Felix Jaehn „Wir brauchen keine Therapie, es ist schon in Ordnung wie wir sind“
Der weltbekannte Star-DJ und gebürtiger Hamburger Felix Jaehn hat wieder neue Musik in der Pipeline. Zusammen mit Robin Schulz veröffentlicht er die Single „I Got A Feeling“ und lässt damit Deep-House und Dance-Herzen höherschlagen: Gleichzeitig wächst die Vorfreude auf das kommende Album „Breathe“, das am 1. Oktober erscheint. Mit SCHWULISSIMO sprach der 27-Jährige über Positivität in dunklen Zeiten, LGBTI*-Tracks auf seinem neuen Album und vieles mehr.
Du giltst als jemand der Botschaften der Positivität und Good Vibes mit seiner Musik versprüht. Wie schwer ist es für dich in Krisenzeiten und einer ungewissen Zukunft diese Musik und Message beizubehalten?
Für mich war es in letzter Zeit relativ einfach, dadurch dass ich bereits vor Corona und Co. dunkle Zeiten durchlebt und mich so besser kennengelernt habe. Unter anderem mit Meditation konnte ich Glück und Zufriedenheit im Moment finden und mich so transformieren sowie lieben lernen. Daraus zog ich letztlich auch sehr viel Stärke. So konnte ich die Ruhe und Positivität selbst in schwierigen Zeiten in mir bewahren. Umso mehr bin ich dann auch motiviert über meine Musik und Präsenz Positivität zu versprühen, weil ich glaube, dass die umso wichtiger geworden ist bei all den negativen Nachrichten. Da ist es extrem wichtig, dass es eben auch Menschen gibt, die Positivität nach außen strahlen. Das ganze Mental-Health-Thema ist am Ende in unseren Köpfen. Klar gibt es Krisen und Katastrophen, aber wir können letztendlich darüber entscheiden wie wir damit umgehen.
Hast du da manchmal Bedenken mit „Feel Good“-Songs um die Ecke zu kommen?
Nein überhaupt nicht. Das wäre ja furchtbar, wenn jetzt alle auf depri machen. Was soll das, dann gehen wir alle gemeinsam unter in der negativen Stimmung! (lacht) Das bringt niemanden weiter. Man muss natürlich aufpassen, dass es nicht respektlos ist und man nicht gerade am Tag von irgendeiner Horror-News einen albernen Post macht, der dann Menschen verletzten könnte. Da muss man schon respektvoll sein, aber meine Musik sehe ich schon eher losgelöst von solchen Themen und eher als Insel, wohin die Menschen flüchten können und gute Laune finden, wenn sie diese suchen.
Die Club- und Festival- bzw. ganz allgemein die Party-Szene hat es hart getroffen. Merkst du das als DJ und Produzent?
Na klar! Mein Leben war Auflegen – ich habe mit 16 Jahren angefangen auf Abi-Partys zu spielen und dann seit 2014 war ich konstant auf Welttournee. Eigentlich habe ich fast jedes Wochenende Shows gespielt und von heute auf morgen ging das dann nicht mehr. Das war natürlich heftig – aber positiv wie ich bin, konnte ich da auch wieder Vorzüge rausziehen. Ich konnte Heimat und Familie wieder mehr genießen, aber ich habe schon gemerkt wie sehr ich die Bühne vermisse. Für mich ist es einfach das Schönste, mit Menschen zu lachen und zu feiern. Das gehört einfach dazu und es ist total wichtig als Gemeinschaft zusammen zu kommen und Feste zu feiern – das ist essentiell. In diesen Zeiten ist es ein absolutes Highlight, wenn ich in den Genuss komme, eine Party feiern zu können und wenn ich dann noch auf der Bühne stehe und den Soundtrack liefern kann, dann macht es mir noch viel mehr Spaß.
Also du lebst die Party-Kultur so richtig?
Ja, witzigerweise wieder deutlich mehr. Hättest du mich vor zwei Jahren gefragt, da war ich nicht ganz so euphorisch – da habe ich teilweise 5 Shows am Wochenende gespielt und das ist die Balance, die man finden muss.
