzen, um sich zu behaupten. Es war anfangs nicht einfach.

Was möchtest du noch loswerden?

Ich möchte mich bei Heidi bedanken, dass sie uns Drags die Möglichkeiten eröffnete, und ich mit Bill und Conchita zwei so wunderbare Jurymitglieder kennen lernen durfte. Und ich danke meinen brasilianischen Freunden Nilsinho und Lorenzo, sowie der besten Drag Queen Brasiliens Marcia Panterra, die mir bei meinen Kostümen geholfen hat.

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