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Annette Biskamp // © Napodano Matteo

HIV im heutigen Arbeitsleben HIV im heutigen Arbeitsleben

id - 17.03.2019 - 07:00 Uhr

Bereits im Jahr 2012 nahm sich die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (kurz: BZgA) dem Thema „HIV in der Arbeitswelt“ in ihrer damaligen Kampagne zum Welt-Aids-Tag an. Doch auch über sechs Jahre später gibt es noch immer viele Unsicherheiten, sowohl auf Seite von Betroffenen, aber auch auf Seiten der Arbeitgeber und der Kolleg*innen. Anlässlich des diesjährigen Deutsch-Österreichischem Aids-Kongresses, welcher vom 13. bis 15. Juni 2019 in Hamburg stattfinden wird, wird diese Thematik wieder aufgegriffen werden. SCHWULLISSIMO fragte dazu Annette Biskamp, Dipl. Sozialpädagogin bei der Aidshilfe Hamburg.

Viele HIV-Betroffene machen sich – nicht nur bei einer Bewerbung – Gedanken darüber, wem am Arbeitsplatz sie von ihrer Erkrankung erzählen sollten?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt von der persönlichen Situation ab. Man weiß nie, wie Kollegen, Vorgesetzte damit umgehen. Grundsätzlich würde ich dazu raten, vorsichtig zu sein und genau zu überlegen wem ich das mitteile.
Im Einzelfall kann es schon sinnvoll sein, den Arbeitgeber zu informieren. Es gibt damit gute, aber leider auch schlechte Erfahrungen.

Viele glauben ja, es gäbe bei diesem Thema rechtliche Vorschriften, doch genau das Gegenteil ist ja der Fall.
Es gibt keine Verpflichtung, Vorgesetzte, Arbeitgeber zu informieren. Es besteht im Arbeitsalltag kein Infektionsrisiko für Kollegen oder Kunden. Außer, wenn HIV zu schwerwiegenden Erkrankungen führt, die die Leistungsfähigkeit dauerhaft einschränken.
Für wenige Berufe gibt es Ausnahmen, z.B. weil HIV-Positive in manche Länder nicht einreisen dürfen, oder für Chirurgen mit invasiven Tätigkeiten, abhängig von der Viruslast.

Was sind die häufigsten Befürchtungen bei HIV-positiven Arbeitnehmer*innen?
Die größte Sorge ist Diskriminierung und Stigmatisierung am Arbeitsplatz zu erfahren. Weiterhin besteht die Sorge, den Arbeitsplatz wechseln zu müssen oder sogar vor einer Kündigung, dabei ist eine Kündigung aufgrund einer HIV-Infektion ist rechtlich gar nicht möglich.

Aus Arbeitgebersicht: Wie kann ich Mitarbeiter*innen mit HIV/AIDS unterstützen?
Auf jeden Fall sollte der Arbeitgeber mit dem/r HIV-positiven Mitarbeiter*in ins Gespräch gehen und gemeinsam einen Umgang damit vereinbaren. Dies kann sich auch positiv auf das Miteinander am Arbeitsplatz und auf das Betriebsklima auswirken. Er sollte sich die notwendigen Informationen einholen, z.B. bei AIDS-Hilfen. Möglicherweise wäre eine Fortbildung für Mitarbeiter und/oder Vorgesetzte sinnvoll.

Ein häufig auftauchendes Thema ist ja, dass Arbeitgeber meistens ja hohe Ausfallzeiten aufgrund der HIV-Infektion befürchten. Ist dieses Argument überhaupt haltbar?
Unter wirksamer Therapie sind Menschen mit HIV heute so leistungsfähig wie andere Arbeitnehmer*innen auch.
Auch hier gilt bei Unsicherheiten, sich Informationen und Unterstützung einzuholen.

Im Juni 2019 findet in Hamburg der „Deutsch-Österreichische AIDS-Kongress“ statt. Im Rahmen dieser Veranstaltung soll auch eine „Arbeitgeberdeklaration“ veröffentlicht werden. Was verbirgt sich dahinter? Viele Unternehmen haben sich das Thema „Diversity“ ja schon länger auf ihre Fahnen geschrieben, aber beim Thema HIV/AIDS scheint es offenbar noch Nachholbedarf zu geben.
Ja, insbesondere beim diskriminierungsfreien Umgang mit HIV-positiven Beschäftigten. Nach wie vor bestehen trotz medizinischer Fortschritte immer noch sehr viele Mythen zum Thema HIV und Arbeit. Daher wünschen wir uns Respekt und Selbstverständlichkeit im Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben.


Gemeinsam gegen Diskriminierung im Arbeitsleben

Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) möchte in diesem Jahr zahlreiche Unternehmen gewinnen, eine sogenannte „Arbeitgeber Deklaration“ zu unterzeichnen. Zu den Erstunterzeichner*innen gehören bereits IBM, Daimler und SAP. Diese bundesweit angelegte Aktion soll für mehr Respekt im Umgang mit von HIV/AIDS-Betroffenen im Arbeitsalltag werben.

Unternehmen, die Menschen mit HIV gegenüber aufgeschlossenen sind und auf eine gezielte Aufklärung für ihre Belegschaft setzen, sorgen für ein Klima ohne Angst und ausgrenzende Reaktionen gegenüber Beschäftigten mit HIV.

Die Deutsche AIDS-Hilfe engagiert sich seit vielen Jahren gemeinsam mit Menschen mit HIV für den Abbau von Diskriminierung im Arbeitsleben. Neben Plakatmotiven, Veröffentlichungen und Rollenmodellen zum Thema HIV und Arbeit bietet sie für Menschen mit HIV bundesweite Seminare zum Austausch und zur Stärkung ihres Umgangs mit HIV im Arbeitsleben an. Auch Fortbildungen zu diesem Themenkomplex konnten gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit erfolgreich Fortbildungen für Mitarbeiter*innen angeboten.

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