Wie mutig ist es ein Album „Breathe“ während einer Pandemie einer Lungenkrankheit zu nennen?
Ich habe schon darauf gewartet, wann ich das gefragt werde. Wir haben uns da auch bei einem Marketing-Meeting mal drüber debattiert, ob das ein Problem sein wird. Aber sich davon jetzt auch noch einschränken zu lassen, finde ich auch albern. Es ist ja auch umso wichtiger zu atmen, denn Atmung hat ja was mit Gesundheit zu tun. Ich habe mich viel mit der Thematik im Zusammenhang mit Meditation beschäftigt und ein großes Problem ist, dass wir eine zu flache Atmung entwickelt haben. Mit gezielter und bewusster Atmung kann man sehr viel für seine Gesundheit tun – aber das war nicht der Gedanke hinter dem Albumtitel.
Wird es auf deinem neuen Album auch einen oder mehrere Songs geben, die an die LGBTI*-Community gerichtet sind – entsprechend deiner eigenen Erfahrungen?
Ja, den wird es auf dem Album geben und er heißt “No Therapy“. Der Track ist zusammen mit dem Engländer Bryn Christopher Baer und Nea entstanden. Bryn ist ein schwuler Sänger und wir hatten das Thema bei der Produktion bereits im Kopf. Das erste ist “Love me crazy, we'll be who we wanna be“ – also dieses Empowerment, dass wir sind wie wir sind und die Individualität feiern. Das nächste was da noch mitschwingt ist das „We don’t need no therapy“, weil man sich ja immer wieder wundert, dass es tatsächlich noch Menschen gibt, die glauben, dass man Homosexualität und Co. therapieren könnte und austreiben sollte. Aber es ist eben nach wie vor ein Thema und so haben wir das mit in den Song einfließen lassen. Nein, wir brauchen keine Therapie, es ist schon in Ordnung wie wir sind.
Für mich persönlich hängt auch der Song „I got a feeling“ mit dieser Thematik zusammen. Bei „I didn’t break I made it out“ geht es um Zeiten, wo es mir nicht so gut ging, ich mich isoliert habe und mich nicht getraut habe rauszugehen. Das ich das jetzt hinter mir lassen kann und jetzt mit offenen Herzen vor die Tür gehe und der Welt begegne und mich der Liebe auch öffne. Das ist jetzt kein reiner LGBTI*-Song, sondern hatte auch andere Ursachen, warum ich mich so isoliert habe, aber die Sexualität spielte in der Vergangenheit eine große Rolle. Es hat mich als Mensch sehr geprägt sowie inspiriert und damit auch die ganzen Songs, die auf dem Album entstanden sind.
Auch den Track „Old Me“ finde ich echt schön – „I know I had my doubts but that was the old me”. Dabei geht es auch darum, dass ich früher nicht bereit für eine Beziehung und die Liebe war. Ich konnte nicht darauf zugehen, weil ich Zweifel hatte und unsicher war, aber das lasse ich alles hinter mir. Jetzt bin ich bereit und wir können uns lieben und eine schöne Zeit haben.
Aber das Schöne an der Musik ist, dass jeder seine eigene Interpretation daraus ziehen kann.
Wann geht es wieder auf Tour und wirst du auf CSDs spielen?
Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr auf Album-Tour gehen kann. Witzigerweise ist eines der Hauptprobleme nicht Corona, wie man vielleicht denken würde, sondern überhaupt freie Veranstaltungsorte zu finden. Schließlich wurden sämtliche Events seit 2020 verschoben und da wird es dann schon eng 2022. Da ist es gar nicht mehr so leicht eine Tour zu buchen (lacht). Ich würde mich natürlich total freuen auf CSDs zu spielen – ich erinnere mich immer gerne an den CSD 2019 in Berlin. Vor dem Brandenburger Tor war es auch für mich persönlich ein absolutes Highlight und ein emotionaler und offizieller Befreiungsschlag als Artist zu performen.